Kennen Sie die Spots aus der Dauerkampagne „Initiative für wahre Schönheit“, die Ogilvy & Mather 2004 in Brasilien für Dove entwickelt haben? Ein Phantombildzeichner zeichnet mehrere Frauen – zunächst nach ihrer Selbstbeschreibung (er sieht die Frauen selbst nicht), anschließend nach der Beschreibung fremder Personen, die die Frauen beobachtet haben. Als die Frauen die beiden Zeichnungen nebeneinander sehen, erkennen sie, dass die Zeichnung nach der Fremdbeschreibung sehr viel schmeichelhafter ist als die nach ihrer Selbstbeschreibung. Der Slogan lautet: „Du bist schöner, als du denkst.“ Die ersten beiden 3-minütigen Spots erhielten binnen zwei Wochen 35 Millionen Klicks auf YouTube. Fünfunddreißig Millionen!
Kampagne erreicht die Kunden auf mehreren Ebenen
Mithilfe der Kampagne „Initiative für wahre Schönheit“ sollten Frauen sich ihrer natürlichen Schönheit bewusst werden – auch wenn sie nicht dem Ideal des jungen, superschlanken und perfekt gestylten Körpers entspricht. Ziel war es, einen grundlegenden Wandel der Fremd- und Selbstwahrnehmung einzuleiten. Die ersten Plakate der Kampagne zeigten normale Frauen, die vielleicht etwas älter und schwerer waren als „ideal“, aber auf ihre Weise schön. Die Betrachter waren aufgerufen, über das Aussehen der Models abzustimmen und das Abstimmergebnis wurde ständig aktualisiert.
Die „Initiative für wahre Schönheit“ wird von umfangreichen Programmen begleitet, die sich gezielt an junge Mädchen richten. Seit 2002 arbeitet Dove mit der Jugendorganisation Girl Scouts of the USA zusammen und fördert Programme wie uniquely ME! und It’s Your Story – Tell It! Sie sollen Mädchen helfen, ein stärkeres Selbstwertgefühl und Führungsfähigkeiten zu entwickeln. Seit 2010 veranstaltet Dove außerdem alljährlich ein Dove Self-Esteem Weekend – ein Ereignis, das Mütter und Mentoren motivieren soll, mit Mädchen in ihrem Umfeld über Schönheit, Selbstbewusstsein und Selbstachtung zu sprechen. Unterstützend dazu stellt Dove auch themenbezogene Unterlagen bereit. Bis 2015 will Dove mit dem Programm 15 Millionen Mädchen weltweit erreichen.
Die Kampagne von Dove hat die Kunden auf mehreren Ebenen erreicht: zum einen über das Thema äußeres Erscheinungsbild und Selbstbewusstsein, das viele beschäftigt, und zum anderen über das Thema Unsicherheit und geringes Selbstwertgefühl bei jungen Mädchen – ein Problem, das viele Kunden nachempfinden können. Die Kampagne hat einen Nerv getroffen und dadurch die Marke mit einem höheren Zweck und einem gemeinsamen Interesse der Kunden in Verbindung gebracht.
Der Mediaäquivalenzwert einiger Werbemaßnahmen im Rahmen der Kampagne wird auf das 30-fache der Ausgaben geschätzt. Evolution, ein Spot, der zeigt, wie viel Arbeit hinter einem „künstlichen Model-Look“ steckt, gewann Werbeauszeichnungen und generierte eine unbezahlte Medienpräsenz im Wert von 150 Mio. US-Dollar. Es gibt Berichte über enorme Umsatzsteigerungen im Zuge der Kampagne und Umfragen, die belegen, dass Kunden, die die Werbung gesehen haben, eher geneigt sind, Dove-Produkte zu kaufen und zu empfehlen.
Kritik als Folge des Erfolgs
Gewiss, es gab es auch Kritik von verschiedenen Seiten. Dies war zum Teil aber auch die Folge des Erfolgs und der Sichtbarkeit der Kampagne. Phil Knight entgegnete auf Kritik an einer Kampagne von Nike, dass es nicht Ziel der Werbung sei, Abneigung zu vermeiden, sondern die Zielgruppe anzusprechen. Genau!
Der Erfolg von Dove gründete natürlich zu einem guten Teil auf einer ausgefeilten Geschäftsstrategie, die Markenerweiterungen, Produktinnovationen und die Expansion in andere Regionen beinhaltete. Die energiegeladene Marke mit ihrem höheren Zweck und klaren Nutzenversprechen, gestützt durch markengeschützte Innovationen, verstärkte schlicht die bemerkenswerte Geschäftsstrategie. Ziel der Markenerweiterungsstrategie war es, das mit der Marke verbundene Attribut „feuchtigkeitsspendend“ mithilfe sinnvoller Innovationen auf neue Produktkategorien auszudehnen. Eine erste erfolgreiche Erweiterung war die feuchtigkeitsspendende Pflegedusche mit der innovativen Nutrium Moisture Formel, die rückfettend wirken und die Haut mit Vitamin E und anderen Nährstoffen versorgen soll. Danach folgten Deos, Einweg-Gesichtstücher, feuchtigkeitsspendende Shampoos, die das Haar nicht beschweren, Nutrium-Seife und Pflegelotionen mit Sheabutter. Mit der Pflegeserie Dove Men+Care stieß Dove außerdem in den Markt für Herrenkosmetik vor. Jede erfolgreiche Markenerweiterung basierte zum Teil auf einem überzeugenden Nutzenversprechen. Darüber hinaus hat die aggressive globale Expansion dazu beigetragen, dass die einst nur in wenigen Ländern vertretene Marke heute in rund 80 Ländern präsent ist. Doch ohne die Brand-Building Initiative zur Vermittlung des höheren Zwecks „wahre Schönheit“ hätte die Geschäftsstrategie nicht zu einem so großen Erfolg geführt.
Erfolg durch fundierte Marktforschung
Der Erfolg ist Dove nicht einfach zugeflogen. Er ist das Ergebnis fundierter Marktforschung unter Nutzung einer Vielzahl von Methoden – mit dem Ziel herauszufinden, was Frauen in Bezug auf die Produkte von Dove und das Thema wahrgenommene Schönheit bewegt. Ergänzend zur Verbraucherforschung suchte das Unternehmen den Rat von Fachleuten. Für das Dove Self-Esteem Program, beispielsweise, wurde ein elfköpfiges Global Advisory Board gebildet. Außerdem sind die Verantwortlichen bereit und in der Lage, auf kreative Ideen aus aller Welt zurückzugreifen und die besten davon umzusetzen. Neue Ideen zuzulassen und weiterzuentwickeln, ist in den meisten Unternehmen nicht selbstverständlich. Was Dove geschafft hat, ist bemerkenswert!
Über den Autor: David Aaker gilt als der Guru der Markenstrategie – Er hat das Markenwertmodell „Aaker Model“ erfunden und über 100 Artikel und 15 Bücher veröffentlicht. Als Vice Chairman berät David Aaker zudem exklusiv die Kunden von Prophet. Als Ehrenprofessor an der Haas School of Business, University of California, Berkeley, bekam er vier Karriere-Auszeichnungen, einschließlich des Paul D. Converse-Preises im Jahre 1996 für seine herausragende Arbeit zur Weiterentwicklung des Marketing.