Die aktuelle Rechtslage ist unsicher und vor allem der Verband sozialer Wettbewerb mahnt derzeit vermehrt Instagram-Nutzer ab. absatzwirtschaft hat bei Anwälten und dem Verband nachgefragt, wie es mit der Kennzeichnung aktuell aussieht. Schnell wird klar: Es muss eine Vereinheitlichung geben.
Rechtsanwalt Dominik Schmidt von der Kanzlei Schürmann Rosenthal Dreyer hat sich auf Urheber- und Medienrecht, Werbe- und Wettbewerbsrecht, IT-Recht sowie Lizenz- und Vertragsrecht spezialisiert. Für ihn zeigen die aktuellen Fälle eine Grauzone im Influencer Marketing auf: „Gerade in den letzten Tagen sind die Fälle unter anderem von Vreni Frost, Louisa Dellert und Kimberly Devlin-Mania publik geworden, die allesamt aus sehr zweifelhaften Gründen für angebliche ‚Schleichwerbe-Postings‘ auf Instagram vom ‚Verband Sozialer Wettbewerb‘ (VSW) abgemahnt wurden, weil Posts nach der – sehr gewagten – Ansicht des VSW bezahlt gewesen seien sollen und daher als Werbung hätten gekennzeichnet werden müssen. Diese Ansicht des VSW wurde nach unseren Informationen offenbar von einigen Landgerichten tatsächlich bestätigt und es wurden entsprechende einstweilige Verfügungen erlassen, obwohl alle drei Influencer – recht glaubhaft – versichern, dass es sich jeweils um keine kennzeichnungspflichtigen Partnerschaften gehandelt habe.“
Im aktuellen Fall rund um Bloggerin Vreni Frost handelt es sich bis jetzt allerdings nicht um ein Urteil, sondern um ein einstweiliges Verfügungsverfahren. Bei einem einstweiligen Verfügungsverfahren (eV) erlässt das Gericht lediglich einen Beschluss. „In einem solchen Verfahren wird keine abschließende Bewertung vorgenommen, sondern nur geprüft, ob der Antragsteller totalen Humbug begehrt oder sein Begehren halbwegs wahr sein könnte. Im Regelfall bekommt der Angegriffene auch gar nicht mit, dass eine solche eV beantragt und erlassen wird, meist kann er sich in diesem ‚Vorverfahren‘ daher auch gar nicht verteidigen. Leider werden viele eV deshalb auch von einigen Gerichten recht schnell durchgewunken, oftmals auch weil Gerichte nicht wissen, was Influencer eigentlich sind und wie Influencer-Marketing funktioniert“, erklärt Schmidt gegenüber der absatzwirtschaft.
Was bedeutet das einstweilige Verfügungsverfahren im Allgemeinen für die Influencer- und Blogger-Szenen? Martin Gerecke ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS und berät Unternehmen und Einzelpersonen im Urheberrecht, Presse- und Äußerungsrecht sowie zum Recht der neuen Medien. Er sieht das Verfügungsverfahren skeptisch: „Es ist ein Dammbruch für die Szene, in der Verlinken und Taggen von Personen und Marken völlig üblich ist. Verlinkungen und Tags auf Social Networks gehören zum Wesen der dortigen Kommunikation. Der Sinn sozialer Netzwerke besteht darin, sich mit anderen auszutauschen, sich zu inspirieren und über Verlinkungen, Hashtags und Markierungen Anregungen, Informationen und häufig auch Kritik zu vermitteln. Viele Influencer – gerade im Fashionbereich – interagieren auf diese Weise mit ihren Followern. Die Verlinkung von Marken – genau wie die Verlinkung auf Personen – ist dann häufig nur ein Hinweis auf das Unternehmen, mit dem dessen Auffindbarkeit dem Follower erleichtert wird. Eine solche Verlinkung pauschal als Werbung anzusehen verkennt den Zweck von Social Networks. Dies wird dazu führen, dass Influencer in den sozialen Netzwerken alles pauschal als Werbung kennzeichnen, obwohl sich tatsächlich oft keine werbliche Inhalte dahinter verbergen. Mehr Transparenz bewirkt dies nicht – im Gegenteil. Das ist der Ausverkauf des Trennungsgebotes.“
Anders sieht es der VSW, der die Abmahnungen im Fall Vreni Frost verschickt hat. „Personen mit einer großen Anzahl von Followern (z.B. 50.000), die noch dazu Verlinkungen auf eine Seite eines Unternehmens vornehmen, müssen ihre Posts als Werbung kennzeichnen, selbst wenn sie das präsentierte Produkt von einem Unternehmen kostenlos und ohne Vorgaben erhalten haben“, erklärt es Ferdinand Selonke, Anwalt beim VSW. „Ausweislich der bislang vom Verband erstrittenen Urteile ist eine Tendenz dahingehend zu erblicken, dass zumindest dann, wenn der Influencer das Interesse an dem Produkt dadurch weckt, indem er dieses am eigenen Körper bzw. im Zusammenhang mit seiner Person präsentiert und den Produktabsatz dadurch erleichtert, dass der Interessent bei Betätigung eines im Post befindlichen Links, auf den jeweiligen Account des Produktanbieters geleitet wird, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschäftliche Handlung besteht. Ob der Influencer die Weiterleitung mit der Verlinkung im Einzelfall honoriert bekommt, ist hierbei ohne Bedeutung, da nach dem Gesamtzusammenhang durch entsprechendes Tun zumindest auch das eigene gewerbliche Handeln gefördert werden soll.“
