Wer zuletzt lacht, hat wohl die beste Werbung 

Bei Werbung geht es nicht immer nur um Qualitätsversprechen, sondern auch mal um Humor. Ina Behrendt, CIO der Miami Ad School, und Christoph Bohlender, CEO der Agentur Mensch, wissen, was gute Werbung heutzutage ausmacht.
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Auch die klassische Plakatwerbung macht vor Wortspielen nicht Halt: Hier macht der Lieferservice Wolt auf sich aufmerksam. (© Dojo)

“Ist der neu?” “Nein, mit Perwoll gewaschen” Dieser Slogan spricht ganz unterschiedliche Generationen an: Für die einen hat er Kultstatus, denn er wird seit 1985 eingesetzt und wurde nie verändert. Für die anderen, vor allem Vertreter*innen einer jüngeren Zielgruppe, stammt er aus einer Werbung, in der die Schauspielerinnen Lena Meckel und Melisa Dobrić der aktuelle beliebten TV-Now-Serie Wrong mitspielen und über Waschmittel sprechen. Es handelt sich dabei um ein Remake des bekannten Spots, das im März dieses Jahres erschienen ist. 

Christoph Bohlender, Geschäftsführer der Agentur Mensch und Mitglied des Art Directors Club, sagt dazu: “Das Remake von Heimat für Perwoll finde ich super. Das ist ironisch durch die Anspielung auf die alte 80er-Jahre-Werbung und funktioniert aber auch, wenn man das Original nicht kennt.” Anhand der Marke Perwoll lässt sich gut erklären, wie sich Werbung verändert hat und welche Rolle Humor spielt.  

Humor löst das Markenversprechen ab 

Während es bei Werbung früher noch wichtig war, das Markenversprechen hervorzuheben – also wie gut die Qualität der Wolle ist, wenn sie in diesem Beispiel mit Perwoll gewaschen wurde –, geht es heutzutage eher um Markenbindung durch Humor. Kund*innen identifizieren sich nicht mehr über die Marke selbst, sondern über das, wofür sie steht und wie sie sich präsentiert.  

“Früher war häufig die Differenzierung der Marken durch den USP (Unique Selling Point) das Wichtigste”, erklärt Bohlender. Das sei zum Teil noch immer so. Aber mehr und mehr fokussierten sich Markenentscheider heute auf das Warum: Was ist der sogenannte Purpose einer Marke? Es sei also eine Sinnfrage, die sich Marken stellen. Vermutlich aus dem Bewusstsein heraus, dass wir in einer Überflussgesellschaft leben. “Es gibt zu viele Marken, die ähnlich auftreten. Wie erreicht man da die Menschen? Mit Geschichten – emotional oder unterhaltsam, und eben nicht mit bloßen Fakten”, so der Markenexperte. 

Diese These bestätigt auch Ina Behrendt. Sie ist Chief Innovation Officer bei der Miami Ad School Europe und ebenfalls Mitglied des Art Directors Club. Sie beschreibt Humor in der Werbung als Effektivitätstaktik und sagt, dass wissenschaftliche Studien gezeigt haben, dass Humor die Markenerinnerung tatsächlich steigern könne, da sie sich emotional verankert.  

Die Konsument*innen wollen lachen 

In der Studie “Trust in Advertising 2021” von Nielsen heißt es laut Cathy Heeley, International Media Analytics Lead: “Wenn es um Messaging geht, sehen wir, dass Humor ein wichtiger Faktor ist. Er steht an dritter Stelle in Bezug auf Messaging, das am meisten Anklang findet.” 

Perwoll ist längst nicht die einzige Marke, die auf Humor setzt. Vor einigen Wochen wurde in Berlin ein Löwe gesichtet, der sich am Ende doch nur als Wildschwein herausstellte. Das hat Ikea zum Anlass genommen, um für seinen Stofftier-Löwen „Djungelskog“ zu werben. Er sei „in verschiedenen Berliner Ikea-Einrichtungshäusern und in einigen gemütlichen Schlafzimmern“ gesehen worden und wurde in diesem Fall wegen „Verdacht auf Flauschigkeit“ gesucht. Fährt man durch deutsche Großstädte, erkennt man, dass auch die klassische Plakatwerbung nicht vor Wortspielen Halt macht. Mit “Niemand sollte vor Wut kochen” macht der Lieferservice Wolt auf sich aufmerksam. 
 
