Von Jens Gräber
Ein Kernproblem beim E-Commerce stellt sich der gesamten Baumarktbranche: Die Kunden haben viele Fragen. Welche Lasur eignet sich für meine Outdoormöbel? Welche Tapete ist für Feuchträume geeignet? Welchen Dübel brauche ich für eine Gipsfaserplatte? Kein Wunder, dass sich laut einer Umfrage im Auftrag des Handelsverbands Heimwerken, Bauen und Garten jeder zweite Baumarktkunde eine persönliche Beratung wünscht – ein Wunsch, der digital schwierig zu erfüllen ist.
Online registrierte „Manodvisors„
Der Plattformbetreiber Mano Mano hat dafür eine elegante Lösung gefunden: Online registrierte „Manodvisors“ – eine Wortneuschöpfung aus dem Firmennamen und Advisors, dem englischen Wort für Ratgeber – stehen Kunden hilfreich zur Seite und werden dafür am Verkaufserlös beteiligt.
„Im Jahr 2019 haben wir mehr als eine Million solcher Beratungsgespräche registriert“, erklärt Mano-Mano-Gründer Christian Raisson. Damit will sich das Unternehmen von Marktplatz-Riesen wie Amazon oder Ebay abheben, die ebenfalls DIY-Sortimente führen.
Corona beflügelt Geschäfte von Mano Mano
Zwar ist Mano Mano mit seiner Onlineplattform, über die DIY-Händler und -Hersteller ihre Produkte anbieten können, schon seit 2016 in Deutschland aktiv – doch bislang eher ein kleiner Fisch. 2019 erzielte das Unternehmen hierzulande ein Handelsvolumen von 43 Millionen Euro, Marktführer Obi kam stationär und online auf zusammen 4,1 Milliarden Euro Umsatz. Die Corona-Krise hat jedoch auch die Geschäfte von Mano Mano beflügelt.
Aktuelle Zahlen dazu möchten die Gründer nicht preisgeben, formulieren aber ein klares Ziel: Bis 2024 soll das Handelsvolumen des Marktplatz-Anbieters in Deutschland auf 500 Millionen Euro steigen.
Schlüsselmarkt Deutschland
Der 49-jährige Raisson gründete Mano Mano 2013 gemeinsam mit Philippe de Chanville, einem zehn Jahre jüngeren Kollegen aus der Finanzbranche, mit dem er die Leidenschaft fürs Heimwerken teilt. Von Frankreich aus expandierte das Unternehmen nach Großbritannien, Spanien, Italien, Belgien – und Deutschland. Die beiden Gründer sind überzeugt, dass der deutsche DIY-Markt mit einem Gesamtvolumen von rund 20 Milliarden Euro der Schlüsselmarkt in Europa ist.
„Er ist der größte, aber auch der am härtesten umkämpfte Markt. Die geringe E-Commerce-Penetration bedeutet eine großartige Chance für uns“, glaubt Raisson. Um sie zu nutzen, hat das Unternehmen in einer Finanzierungsrunde Anfang dieses Jahres nach seinen Angaben 125 Millionen Euro von großen Investmentgesellschaften wie Temasek und General Atlantic eingesammelt.
Das Geld soll etwa in ein eigenes Logistikzentrum auf deutschem Boden fließen. Wie Amazon es vormacht, will Mano Mano künftig gegen eine Zusatzgebühr die Logistik für deutsche Händler übernehmen, die auf der Plattform verkaufen. Die sollen im Gegenzug davon profitieren, dass sie etwa Lagerung, Auftragsvorbereitung und Versand ausgliedern können sowie durch neue Services wie Expressversand in der Kundengunst steigen. Auch die Lieferung von schweren oder sperrigen Gegenständen rentiere sich mit dem eigenen Logistikservice eher als über Drittanbieter, so Mano Mano.
Mano Mano setzt auf kuratiertes Angebot
Anders als andere Plattformbetreiber setzt Mano Mano auf ein kuratiertes Angebot, behält sich also die Auswahl der Händler vor, um die Qualität des Sortiments sicherzustellen. Für die Nutzung zahlen die Teilnehmer eine Abogebühr, zudem verdient Mano Mano über eine Provision an jedem Verkauf mit – wie viel, ist Verhandlungssache.
Ein attraktives Angebot für diese Partner? Offenbar schon, denn rund 350 sind hierzulande bereits an Bord. Stephan Thönnißen vom Vertical-Commerce-Unternehmen Berlin Brands Group etwa spricht von einer Zusammenarbeit, die „aus strategischen Gründen sehr viel Sinn“ ergebe.
Cross-Border-Umsatz von 64 Millionen Euro
Das Interesse rührt wohl auch daher, dass die internationale Plattform mit ihren bereits bestehenden Logistikzentren in Frankreich und Spanien den Verkauf ins Ausland erleichtert: So haben deutsche Anbieter auf Mano Mano im Vorjahr bereits Cross-Border-Umsätze in Höhe von 64 Millionen Euro erzielt.
Anders als etwa Amazon tritt Mano Mano zudem nicht in Konkurrenz zu seinen Händlern, agiert also nicht selbst als Verkäufer. Und bei Problemen setzt die Plattform auf die Unterstützung des betreffenden Händlers anstatt auf Strafen. De Chanville ist überzeugt: „Wir wachsen nur, wenn unsere Partner wachsen.“
Eine weitere Expansion sei vorerst nicht geplant, so der Mano-Mano-Mitgründer: „Wir möchten uns auf die sechs europäischen Länder konzentrieren, in denen wir bereits aktiv sind.“ Er unterstreicht erneut die strategische Bedeutung des deutschen Marktes: „Wenn wir hier Erfolg haben, können wir uns in Europa als der führende Online-Experte für Heimwerken, Haus und Garten etablieren.“ Obi, Hornbach und Co. sollten sich vorsehen.