Werbung für den Moment: Snapchat für Unternehmen

Wer junge Menschen erreichen will, muss sich früher oder später mit dem Instant-Messaging-Dienst Snapchat auseinandersetzen. Wie Unternehmen die App für sich nutzen können – und was es bringt

Es gibt Menschen, die sagen, 2016 werde das Snapchat-Jahr. Der Unternehmer und Onlinemarketing-Star Gary Vaynerchuck zum Beispiel. Ein Blick auf einige Zahlen aber reicht völlig aus, um die Bedeutung der Messaging-App zu verstehen:

Was finden Nutzer so toll an Snapchat?

Snapchat ist anders als andere Netzwerke, denn alles, was in der App kommuniziert wird, verschwindet innerhalb von 24 Stunden auch wieder. Private Nachrichten haben sogar nur eine Lebensdauer von zehn Sekunden. Das Unternehmen nimmt dafür die besten Eigenschaften des Web – technische Spielereien, Selbstdarstellung und Interaktion – ohne den schlechten Eigenschaften Zugang zu gewähren: dem Kontrollverlust über persönliche Daten. Das Medienportal Mashable hat das anschaulich in einem Video zusammengefasst. Das Resultat ist:

– die Kommunikation wird authentischer: Während Fotos auf Instagram nicht selten mehrere Anläufe brauchen, um der surrealen Ästhetik des Netzwerks gerecht zu werden, liegt diese bei Snapchat in ihrer Schonungslosigkeit des Moments. Jeder kann so sein, wie er will.

Links: Ein typisches Bild auf Snapchat. Rechts: Ein typisches Bild auf Instagram. Quelle: Mashable

Links: Ein typisches Bild auf Snapchat. Rechts: Ein typisches Bild auf Instagram. Quelle: Mashable

– einfachere Bedienung: Statt Ewigkeiten über die perfekte Formulierung eines 140-Zeichen-Tweets nachzudenken, braucht Snapchat-Kommunikation nicht mehr als eine passende Gestik plus ein, zwei Wörter.

– es ist kein Neid-Netzwerk: Likes, Shares oder Kommentare, Newsfeeds spielen beim Private-Massenging-Dienst keine Rolle. Nutzer fühlen sich dadurch nicht unter Druck gesetzt, oder, wie der Moderater im Video von Mashable sagt: Es herrscht kein „Darstellungsdruck“.

 

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Welche Werbemöglichkeiten gibt es?

Bislang nutzt gerade mal ein Prozent US-amerikanischer Unternehmen Snapchat. In Deutschland dürften es noch weniger sein. Dabei bietet der Private-Messaging-Dienst umfassende Werbemöglichkeiten. Das Unternehmen selbst nennt sie „3V Advertising“, was für „Vertikal, Video & Views“ steht. Hochkant gedrehte Werbevideos können an Nutzer nach Ort, Geschlecht und Alter ausgespielt werden: Entweder über die eigene „Life Story“ – alle Snaps eines Tages fügen sich hier zu einer Geschichte zusammen, die Nutzer 24 Stunden lang ansehen können –, über die Einbindung in sogenannte Discover-ChannelSnapchat platziert diese exklusiv in jedem Account, Unternehmen können hier ihre eigenen Inhalte zu einer Story zusammenfügen – oder direkt über das eigene Profil.

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Wie wenden Unternehmen Snapchat richtig an?

Der Vorteil von Snapchat-Werbung ist: Die kurze Lebensdauer der Kampagnen-Snaps erzielen maximale Aufmerksamkeit des einzelnen Nutzers. Um diese Aufmerksamkeit richtig zu nutzen, müssen Unternehmen:

1. Gute Inhalte erstellen, etwa Tutorials im jeweiligen Fachgebiet, Blick hinter die Kulissen, das Produkt im Einsatz, Nutzer-generierte-Inhalte.

2. Kreativ werden: Bilder allein sind nur die halbe Miete. Daher gilt: Bilder beschriften, drauf zeichnen und ganz wichtig: sich selbst dabei nicht allzu ernst nehmen.

3. Interagieren und reagieren: Man muss nicht auf jede direkte Nachricht antworten, aber zumindest hin- und wieder. Die Interaktion ist umso wichtiger, als dass es keine Statistikfunktion in der App gibt. Das bedeutet, es ist unklar, wie viele Nutzer die eigenen Inhalte tatsächlich gesehen haben. Durch Reaktion und der Aufforderung zur Interaktion können Unternehmen zumindest erspüren, wie (hoch) die Resonanz ist.

4. Follower aufbauen: Auf Snapchat gibt es keine Hashtags oder Share-Buttons. Neue Nutzer gewinnt man nur, indem diese einen von sich aus hinzufügen. Die essentielle Basis für eine Snapchat-Community sind daher andere Social Media-Kanäle. Von dort kann man mithilfe des Snapchat-Codes auf das neue Profil hinweisen. (Siehe hierzu auch: Snapchat für Anfänger – So funktioniert die App mit dem gelben Geist.)

Wie Werbung auf Snapchat aussehen kann

Noch nutzen nur wenige deutsche Unternehmen die App als Marketingkanal. Vorreiter ist unter anderem der Automobil-Verleih Sixt, der vor allem Messen und Events via Snapchat begleitet. Social Media-Teamleiter Matthias Stock erklärte dazu gegenüber Horizont: „Snapchat-Stories sind 24 Stunden sichtbar. Deshalb bieten sie sich besonders als Begleitung einzelner Events an: Wir erhalten eine hohe Dichte an attraktivem und aktuellem Content und geben den Usern eine klare Motivation zuzuschauen.“ Die Publishing-Funktionen der Plattform sowie die Möglichkeit, spontan kreativ zu sein, machten für ihn den besonderen Reiz aus. „Damit passt Snapchat zu unserem Selbstverständnis als innovative Marke.“

Auf der dmexco 2015 sah das beispielsweise so aus:

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Auch der Reiseanbieter Neckermann (Snapchat Account: neckermannde)  hat sich bereits in Snapchat-Marketing versucht: Das Unternehmen überließ dafür Instagram-Influencern den eigenen Channel, die dann aus ihrem Urlaub berichteten und Inhalte erstellten. Bild.de (Snapchat: hellobild) wiederum nutzte Snapchat für Native Advertising: Die Story für den Kamerahersteller Canon lief eine Woche, Nutzer konnten eine Canon Kamera gewinnen.

Muss das jetzt jedes Unternehmen machen?

Snapchat gewinnt zwar an Bedeutung, macht als Marketingkanal aber nur unter bestimmten Bedingungen Sinn: Das Unternehmen sollte eine junge Zielgruppe ansprechen wollen. Es sollte außerdem bereits die anderen großen Netzwerke (Facebook, Twitter, Youtube und Instagram) beherrschen, denn nur über sie können überhaupt Follower aktiviert werden. Snapchat ist weder dafür geeignet, neue Nutzer zu gewinnen, noch klassische Vitalität zu erzeugen. Dafür ermöglicht der Private-Messaging-Dienst eine bislang nicht dagewesene Intimität der Nutzerinteraktion. Wer das beherzigt kann sich ohne Risiko auf Snapchat ausprobieren. Das Gute: Wenn mal was daneben geht, ist es am nächsten Tag auch schon wieder vergessen.

Übrigens: Philipp Steuer hat Snapchat bereits in die analoge Welt geholt und ein Buch über die App mit dem Geist-Symbol geschrieben. Darin erklärt er, wie die App funktioniert und was man alles damit anstellen kann. Natürlich gibt’s die Infos auch alle online, nämlich hier.