Werte schaffen Wert 

Wie Marken durch wertebasierte Positionierung auf sich aufmerksam machen. 
Jan Dirk Kemming ist Head of Sustainability Consulting bei Weber Shandwick und Professor an der Hochschule Fresenius. Sebastian Tieke ist Vice President Analytics bei Weber Shandwick. (© Weber Shandwick)

Von der Gründerin des Small Planet Institutes, Anne Lappe, stammt das prägnante Zitat: „Every time you spend money, you are casting a vote for the kind of world you want.” Aktuelle Daten belegen, dass Konsument*innen zunehmend Lappes Haltung teilen und Kaufentscheidungen wertebasiert und ethisch reflektiert treffen:  

  • Eine YouGov-Studie aus 2023 zeigt, dass 62 Prozent der Deutschen schon einmal eine Marke boykottiert haben, weil sie nicht ihren Werten entsprach. 
  • In der Best4Planning-Studie betrugen die Wachstumsraten zwischen 2018 und 2023 bei den Items „Relevant Nachhaltigkeit beim Produktkauf“ 22 Prozent und „Bedeutung Fairer Handel“ 27 Prozent.  
  • Deloitte konnte 2023 belegen, dass trotz Multikrisen und Post-Covid seit 2021 die Bedeutung von Tierwohl (plus 7 Prozent), sorgsamer Ressourcennutzung (plus 13 Prozent) oder umweltfreundlicher Verpackung (plus 6 Prozent) für die Konsumentscheidung zunimmt.  

Die Zunahme werteorientierter Konsummuster eröffnet neue Perspektiven, wie Marken Kaufentscheidungen positiv beeinflussen können. Mit Blick auf Marketing, Kommunikation und Werbung deutet sich ein Richtungswechsel an. 

Nicht Aufmerksamkeit schafft Wert, sondern Werte schaffen Aufmerksamkeit   

Das klassische Mediamodell basiert auf einer Wertannahme von Aufmerksamkeit, die in dieser Form nicht mehr zeitgemäß erscheint. Gleichzeitig ist die Diskussion über finanzielle Markenwertmodelle leiser geworden, und auch der Ansatz des Mediaäquivalenzwerts wird methodisch kritisiert.  

Dagegen zeigen aktuelle Analysen von Kommunikationskampagnen: Werte erzeugen Relevanz und „verdienen“ Konsumpräferenzen – also nicht Aufmerksamkeit per se, sondern Aufmerksamkeit für Werte schafft Wert. 

  • Die aktuelle Kampagne „Supertasters“ von Knorr in Schweden zeigt: Erfahren Menschen aus wertebasierten Earned-Medien von Produktinnovationen, ist die Kaufbereitschaft für Produkte der Marke bis zu siebenmal höher als ohne diesen Kontaktpunkt.  
  • Eine Studie mit dem Institute of Practitioners in Advertising (IPA) konnte 2023 belegen: Kampagnen mit organischer Reichweite über einen längeren Zeitraum generieren einen „Earned Effekt“. Dieser wirkt sich überproportional auf Umsatz oder Marktanteil aus. 

Positionierung zu Werten und gesellschaftliche Integration 

Diese neuen Erkenntnisse zu Earned Value fordert zwei Klassiker des Marken-Playbooks der letzten 30 Jahre heraus – „Positioning“ und „Integrated Marketing“:   

  • Während „Positioning“ sich bislang vor allem auf das Verhältnis im Wettbewerb bezieht, betrifft die neue Perspektive die Position im gesellschaftlichen Kontext und das Bekenntnis zu Werten. 
  • „Integrated Marketing“ betrachtet bisher vor allem Kanal- und Touchpoint-Integration – in der Werte-Ökonomie ist die Integration von diversen gesellschaftlichen Stakeholder-Perspektiven eine unerlässliche Aufgabe.  

In diesem neuen Playbook liegen erhebliche Potenziale, einer gestiegenen Werteorientierung mit veränderten Kaufmotiven von Konsument*innen zu entsprechen.