In Zeiten von Memes sind auch Wortspiele vor allem bei Millennials und jüngeren Zielgruppen beliebt – und sie verfolgen dasselbe Ziel wie Werbung von jeher: Markenbindung schaffen und im Gedächtnis bleiben. Ina Behrendt erklärt: “Das ist besonders heutzutage wichtig, da gerade durch Social Media um einiges mehr Werbebotschaften, Informationen und Inhalte auf uns einprasseln, als noch vor zehn, 20 oder 30 Jahren.” Inzwischen gingen die Fachleute davon aus, dass jeder von uns täglich mit 10.000 bis 13.000 Werbebotschaften konfrontiert wird. Zum Millennium waren es “nur” 2000 bis 3000 und im Jahr 2006 gut 5000. Damit seien die Klaviatur der Werbung und auch das Spielfeld der Kreativität deutlich größer geworden, ist Christoph Bohlender überzeugt.  
 

Ein bisschen Leichtigkeit in schweren Zeiten 

Doch auch die Pandemie und das aktuelle Weltgeschehen sorgen dafür, dass sich Menschen nach mehr Leichtigkeit sehnen. Im Journalismus finden sogenannte “Good News” immer mehr Anklang – es gilt, zwischen all den negativen Schlagzeilen beispielsweise positive Fortschritte etwa bei Themen wie Medizin, Umwelt- oder Tierschutz zu teilen. Da ist es naheliegend, dass auch Werbung positive Emotionen erzeugen soll.

“Jetzt in der Ära der ‘Joyconomy’ gibt es eine offene Einladung für jede Marke, den Humor zurückzubringen”, sagt Behrendt. Sie verweist damit auf den Trendreport “The Future 100”, der jährlich von der Agentur Wunderman Thompson veröffentlicht wird und die neuen Trends verschiedener Branchen erklärt.  

Humor gewinnt 

Obwohl es wichtig und richtig ist, zu lachen, kann Werbung auch tiefgehende Emotionen und Informationen transportieren – und diese leicht zugänglich machen. Ein Beispiel dafür ist “The Vulva Spaceship”. Das Projekt gewann den siebten Platz des diesjährigen Art Directors Club Wettbewerbs. Damit will die Agentur Innocean Berlin gemeinsam mit der Aktivistin und feministischen Künstlerin Jasmin Mittag darauf aufmerksam machen, wie wenig Gleichberechtigung in der Raumfahrt herrscht. Deshalb haben sie eine Rakete entworfen, die eben keine phallische Form hat, sondern die einer Vulva. 

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Mit dem “The Vulva Spaceship” wollen die Agentur Innocean und die feministische Künstlerin Jasmin Mittag darauf aufmerksam machen, wie wenig Gleichberechtigung in der Raumfahrt herrscht. (©Innocean)

In ihrem Imagevideo klären sie darüber auf, wie wenige Frauen bislang im All waren und Lucia Hartmann, Lead Scientist bei WBF Aeronautics, stellt wichtige Fragen – teils mit einem Augenzwinkern: Sollte das All nicht für alle sein? Und ist eine phallisch-geformte Rakete wirklich die beste Lösung, um dorthin zu gelangen?  

“Ich finde es interessant zu beobachten, wie besonders in diesem Jahr humoristische und unterhaltende Werbung und Markenerlebnisse bei großen Festivals wie den Cannes Lions oder auch beim Art Directors Club Germany in den Vordergrund gerückt sind und gefeiert und ausgezeichnet werden”, sagt Behrendt. Der wohl wichtigste Trend im Jahr 2023 sei neben Diversity, Equity und Inclusion sowie Künstlicher Intelligenz eindeutig die anhaltende Rückkehr des Humors als preisgekröntes Element. Christoph Bohlender bestätigt das und fügt hinzu: “Alles wiederholt sich.” So auch der Humor in der Werbung.  

(eb, Jahrgang 1993) ist freie Journalistin und kam vom Modejournalismus über Umwege zum Wirtschaftsjournalismus. Sie kann sich schnell für neue Themen begeistern, führt am liebsten Interviews und hasst Stillstand – was das Pendeln zwischen Bayern und Berlin umso leichter macht.