Verlinkungen auf Marken und Hashtags
Bereits vorher war klar, dass auch selbst gekaufte Produkte unter die Kennzeichnungspflicht fallen, wenn der Post werblich ist (werbliche Aufmachung und Ansprache, Kaufappell etc.) und seinen Werbecharakter verschleiert. „Offen war die Frage, ob die bloße Verlinkung auf Unternehmen auch dann, wenn keine Beziehung zum Unternehmen besteht, bereits Werbung ist, die gekennzeichnet werden muss. Dies hat das Landgericht Berlin nun bejaht“, so Gerecke. Selbst wenn also der Influencer kein Honorar für den Post und auch kein Testprodukt bekommen hat und selbst dann, wenn der übrige Post völlig neutral ist, ist bereits die bloße Verlinkung als kennzeichnungspflichtige Werbung anzusehen. „Wenn die ganze Aufmachung nach Werbung schreit, dann spricht einiges dafür, dass die Abmahnung berechtigt ist. Regel sollte sein: Keine Hashtags, keine Verlinkungen auf das Unternehmen. Will man stressfrei posten, dann sollte der Influener als Sicherheit Werbung hinzufügen“, so erklärt auch Arne Neubauer, Rechtsanwalt bei Osborne Clarke in Hamburg, gegenüber absatzwirtschaft. Für Selonke vom Verband sozialer Wirtschaft ist klar: „Ausweislich der bislang vom Verband erstrittenen Urteile ist eine Tendenz dahingehend zu erblicken, dass zumindest dann, wenn der Influencer das Interesse an dem Produkt dadurch weckt, indem er dieses am eigenen Körper bzw. im Zusammenhang mit seiner Person präsentiert und den Produktabsatz dadurch erleichtert, dass der Interessent bei Betätigung eines im Post befindlichen Links, auf den jeweiligen Account des Produktanbieters geleitet wird, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschäftliche Handlung besteht.“
Kommt es zu einem Urteil?
„In diesen konkreten Fällen dürften die Angriffe des VSW aus unserer Sicht einer gerichtlichen Überprüfung im Hauptverfahren nicht standhalten. Wenn man sich die rechtlichen Voraussetzungen schlicht näher ansieht und sie auf diese Fälle überträgt, wird man nach den derzeit öffentlich bekannten Informationen aller Wahrscheinlichkeit nicht von Verstößen gegen die Kennzeichnungspflicht ausgehen können. Im Gegenteil könnte man schon überlegen, ob die Angriffe nicht selbst vielleicht missbräuchlich wären … aber das bleibt abzuwarten. Wichtig ist vor allem, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen“, sagt Martin Gerecke zur aktuellen Debatte.
Ein gemeinsames Regelwerk über alle Bundesländer hinweg könnte allerdings für mehr „Ruhe“ und einen genaueren Durchblick sorgen: Wünschenswert wäre eine Zusammenführung der unterschiedlichen Regelungen in eine sowie eine sprachliche Vereinfachung. Denn die Unsicherheiten bestehen eher aus der Vielzahl und Unverständlichkeit der Regelungen selbst als aus dem Regelungsinhalt“, sagt Dominik Schmidt.
Richtig gekennzeichnete Werbung sieht so aus:
– Eine richtige Kennzeichnung ist transparent und sieht deshalb so aus, dass die jeweiligen Adressaten die Werbung auch als solche erkennen können.
– Unterschiedliche Medienformen, unterschiedliche Regeln. Die Regeln für Bewegtbild (also zum Beispiel YouTube, Vlogs oder Instagram Video Stories) sind teilweise etwas anders als für klassisches Blogging, Facebook- oder Instagram-Posts.
– Grundsätzlich muss bezahlter Content als solcher verstanden werden.
– Wenn man die Marke verlinkt und einen Hashtag für die Marke setzt, muss man es als Werbung kennzeichnen.
– Grauzonen beginnen dort, wo Influencer auf Läden verlinken, die sie besucht haben, aber selbst zahlen. Hier entscheidet das Gericht, ob Empfehlungsmarketing als Werbung gekennzeichnet werden muss.
– Quittungen für bezahlte Einkäufe sollte man erst einmal aufbewahren.
Privatpersonen, die noch nie eine Werbung auf ihrer Seite hatten, die keine Kooperationen mit Marken eingegangen sind oder Geschenke erhalten haben: Sie sind erst einmal sicher.
Zurzeit scheint es am besten zu sein, Influencer tragen nur noch No-Name-Klamotten, oder Instagram entwickelt einen Werbefilter, den man am besten auf jedes Bild bastelt.