Die Werbewirkungsforschung liefert Unternehmen, die mit Investitionen in kostspielige Maßnahmen ihre Marke gewinnbringend platzieren wollen, die nötigen Erkenntnisse, um ihr Marketing zu optimieren. Doch die Analyse der Daten birgt Stolpersteine. Warum die wirtschaftliche Krise auch an der Werbebranche nicht spurlos vorübergeht und welche die aktuell größten Trends der Branche sind, erklärt Martina Vollbehr, Geschäftsführerin der Pilot Agenturgruppe Hamburg im Interview.
Frau Vollbehr, welche Trends prägen derzeit die Entwicklungen im Bereich Datenanalyse und Marktforschung?
Die Daten aus unterschiedlichen Quellen schneller und leichter miteinander in Beziehung zu setzen und diese dann in sinnvoll aufbereiteter Form allen Stakeholdern zur Verfügung zu stellen. Im Idealfall können wir daraus beispielsweise dann Frühwarnsysteme entwickeln, die Marketing-Entscheidungen noch besser unterstützen und diese auch leichter validieren. Dabei darf nie die Frage nach dem „Warum?“ und der Kausalität aus den Augen verloren werden.
Welche Konsequenzen ergeben sich für Werbetreibende aus den Erkenntnissen der Werbewirkungsforschung – und welche lassen sich schnell und gewinnbringend umsetzen?
Hier unterscheide ich zwischen zwei Ziel-KPI Routen: Branding und Performance. Performance kann in der Regel schneller, fast in Echtzeit optimiert werden und Kampagnen schneller am Grenznutzen entlanggeführt werden. Bei Branding ist das nicht möglich. Markenentwicklung kostet Zeit – die baut sich nicht über Nacht auf. Umso wichtiger ist es, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten dieser beiden Seiten der Medaille zu sehen und abzuwägen so, wie wir es zuletzt in unser Grundlagenstudie „Impact Vision“ getan haben.
Kurz umrissen: Wie kann es gelingen, beide Seiten der Medaille zu sehen?
Emotionen spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Diese breitenwirksam messbar und damit operationalisierbar zu machen, stellt eine echte Herausforderung dar. Deshalb sollte ein besonderes Augenmerk immer auf der Kreation liegen und der Möglichkeit, diese holistisch mit klassischen Media-Parametern in Verbindung zu bringen.
Wo gibt es Ihrer Meinung nach den größten Nachholbedarf bei der Analyse der gesammelten Daten?
Beim Menschen. Wir brauchen ganz neue Berufsbilder zwischen Hardcore-Statistiker*innen und reinen Kundenberater*innen. Also Mitarbeiter*innen, die Lust auf die neuen Werkzeuge und keine Angst vor Tools haben. Bei allen Stakeholdern müssen wir noch die Offenheit entwickeln, Daten zu teilen. Das ist die größte Hürde. Die Herausforderungen technischer Art sind dagegen simpler: Datenintegration, Datenbanken, Einsatz von einfachen Visualisierungs-Tools und Zeit für Round Tables, um sich ernsthaft mit den Inhalten zu beschäftigen.
Apropos Daten: Die neue Studie der IFH Förderer zeigt, dass 58 Prozent der Unternehmen derzeit die korrekte Bewertung der Effektivität als einen der größten „Pain Points“ bezeichnen. Allen voran scheitert es an Zeit und Geld, sich damit zu befassen. Was könnte Ihrer Meinung nach die Lösung sein?
Nicht mehr, sondern die richtigen Daten in Beziehung zu setzen. Um Effektivität richtig bewerten zu können, müssen wir verstehen, was die Treiber sind, und diese dann auch kontinuierlich im Blick behalten.
Zudem ist Konsistenz in den Entscheidungen wichtig und möglichst kein hektischer Aktionismus, beim nächsten Ausreißer in den Daten gleich wieder alles über den Haufen zu werfen. Dafür braucht es Wissen und vor allem Vertrauen in die Datengrundlagen. Am Ende hat es auch mit Visualisierungshilfen zu tun – also einem schlauen Dashboarding.
Ihr Expert*innen-Team besteht aus Marktforschung, Data Analytics und Business Intelligence – warum kann das eine nicht ohne das andere funktionieren?
Ganz klar – es ist und bleibt der Faktor Mensch als entscheidendes Bindeglied zwischen den verschiedenen Komponenten. Zu Beginn müssen immer erst die richtigen Fragen gestellt werden und im gegenseitigen Austausch bedarf es der nötigen Intuition und Kreativität. Schließlich wird ein Auto auch nicht allein nur von den technischen Ingenieuren entwickelt, vielmehr braucht es auch Designer*innen und Geruchsentwickler*innen. Erst das Zusammenspiel aller führt zu einem echten Mehrwert und zu einem überzeugenden Produkt.
Welche Faktoren werden für ein überzeugendes Produkt künftig noch wichtiger?
Das Verständnis von genereller Mediennutzung, der Bedeutung einzelner Kanäle in der Kommunikations-Architektur und dem Wissen unserer Kreativen, wie die Kanäle – inhaltlich wie kreativ – am besten zu bespielen sind. Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich eigentlich keine unüberwindbaren Herausforderungen mehr, sondern weiterhin tolle Chancen und Optionen.
Gilt dies auch im aktuellen Krisenmodus?
Wir sehen insgesamt noch immer eine stabile positive Entwicklung. Studien, die wir schon gut acht Monate nach der ersten Krise – der Pandemie – durchgeführt haben, haben bewiesen, dass Werben in der Krise unbedingt empfehlenswert ist, solange das eigene Geschäftsmodell nicht gänzlich ausgesetzt wird. Der Verlust durch Nicht-Werben ist teurer als auf Mindest-Level als Marke präsent zu bleiben.
Martina Vollbehr ist Geschäftsführerin der Pilot Gruppe, die Mediaagentur, Kreativagentur und Digitalagentur unter einem Dach vereint. Sie ist verantwortlich für die Bereiche „Insights“ und „Strategie“, wobei ihr Schwerpunkt auf der Entwicklung und Umsetzung von wirkungsvollen Kampagnen liegt – ausgerichtet auf die Business KPIs ihrer Kund*innen. In ihrem Expert*innen-Team aus Marktforschung, Data Analytics und BI entstehen neuartige Forschungsansätze und Verfahren, die alle Bereiche der Marketing-Kommunikation abdecken.