Ist es so einfach? Kinder sehen Werbung für ungesunde Lebensmittel, konsumieren diese und werden dadurch dick. Verbietet man die Werbung, konsumieren sie nicht so viel davon und das Problem ist gelöst. Wenn diese Kausalkette genauso zuträfe, würde sich niemand gegen ein Werbeverbot stellen. Ich auch nicht, denn auch ich möchte, dass sich Kinder gesund ernähren. Leider ist es nicht so einfach. Es gibt zahlreiche Faktoren, die die Ernährung von Kindern beeinflussen. Werbung ist einer davon. Kinder gesund zu erziehen, ist mehr und nicht zuletzt auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Die Wirkung von Werbeverboten ist unklar, die Nebenwirkungen der Restriktionen sind hingegen umso klarer.
Freie Medien sind in Deutschland im Wesentlichen werbefinanziert. Wer diese Einnahmen reguliert, also verringert, greift deren Geschäftsmodell an. Das ist grob fahrlässig, wenn die Einbußen nicht ersetzt werden. Die Medien geraten ohnehin unter Druck. Die Kosten explodieren, der Ruf nach staatlicher Unterstützung wird lauter. Ein Werbeverbot würde dies drastisch verschärfen: Die Bruttowerbeaufwendungen im gesamten Nahrungsmittelbereich liegen bei rund drei Milliarden Euro. Das sind sieben Prozent der gesamten Werbespendings. 2,2 Milliarden Euro davon werden in TV und Radio investiert. Hier beträgt der Anteil elf Prozent. Dabei fließen 90 Prozent in Werbung, die zwischen 6 und 23 Uhr läuft und vom Werbeverbot betroffen wäre. Es sind also substanzielle Einbußen, von denen wir hier sprechen. Die Entwicklungen bei Gruner + Jahr zeigen, wie konkret die Bedrohungen sind.
Kollateralschäden der Werbeverbote sind wenig beachtet
Hochwertige journalistische Produkte sind essenziell für den politischen Diskurs und damit die Demokratie. Nicht zuletzt brauchen wir Medien, um über gesunde Ernährung zu informieren. Denn es ist nicht zu bestreiten, dass Qualitätsjournalismus auch eine der gesellschaftlichen Kräfte ist, die auf das Ernährungsverhalten einwirken. Die „Washington Post“ bringt sie unter dem Claim „Democracy Dies in Darkness“ auf den Punkt.
Den „Kollateralschäden“ von Werberegulierung wird zu wenig Bedeutung beigemessen. Statt Qualitätsjournalismus
zu fördern, hat die Politik in Brüssel wie auch in Berlin nichts Besseres zu tun, als mit neuen Werbebeschränkungen die Geschäftsgrundlage der Qualitätsmedien weiter auszuhöhlen. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Zudem ist es umstritten, ob die gewünschten Effekte der Verbote überhaupt eintreten. Kosten und Nutzen von Regulierung stehen in keinem gesunden Verhältnis. Hier sind wir als Werbewirtschaft gefordert. Es ist uns bisher nicht gelungen, den Nutzen von Markenkommunikation für Verbraucher – und damit die Kosten von Werbeverboten – deutlich genug zu machen. So greift die Politik immer wieder zu diesem Mittel – und beachtet die Risiken und Nebenwirkungen nicht. Dies ist falsch und gefährlich.
Werbeverbote
Im Februar schlug Bundesminister Özdemir vor, Werbeverbote für ungesunde Kinder-Lebensmittel einzurichten. Branchenverbände aus Medien und Marketing kritisierten den Vorstoß heftig. In einer Umfrage der Agenturgruppe Pilot im März äußerten sich 61 Prozent der Verbraucher*innen zu Gunsten der Werbeverbote. Kürzlich jedoch stufte ein Rechtsgutachten im Auftrag des Lebensmittelverbands und des Zentralverbands der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) den bisherigen Entwurf als verfassungswidrig ein.