Wie die Agentur Hypr KI-Tools in den Alltag integriert 

Früh angefangen, systematisch organisiert: Sachar Klein hat die Berliner PR-Firma zu einem Pionier in Sachen Künstliche Intelligenz gemacht. Der Change-Prozess läuft digital, denn das Team arbeitet fast ausschließlich remote.
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Offiziell sitzt Hypr in Berlin, aber die meisten Mitarbeiter*innen sind im Homeoffice. (© Unsplash)

Es war im November 2022, als Sachar Klein eine frühe Version von ChatGPT erhielt, zum Reinschnuppern und Ausprobieren. Für den Gründer und „Chief Attention Officer“ der Berliner PR-Agentur Hypr war schnell klar, dass diese Innovation die Branche verändern würde: „Das können wir nicht ignorieren.“ Sein Ziel: Die Agentur und ihre Kunden sollten zu den ersten gehören, die von den Vorteilen von Künstlicher Intelligenz profitieren würden. 

Das scheint gelungen. „Was die Selbstverständlichkeit des KI-Einsatzes angeht, sind wir sehr weit“, urteilt Klein heute. Während sich viele Firmen noch immer fragen, welche Software sie einsetzen können, dürfen oder sollen, hat Hypr zahlreiche Tools bereits in den Alltag integriert und auch organisatorisch Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Pioniergeist nicht verlorengeht. Technik-Nerd Klein („Ich war schon immer ein Fan von neuen Dingen“) hat sich nicht nur persönlich mit Nutzen und Risiken von KI-Software-Angeboten auseinandergesetzt, sondern überdies in seinem Team zwei „AI-Ambassadors“ ernannt, die das Thema systematisch vorantreiben – wie Change-Agenten. 

Was macht ein AI Ambassador bei Hypr? 

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Pia Hörlberger ist Attention Lead bei Hypr (Credit: Viktor Strasse).

In ihrer neuen Rolle entwickeln die PR-Profis Pia Hörlberger („Attention Lead“) und Maximilian Van Poele („Chief Max Officer“) Anwendungsszenarien, besuchen Fortbildungen etwa zum Thema Datenschutz und helfen Kolleg*innen, denen die Umstellung nicht immer leichtfällt. „ChatGPT wird am meisten eingesetzt, aber noch sehen wir große Unterschiede: Die einen nutzen es mehrmals täglich, andere seltener“, sagt Hörlberger. Die Tendenz jedoch weist eindeutig nach oben. Wer heute bei Hypr anfängt oder nach längerer Abwesenheit zurückkehrt, erhält neben einer Mailadresse wie selbstverständlich einen Pro-Account bei ChatGPT und gezielte Unterstützung beim Umgang mit KI. 

Die KI-Botschafter*innen scannen außerdem den Markt, um aus dem rasant wachsenden Angebot relevante Helfer zu identifizieren. „Man muss den Fokus bewahren angesichts der Flut von neuen Tools“, sagt Hörlberger. Zu regelmäßig genutzten Werkzeugen gehören neben ChatGPT zum Beispiel Perplexity zum Faktencheck oder Canva zur Erstellung von Grafiken. Kaum mehr wegzudenken sind Notetaker wie tl;dv, die Inhalte von Videokonferenzen erfassen und auswerten, oder Voice Recorder wie Plaud, die ganze Workshops transkribieren können und auf Wunsch auch gleich To-Do-Listen erstellen.  

KI-gestützte Bildgeneratoren wie Midjourney werden im textlastigen Arbeitsalltag der Agentur eher selten genutzt. Interessant hingegen: Blinkist AI, eine Funktion der Web App Blinkist zur personalisierten Suche nach Sachbüchern. Deren Inhalte fasst die App kurz und knackig zusammen. Selbst Lesen erübrigt sich trotzdem nicht, findet Sachar Klein: „Die Denkprozesse – das Lernen, Verinnerlichen und Reflektieren – kann einem die KI nicht abnehmen.“ Ohnehin weiß er bei aller Technikbegeisterung um die Gefahren von KI, wie Deep Fakes, und wünscht sich eine Regulierung, am besten global. 

Arbeiten im Homeoffice – europaweit 

Das Team von Hypr umfasst zwölf Mitarbeiter*innen, die nahezu ausschließlich im Homeoffice arbeiten, in München, Hamburg oder Düsseldorf; einige schalten sich sogar aus dem europäischen Ausland zu, etwa aus Schweden, Dänemark und Portugal. Die Kommunikation läuft via Slack, wo die Agentur für das KI-Thema eigene Channel eingerichtet hat, etwa zum Teilen von gelungenen Anwendungen und Konversationen.  

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Maximilian Van Poele ist Chief Max Officer bei Hypr (Credit: Viktor Strasse).

Denn: Handwerklich effizient mit den neuen Möglichkeiten umzugehen, etwa so zu prompten, dass die Maschine relevante Ergebnisse liefert, und sich gegen Halluzinationen abzusichern (indem man von der Maschine Quellenangaben verlangt), will gelernt sein. Weshalb eine Suche per ChatGPT anfangs oft länger dauert als das vertraute Googeln. Bei Hypr sehen sie das als Investition, die sich langfristig auszahlt. Hörlberger sagt: „Der beste Weg, um fit zu werden, ist, jeden Tag damit zu arbeiten. Irgendwann kommt der Wendepunkt.“  

Es geht auch um eine neue Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine – und damit um den Abschied von Gewohnheiten. „Wir sehen jetzt schon, dass das ein Marathon ist und kein Sprint“, sagt Maximilian Van Poele. Taugt eine KI-generierte Vorlage als Einstieg in einen Text – oder doch nur als Materialsammlung? Akzeptiere ich eine automatisiert erstellte Analyse, oder verwerfe ich sie zugunsten eines eigenen Blickwinkels? Hörlsberger beschreibt die Rolle der KI als Sparringspartner: „Die Kreativität muss nach wie vor von uns kommen.“ 

“Mehr kreative, weniger Routinetätigkeiten” 

Im Durchschnitt sparten die Mitarbeitenden wöchentlich bereits zwei bis drei Stunden, die für höherwertige und spannendere Aufgaben verwendet werden könnten, schätzt Klein. „Wir arbeiten nicht weniger, aber wertvoller: mehr kreative, weniger Routinetätigkeiten.“ Auftraggeber reagierten durchweg positiv. „Auch sie experimentieren und sind dankbar, wenn wir unser Wissen teilen.“  

Grenzen gibt es aber auch. Bei sensiblen Inhalten – etwa wenn ein Auftraggeber Entlassungen plant – ist der Einsatz von KI bei Hypr tabu. Schließlich weiß niemand, wie die Maschine Informationen verarbeitet und wo diese womöglich wieder aufpoppen. Mag ChatGPT in punkto Informationsverarbeitung kaum zu schlagen sein – zuverlässig Schweigen kann vorerst nur der Mensch.  

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.