So bleibt im Interesse der deutschen Autoindustrie zu hoffen, dass die erste Rede des neuen Verkehrsministers, Peter Rammsauer es schafft, die heimischen Autobauer zu motivieren und anzutreiben. Rammsauer sagte nämlich, er wolle „Deutschland zum Technologieführer bei Elektroautos machen“.
Doch mit der Technologieführerschaft ist das so eine Sache. Denn auch Quereinsteiger und No-Brands können Marktführer werden. Das bewies Apple. Zwar hatten sich die Amerikaner längst einen Namen im Computerbereich gemacht und mit dem iPod neue Maßstäbe gesetzt, aber die Einführung des iPhone 2007 bescherte Apple nicht nur grandiose Umsätze, sondern schaffte auch ein starkes, positives Image und die Poleposition im Smartphone-Segment, dem andere Hersteller bis dato vergeblich nacheifern.
Es gilt also: wann immer eine Markteintrittsbarriere besonders niedrig und ein Segment noch nicht besetzt ist, haben es Unternehmen, die noch unbekannt oder die in diesem Bereich nicht etabliert sind leicht, mitzumischen. Übertragen auf die Automobilbranche bedeutet das, Energieversorger, Batteriehersteller oder gar Lifestyle-Anbieter könnten es Mercedes, VW und Co. schwer machen, einen führenden Platz im Marktsegment der Elektroautos zu ergattern. Denn die benötigte Technologie ist, abgesehen von den Akkus, weitaus weniger aufwendig. Keine großer Otto-Motor, kein Getriebe, kein Katalysator. Auch die Vertriebswege könnten neue sein. Wer braucht schon Autohäuser, wenn im Internet mit 14-tägigem Rückgaberecht bestellt werden kann? Und die bislang teuren Wartungsintervalle führt der Käufer zukünftig vielleicht über einen einfachen Komponentenwechsel selber durch.
Die vorhandene Kompetenz und das aufgebaute Image der großen Autobauer zählt für den Käufer im Rennen um die Poleposition auf dem Markt der Ökoautos herzlich wenig. Jetzt heißt es, das Feld der Elektro-Mobile mit hoch innovativen, Nutzerfreundlichen Lösungen zu besetzen. Die Entscheidung, ob eine neue Marke dafür kreiert wird, wie es vor gut zehn Jahren Mercedes mit SMART gemacht hat, oder aber unter der bestehenden Dachmarke neue Modelle gebaut werden, muss jedes Unternehmen für sich treffen. Aber bald, sehr bald. Denn jetzt muss der Innovationshunger der umweltbewussten Bevölkerung befriedigt werden. Wer will schon ständig Imageanzeigen der Automobilkonzerne über deren künftige E-Modelle sehen und ständig hören, dass ihnen die Zukunft gehöre und sie die
Mobilität revolutionieren werden, aber in der Fachpresse lesen, dass dies 2011 oder vielleicht auch erst 2015 der Fall sein wird.
Und trotz der Angst, die eigenen Modellreihen mit Otto-Motor durch Elektro-Automobile zu kannibalisieren und des Wunsches eine maximale Rendite zu erzielen, sollten die Preise bezahlbar bleiben – gerade auch in der Zeit nach der Krise. Als erstes serienmäßig gebautes Elektroauto der Welt konnte sich der Tesla Roadster noch einen Preis von 100 000 Euro erlauben.
Falls aber Volkswagen auf die Idee kommt einen Elektro-Polo zum Preis des aktuellen Passats auf den Markt zu bringen, könnte es schnell passieren, dass sich die Geschichte ›umgekehrt wiederholt‹: Mit einem der ersten Joint-Ventures brachte Volkswagen vor 25 Jahren westliche Automobil-Technolgie nach China. Der chinesische Auto- und Batterieherstellers BYD (Buildt Your Dreams) will nun nächstes Jahr mit seinem Model ›e6‹ einen Elektro-Kompakt-Van mit praxistauglicher Reichweite und schneller Wiederaufladung für unter 30 000 Euro in China auf den Markt bringen und dann exportieren. – Der Elektro-Volkswagen aus der Volksrepublik? Die erste PR-Kampagne in Europa steht an: BYD stellt die Fahrzeugflotte für die Staats- und Regierungschefs beim Klimagipfel in Kopenhagen.
Man darf gespannt sein, wer die Marktführerschaft übernimmt: Tesla, BYD, Kooperation zwischen Karmann und RWE, Duracell, Apple oder vielleicht doch Mercedes, BMW, VW & Co.?
Über den Autor: Jens Reinhard ist Inhaber der Corporate Branding Agentur Reinhard & Ostmann GbR, Hamburg.