Frau Heigl, Sie kritisieren, der Werbemittelmarkt sei vor 20 Jahren stehen geblieben. Was meinen Sie damit?
CHALWA HEIGL: In Deutschland werden jährlich mehr als drei Milliarden Euro für Werbemittel ausgegeben. Trotzdem gehen viele Unternehmen nachlässig mit dem Thema um. Ein Umdenken ist nötig. Statt T-Shirts mit Markenlogos, die eh keiner anzieht, sollte das Geld für Sinnvolles eingesetzt werden, das Schenkenden und Beschenkten echten Mehrwert bietet.
Nachhaltige Werbemittel, wie Ihr Start-up Clouberry sie vermittelt. Was wird am häufigsten bestellt?
Unsere Seedlings: Karten mit Wildblumen- oder Fichtensamen, die man nach Lektüre zerreißt und einpflanzt. Sie sind eine gute Alternative zu Papierkarten, die im Müll landen, oder E-Cards, die viele Empfänger ungelesen wegklicken.
Welche Standards müssen Ihre Produkte erfüllen?
Die Materialien sollten recycelt, Lebensmittel bio oder vegan sein. Wichtig finden wir auch einen sozialen Anspruch und Langlebigkeit. Nicht immer sind die Produkte in allen Dimensionen perfekt, das machen wir transparent.
Im Sortiment ist allerdings auch ein Einweggrill…
Der Casusgrill ist komplett kompostierbar.
Clouberry ist nicht die einzige Firma, die nachhaltige Werbemittel vertreibt. Wo liegt Ihr USP?
Andere vertreiben White-Label-Produkte mit einer Preis-Mengen-Strategie: Sie gehen zu ihrem Lieferanten und sagen, die Plastikkugelschreiber, die wir bisher bestellt haben, sollen jetzt bitte aus recyceltem Plastik sein. Ich hingegen finde es wichtig, dass Produkte nicht einfach in den Markt geschüttet werden, sondern dass man fragt: Werden sie geschätzt?
Normalerweise ist es doch so: Ich kriege etwas geschenkt, freue mich kurz, und dann sortiere ich aus: in den Mülleimer, in die Schublade, zu den Kindern. Unsere Produkte hingegen sind nicht nur nachhaltig, sondern auch innovativ und hochwertig. Wir scouten sie weltweit bei Start-ups und vertreiben sie im Co-Branding. Die jungen Firmen werden dadurch bekannter und bei den schenkenden Unternehmen zahlen Originalität und Nachhaltigkeit aufs Image ein.
Helfen Sie damit nicht Konzernen beim Greenwashing?
Nein. Ich sehe es so: Alles, was sich in Unternehmen zu Gunsten von Nachhaltigkeit ändert, ist ein Anfang.
Der Vorwurf des Greenwashings ist also oft ungerecht?
Es ist doch besser, dass sich ein Unternehmen auf den Weg begibt, und sei es aus kommerziellen Gründen, als wenn es das nicht tut. Unternehmen, die unsere Produkte bestellen, haben ihren Kurs schon geändert. Start-ups, die Vorbehalte haben, können Co-Branding-Partner ausschließen.
Kommt das häufiger vor?
Doch, schon.
Sie sind im Pandemie-Frühjahr 2020 gestartet, zählen aber bereits Mercedes-Benz und die DEVK zu Ihren Kunden. Wie haben Sie das geschafft?
Clouberry ist nicht meine erste Gründung. Vor Jahren habe ich mit einer Kommunikationsagentur begonnen und später Der Gugl gegründet…
… eine Manufaktur für hausgemachte Guglhupf-Pralinen.
Das Start-up war sensationell vernetzt, dadurch habe ich im Corporate Business viele Kontakte. So ist letztlich auch die Idee für Clouberry entstanden. Ich wusste, dass viele Unternehmen nach kreativen Gifts suchen.
Warum erfüllen die Start-ups den Bedarf nicht selbst?
Ihnen fehlen Erfahrungen und Kontakte im Firmenkundengeschäft. In Konzernen wiederum tut sich der Einkauf schwer mit einer Einzelbestellung. Daher meine Idee einer Schnittstelle. Unser Markenkern ist der Online-Shop, jeder Besteller kann dort nach Anmeldung seine Produkte konfigurieren.
Wie finden Sie Start-ups, die nachhaltige und schicke Produkte herstellen?
Irgendwann rennt man als Scanner durch die Gegend (lacht). Ich habe, wenn ich durchs Netz gehe, mittlerweile einen Blick dafür.
Zurzeit sind rund 250 Produkte im Shop. Welche sind das zum Beispiel?
Knalle Popcorn aus Berlin, die klimaneutral sind und mit Behindertenwerkstätten kooperieren. Trinkflaschen von Oceanbottle, die Plastik aus dem Meer fischen. Textmarker aus Holz, Notizbücher aus Graspapier, Kugelschreiber aus Textilresten. Die Produkte sind hochwertig und schön.
Allerdings sind sie auch teuer, während die Werbemittelbudgets nicht steigen.
Es wird bewusster verteilt. Das gehört zum Wandel.
Das Ökologischste wäre der Verzicht.
Nicht wenn ein nachhaltiges Produkt ein umweltschädliches ersetzt. Und dann – Geschenke drücken Wertschätzung aus, das ist in unserer Kultur verankert. Beim Nachdenken darüber, wie sich Überflüssiges vermeiden lässt, sind aber unsere Digi Gifts entstanden: Die Empfänger erhalten einen Link zu einer Page, auf der sie ein Geschenk auswählen können. Dahinter steht der Gedanke: Was ich mir selbst aussuche, will ich auch haben. Die Conversion Rate liegt bei über 80 Prozent.
Clouberry beschäftigt heute sechs Mitarbeiter, mehr als tausend Besteller sind im Shop registriert. Wie geht es weiter?
Wir wollen unsere Bekanntheit erhöhen und mittelfristig zum Marktplatz werden – eine Plattform, auf der Besteller und Hersteller direkt in Kontakt treten und wir den Verkauf nicht mehr aktiv abwickeln.
Ihre früheren Ventures haben Sie verkauft. Wird das mit Clouberry anders laufen?
Nein. Wenn mein Baby laufen gelernt hat, interessiert mich das nächste Projekt. Das war schon immer so.