Zukunft Wasserstoff: Mit Milliardengeldern will die Bundesregierung auf dem Weg zu mehr Klimaschutz den grundlegenden Umbau in der Wirtschaft unterstützen. Es geht um neue Energieträger – und es sollen Arbeitsplätze gesichert werden, zum Beispiel in der Stahlindustrie. 62 deutsche Projekte sollen sich an einer großen europäischen Wasserstoff-Allianz beteiligen. Stahlkonzerne spielen dabei eine wichtige Rolle, daneben geht es um Vorhaben in der Chemie- und Autoindustrie sowie um den Aufbau einer Infrastruktur. Die Projekte sollen mit mehr als acht Milliarden Euro staatlich gefördert werden.
33 Milliarden Euro für Wasserstoff
„Wir machen damit einen großen Schritt auf dem Weg hin zur Klimaneutralität unserer Wirtschaft“, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am vergangenen Freitag in Berlin. Besonders in der Stahl- und in der Chemieindustrie könnten durch die Wasserstoffprojekte jährlich mehrere Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Durch die europäische Initiative würden massive Investitionen auch von privaten Trägern in die Zukunftstechnologie angestoßen, insgesamt gehe es um 33 Milliarden Euro.
Altmaier sprach von einem Projekt, „das es in dieser Größenordnung im industriepolitischen und klimapolitischen Bereich noch nicht gegeben hat“. Die Projekte bildeten die gesamte Wertschöpfungskette ab. Sie reichen von der Wasserstofferzeugung über den Transport bis hin zur Anwendung in der Industrie und sind über ganz Deutschland verteilt.
Verkehrsminister Andreas Scheuer betonte: „Wir machen Deutschland zum Wasserstoff-Land.“ Derzeit sei der Verkehr noch zu mehr als 95 Prozent von fossilen Energien abhängig. „Wir müssen und wollen den Umstieg auf eine klimafreundliche Mobilität dringend vorantreiben“, betonte der CSU-Politiker.
EU will bei Wasserstofftechnologie weltweit führend sein
Ziel der EU ist es, bei der Wasserstofftechnologie weltweit führend zu werden. Dafür sollten die Kräfte gebündelt werden, so Altmaier. „Das sichert Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze.“ Der Minister betonte die Bedeutung des Umbaus in der Stahlindustrie, die für sieben Prozent des CO2-Ausstosses in Deutschland stehe.
Die Stahlindustrie steht in einem harten weltweiten Wettbewerb. Die Unternehmen seien auf eine „politische Flankierung“ von Klimaschutz-Investitionen angewiesen, um einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten zu können, hieß es bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl.
Vor allem „grüner“ Wasserstoff, für dessen Herstellung Ökostrom eingesetzt wird, soll beim klimafreundlichen Umbau von Produktionsprozessen in der Wirtschaft eine große Rolle spielen – also bei der Energiewende weg von den fossilen Brennstoffen Kohle und Gas. Eingesetzt werden soll der „grüne“ Wasserstoff etwa zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe bei Autos, als Treibstoff in Brennstoffzellen-Fahrzeugen oder als Rohstoff in der Industrie.
Wasserstoff mit zentraler Rolle bei Energiewende
Wasserstoff werde neben der direkten Elektrifizierung eine zentrale Rolle bei der Energiewende spielen, sagte die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm der Deutschen Presse-Agentur. Sie ist auch im Nationalen Wasserstoffrat. „Man kann vom neuen Öl sprechen“, unterstrich sie die Bedeutung. Es sei sehr wichtig, die Wasserstofftechnologie europäisch voranzutreiben. Es werde eine europäische Infrastruktur benötigt etwa für den Schwerlastverkehr.
Geplant ist auf EU-Ebene ein sogenanntes IPCEI-Projekt – das sind wichtige strategische Vorhaben. Ein solches gibt es etwa bereits zum Aufbau einer Batteriezellenfertigung. Die deutschen Projekte werden nun an die EU gemeldet. Ziel ist es laut Bundesministerien, dass die Projekte noch in diesem Jahr von der EU-Kommission beihilferechtlich genehmigt werden können.
In einem vor kurzem von der Bundesregierung beschlossenen Klimapakt ist von einem „beschleunigten Hochlauf“ der Wasserstoffwirtschaft die Rede. Hintergrund sind Nachbesserungen beim Klimaschutzgesetz – dazu hatte das Bundesverfassungsgericht die Politik in einem wegweisenden Urteil verdonnert.
Einsatz von „grünem“ Wasserstoff umstritten
Umstritten ist aber, in welchen Bereichen genau „grüner“ Wasserstoff wie sehr zum Einsatz kommen soll – also etwa in der Stahlindustrie, bei Autos und Flugzeugen oder bei der Wärmeversorgung. Derzeit ist der Energieträger noch knapp und vergleichsweise teuer. „Viele sagen, Wasserstoff sei der Champagner unter den alternativen Kraftstoffen“, sagte Scheuer: „viel zu teuer, viel zu knapp und viel zu aufwendig in der Herstellung“. Das sei aber falsch. „Wir brauchen den Wasserstoff als Tafelwasser“, forderte er.
Die „Wirtschaftsweise“ Grimm sieht für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft aber noch dringenden Handlungsbedarf. Die Betreiber von Elektrolyseanlagen müssten konsequenter von der EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms befreit werden, als es die jetzigen Pläne vorsehen. Niedrigere Strompreise seien eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Förderbedarfe im Rahmen bleiben und die Technik sich durchsetzen könne.
Mehr Tempo in der Wasserstoff-Produktion gefragt
Zwar werde langfristig viel klimaneutraler Wasserstoff oder auch Strom importiert, aber in Deutschland müssten die erneuerbaren Energien deutlich zügiger ausgebaut werden, sagte Grimm. Dazu müsse mehr getan werden, um Planungsprozesse zu beschleunigen und die Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Windräder zu erhöhen.
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte: „Wir brauchen mehr Tempo und beherztes Handeln, damit Wasserstoff nicht ewig Champagner, also teure Ausnahme bleibt.“ Ohne erneuerbare Energien sei auch Wasserstoff auf Dauer nur ein „Energiewende-Placebo“. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte: „Ohne den parallelen Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland macht die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung keinen Sinn.“
Von Andreas Hoenig und Theresa Münch, dpa