Wie die Deutsche Telekom Trends erkennt und angeht

Telekom-Manager Andreas Schlegel erklärt im Interview, wie der Magenta-Konzern Trendforschung betreibt, welche Themen oben auf der Agenda stehen und was ihn in der Coronavirus-Pandemie überrascht hat.
"Brain-Machine-Interfaces haben das Potenzial, die Mensch-Maschine-Interaktion zu revolutionieren", sagt Telekom-Manager Andreas Schlegel. (© Deutsche Telekom)

Wie erkennen Sie Trends, die für die Deutsche Telekom wichtig sind oder werden?

ANDREAS SCHLEGEL: Wir setzen auf einen Mix unterschiedlicher Maßnahmen. Das reicht von der Recherche von „Early Signals“ und technologischen Innovationen bis hin zur Analyse der Aktivitäten von Wettbewerbern, Partnern und jungen Unternehmen innerhalb unseres Ökosystems. Die Ergebnisse bewerten wir nach den Kriterien Relevanz für die Telekom, Eintrittswahrscheinlichkeit und -zeitraum. Alles zusammen gießen wir einmal jährlich in unser Trendradar.

Wie organisieren Sie das Scouting und die Analyse von Trends?

Wir haben in unserem Team Experten für die unterschiedlichen Untersuchungsbereiche des Trendradars. Diese tauschen sich regelmäßig mit externen Analysten, Trendforschern und Partnern aus. Wichtig ist uns auch der Austausch mit internen Experten und Stakeholdern sowie unseren Innovation Scouts in USA, Europa und Asien.

Was finden Sie konkret heraus?

Nehmen wir das Beispiel Blockchain: Seit 2017 schauen wir uns dieses Thema genauer an und sind hier neben anderen Aktivitäten mit Partnern wie Clear und Celo Token unterwegs, wo wir zum Teil auch investiert sind. Dort testen wir verschiedene Einsatz-Szenarien im Konzern. Oder das Beispiel Cloud-Gaming: Auch dieses Thema haben wir vor einigen Jahren auf unser Radar genommen, inzwischen ist die Deutsche Telekom mit eigenem Angebot auf dem Markt.

Durch Corona haben sich technische Anwendungen durchgesetzt, die zuvor nicht selbstverständlich waren. Was hat Sie dabei besonders überrascht?

Die Renaissance der Festnetztelefonie. Und wir hätten auch nicht erwartet, dass sich die Akzeptanz der Videokommunikation so schnell steigern lässt. Insgesamt kann man festhalten, dass in vielen Bereichen das digitale Arbeiten von zu Hause erstaunlich gut funktioniert und das, obwohl wir branchenübergreifend in Deutschland nicht führend in der Digitalisierung sind.

Was wird bleiben, was wird sich ändern?

Wir beobachten aktuell eine spannende Entwicklung durch die Dauer der Pandemie: War zu Beginn noch ein großer Enthusiasmus für multimediale, digitale Lösungen, zum Beispiel Videotelefonie oder Streaming, zu erkennen, so hat sich über die Monate eine gewisse Bildschirmmüdigkeit gezeigt. Wir sehen aktuell einen Trend hin zu „Visual Detox“, bedingt durch den Überdruss an multimedialen Lösungen. Virtuelle Meetings finden auch mal als audio-only statt. Dies erklärt auch die Beliebtheit von Podcasts und den Hype um Apps wie Clubhouse.


Vita: Andreas Schlegel ist seit 2014 Vice President bei der Konzernstrategie der Deutschen Telekom. Der 45-Jährige bewertet Trends auf ihre Bedeutung für strategische Aktivitäten des Konzerns und veröffentlicht jedes Jahr den Telekom Trendradar. Zuvor war Schlegel von 2001 bis 2014 bei der Strategieberatung Bain & Company, seit 2010 als Partner in der Praxisgruppe Telekommunikation, Medien und Technologie.


Wenn Sie fünf Jahre vorausblicken: Was wird sich in der Art, wie wir kommunizieren und Technologie nutzen, am stärksten verändert haben?

Kommunikation ist mehr als Audio/Video und Mensch-zu-Mensch. Dies wird sich mehr und mehr in Innovationen ausdrücken: Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Virtuelle Assistenten werden Interaktionen teilweise autonom übernehmen. Wir werden uns daran gewöhnen, mit virtuellen Agenten zu interagieren, etwa im Service-Kontext. Neue Dienste werden neben unserer Stimme auch Aspekte wie Emotionen oder Einstellungen erfassen und analysieren. Brain-Machine-Interfaces haben das Potenzial, die Mensch-Maschine-Interaktion zu revolutionieren. Bis das alles im Massenmarkt ankommt, wird es jedoch sicherlich noch mehr als fünf Jahre dauern.

Worauf müssen oder dürfen wir uns noch gefasst machen?

Neue Geräte-Technologien werden zu einem Durchbruch bei Augmented/Virtual Reality führen – insbesondere in Verbindung mit Hybrid Work oder Gaming. Grundsätzlich werden Innovationen zunehmend besser auf den Menschen ausgerichtet. Das heißt, dass die Problemlösung klar im Vordergrund steht und die Technologie in den Hintergrund rückt. Analog erwarten wir einen Innovationsschub im Gesundheitswesen einschließlich personalisierter Ernährung, Fitness und mehr Nachhaltigkeit.

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.