Stellen Sie sich vor, es läuft die neue Folge der Amazon-Hit-Serie „The Boys” und im Hintergrund ist Außenwerbung zu sehen, die auf die Wochenangebote in Ihrem lokalen Supermarkt hinweist. Dieses Szenario ist gar nicht so weit weg. Denn während gerade deutsche Streaming-Angebote ihre technologischen Kinderkrankheiten nicht in den Griff bekommen, versucht sich Amazon Prime Video an dynamischen Produktplatzierungen.
Damit soll es dann eben möglich sein, ein Werbebanner, das im Hintergrund einer Serie zu sehen ist, beliebig auszutauschen. So veraltet die Produktplatzierung nicht und kann individuell an Nutzer*innen angepasst werden. Personalisierung gibt es dann nicht mehr nur im Splitscreen oder als Unterbrecherwerbung, sondern auch im eigentlichen Streaming-Produkt. Die Produktplatzierung also wird personalisiert. Denkbar ist dabei natürlich nicht nur das dynamische Werbebanner, sondern auch der Austausch von Produkten. So kann die Marke eines Getränkes oder Autos mal eben erneuert werden. Wie gut ein nachträglich dynamisch ausgetauschtes Auto aussehen wird, muss sich noch zeigen.
Doch wer die technologischen Innovationen von den US-Riesen kennt, kann sicher sein: Die Technologie wird sauber aufgesetzt sein. Und ist dann ein echter Problemlöser: Nie wieder veraltete Produktplatzierungen. Und auch kein Nachdreh für aktualisierte Smartphones, wie er wegen Corona bei „James Bond” nötig wurde – schlechte Schlagzeilen inklusive.
Netflix tut sich mit Microsoft zusammen
Damit Netflix nicht den technologischen Anschluss an Amazon Prime verliert, tut sich der US-Konzern mit einem anderen Techriesen zusammen: Microsoft. Die Entscheidung, die auf dem ersten Blick überraschend klingen mag, ist bei näherer Betrachtung durchaus naheliegend: Anders als die anderen potenziellen Partner betreibt Microsoft kein eigenes Streaming-Angebot. Das wäre bei Comcast mit Peacock oder Google mit YouTube anders gewesen. Hier dürfte sich Netflix demnach vergleichsweise wohlfühlen, Interna zu teilen. Dazu kommt: Microsoft hat gerade seinerseits zu Jahresbeginn die AdTech-Firma Xandr gekauft. Xandr ermöglicht den programmatischen und modularen An- und Verkauf von Werbeinventar.
Der Kollege bei The Drum spricht dabei von der größten Chance im Werbemarkt aller Zeiten. Dieser Superlativ ist sicher übertrieben. Doch klar ist: Die Einführung von Werbung bei Netflix ist tatsächlich ein Gamechanger. Der Netflix-Algorithmus trifft Nutzenden-Interessen wie kaum ein anderer; personalisiert sogar die Thumbnails ziemlich treffsicher. Diese Daten mit Hilfe von Profilen für Werbung zu nutzen ist mehr als naheliegend. Und wird auch im Post-Cookie-Zeitalter bestens funktionieren. Vorausgesetzt natürlich, Netflix bleibt der relevante Player bei den Konsument*innen. Doch nur weil die Abonennt*innen-Zahlen aktuell im Sinken begriffen sind, braucht es noch keinen Abgesang auf Netflix. Wie sich das Publikum entwickelt, hängt nicht zuletzt auch mit den Abo-Modellen zusammen, die nun entstehen. Dass ein werbefreies Modell im Preis steigen wird, dürfte als sicher gelten.
Spotify: Eine Neuerung, die nicht wirklich neu ist
Für Content-Marketing-Fans dürfte unterdessen eine Nachricht aufhorchen lassen: Spotify bietet künftig Video-Podcasts an. Diese Neuerung ist allerdings nicht wirklich eine. Denn: Nicht nur, dass es Video-Podcasts schon seit langer Zeit gibt (nicht zuletzt die Kanzlerin bediente sich diesem Format regelmäßig). Nein, auch bei Spotify gab es schon einige Originals mit Video zu sehen. Nun kommen eben auch Podcasts hinzu, die nicht von Spotify produziert werden. Für Nutzende ändert sich also höchstens, dass das Angebot größer wird.
Für Creator*innen und damit eben auch für Marken ändert sich aber doch etwas. Denn für sie ist die Funktionalität jetzt verfügbar. Heißt: Wer seinen Podcast auf Spotify verbreitet, kann das künftig ergänzend mit Bewegtbild tun. Dabei genügt es dann aber nicht mehr, den Podcast beim eigenen Hoster hochzuladen und schon ist er überall verfügbar. Nein, um das Video zu ergänzen, muss direkt bei Spotify eine Video-Datei hochgeladen werden. Das bedeutet nicht nur mehr Arbeit, sondern im Zweifelsfall auch eine größere Abhängigkeit von einer Plattform. Dabei ist doch ein Vorteil des Podcastings gerade die Plattformunabhängigkeit. Als Marke sollte man sich insofern die Frage stellen, ob diese einseitige Fixierung auf Spotify wirklich von Nutzen ist. Ein kluger Schachzug von Spotify ist das Angebot allemal.
Ob nun Amazon, Netflix oder Spotify: Marken sollten sich Gedanken darüber machen, auf welchen Plattformen sie wirklich gut aufgehoben sind. Ein wenig Trial-and-Error schadet da sicher nicht. Das hilft Ihnen auch beim folgenden guten Wunsch:
Bleiben Sie inspiriert!
P.S.: „Tech Tuesday“ verabschiedet sich in kurze Sommerpause und kehrt am Dienstag, 9. August, mit einer neuer Folge zurück.