Von Pius Laufenmüller
Bis heute ist Blockchain vor allem bekannt als Technik hinter computergenerierten Kryptowährungen wie Bitcoin. Seit der Marktpreis für Bitcoin jedoch von 11 000 auf 3700 Euro abgestürzt ist, gibt es nur noch wenige, die sich auf das Krypto-Thema einlassen. Dabei sehen Experten jenseits der Geldschöpfung unzählige neue Anwendungsmöglichkeiten für die neue Technik in vielen Branchen, auch und gerade im Handel. Während sich deutsche Unternehmen dem Thema laut Umfragen nur zögerlich nähern und viele Ideen noch im Projektstatus sind, gibt es jetzt einen bemerkenswerten Versuch, Blockchain-Technik in einem ausgesprochenen Nischenmarkt zu verwenden, um Luxusprodukte vor Fälschern zu schützen.
Über das Experiment hat das britische Branchenportal „The Drinks Business“ berichtet. Danach hat der Spirituosen-Konzern Williams Grant & Sons (er steht unter anderem für Marken wie „Tullamore Dew“ oder „Glenfiddich“) für seinen Luxus-Whiskey „Alisa Bay“ ein Blockchain-Verfahren entwickelt, das es möglich macht, den gesamten Prozess der Herstellung nachzuverfolgen – von der Quelle in Schottland bis zur edlen Flasche im Laden. Partner dabei ist das schottische Hightech-Unternehmen arc-net.
Fälschungen kosten die Branche 250 Millionen Euro
Fälscher sind für die gesamte Whiskey-Branche ein zentrales Problem. Wie das Amt für geistiges Eigentum der EU (EUIPO) errechnet hat, erleidet die britische Wirtschaft durch gefälschten Wein und gefälschte Spirituosen jedes Jahr einen Schaden von gut 250 Millionen Euro. Besonders schottischer Whiskey der Spitzenklasse muss sich der illegalen Konkurrenz billiger Brenner erwehren. Da könnte die Blockchain-Technik helfen. Sie verbindet, stark vereinfacht, mehrere Datensätze untrennbar miteinander. Man kann eine Blockchain auch mit einem offenen Orderbuch vergleichen, das fälschungssicher und für jedermann einsehbar ist.
Whiskey der Marke „Alisa Bay“ eignet sich wegen seiner aufwändigen Herstellung besonders gut für ein Experiment mit High-Tech-Schutz. Er lagert sechs bis neun Monate lang in besonders kleinen Holzfässern („Micro Maturation“) und ist deshalb besonders teuer (0,7 Liter kosten meist mehr als 70 Euro). Für den Hersteller Williams Grant & Sons hat die Technik noch einen weiteren Vorteil: Sie kann dazu dienen, Daten über die Struktur der Nachfrage zu sammeln und ist somit auch ein Instrument des Marketings. Die Vertriebsabteilung weiß, wann und wo jede einzelne Flasche verkauft wird.
Technik wird auch im Diamanten-Handel eingesetzt
Aber nicht nur Whiskey-Destillerien wollen ihre Produkte mit der neuen Technik vor Fälschern schützen. Eine zentrale Rolle spielt Blockchain vor allem im Handel mit Diamanten. Dabei geht es nicht nur darum, die Herkunft eines Edelsteins genau und fälschungssicher nachweisen zu können. Die Technik soll auch helfen, sogenannte „Blutdiamanten“ vom Markt fernzuhalten. Gemeint sind damit illegal geschürfte Diamanten, die in Afrika in den Handel kommen, um damit Bürgerkriege und Rebellenarmeen zu finanzieren. Blutdiamanten sind seit dem Jahr 2000 durch die Vereinten Nationen weltweit geächtet. Seit Februar hat das Luzerner Familienunternehmen Gübelin zusammen mit der britischen Hightech-Firma Everledger eine „Providence Proof Blockchain“ im Angebot, die für die ganze Branche gratis zugänglich ist. Zweck der Blockchain sei es, „jeden Schritt eines spezifischen Edelsteins entlang der Lieferkette aufzuzeichnen“, wie Everledger erklärt. Die Juwelenbranche ist aufgerufen, an der Verbesserung der Blockchain mitzuwirken. Auch Russland und die De Beers Group, der größte Diamantenhändler der Welt, setzen auf die Blockchain.
Die Suche nach Anwendungen für die neue Technik hat mit Whiskey und Diamanten aber erst begonnen. Erprobt wird etwa der Schutz von Auto-Ersatzteilen, von Bauteilen für die Luft- und Raumfahrtindustrie oder von Wein. Noch in diesem Jahr soll Wine Vault (WiV) starten, eine Blockchain zur Herkunftsprüfung von edlen Weinen.
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