Machen wir uns nichts vor: Die meisten Konsument*innen wollen im Internet keine Werbung sehen oder hören. Zumindest tun sie es nicht gern. Sie wollen vielmehr hemmungslos und ungestört Inhalte konsumieren. Kostenfrei. Dass dies ein Widerspruch in sich ist, wird von vielen nicht akzeptiert. Technische Werbeblocker haben daher noch immer Hochkonjunktur. Ende vergangenen Jahres verschärfte das Anti-Tracking-Tool Ghostery die Lage zusätzlich: Mit seiner Funktion „Never-Consent“, können seitdem auch die sogenannten Consent-Banner blockiert werden, mit denen Werbetreibende datenschutzkonform die Einwilligung der Nutzer für ein Tracking einholen. Viele User*innen fühlen sich bereits durch die aufpoppenden Abfragen gestört. Das ist ein Dilemma für Werbungtreibende.
Schon seit geraumer Zeit gibt es daher Bemühungen, Nutzer*innen selbst entscheiden zu lassen, welche Online-Werbung sie sich anschauen wollen, um die gewünschten Inhalte kostenfrei zu konsumieren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Targeting entfällt, es werden keine personenbezogenen Daten gesammelt und keine Profile gebildet – und die Nutzer*innen setzen sich sogar mit der Werbung bewusst auseinander. Streuverluste werden zudem quasi automatisch vermieden, da User*innen aus der angebotenen Spot-Auswahl die Themen- oder Produktkategorien auswählen, die sie am ehesten Interessieren.
Fremd- oder lieber selbstbestimmt?
Mittlerweile hat sich für diese Art der Werbung sogar ein eigener Begriff etabliert: Choice-Driven-Advertising. Es soll auch eine Antwort auf die kontinuierlich wachsenden Datenschutzanforderungen seitens der Gesetzgeber und die Praktiken der Tech-Giganten sein, die immer rigoroser gegen das Tracking der User durch Dritte auf ihren Plattformen vorgehen. Zusätzlich könnte das Auslaufen der Third-Party-Cookies zu einem Umdenken der oft sehr datengetriebenen Online-Werbetreibenden führen und diesem selbstbestimmten Ansatz einen deutlichen Schub verleihen.
Laut einer aktuellen Werbewirkungsstudie des Adtech-Anbieters Welect wird das Choice-Driven-Advertising Konzept durchweg positiv aufgenommen – auch von AdBlock-Nutzer*innen, die aktiv versuchen Online-Werbung zu vermeiden. Zudem wird es der Studie zufolge generell als weniger störend wahrgenommen. Die untersuchten KPIs erreichten in der Werbewirkungsstudie in fast allen Fällen höhere Werte, wenn die Konsument*innen die Werbung selbst wählen konnten.
Ich persönlich bin sehr gespannt, wie diese Entwicklung weitergeht und ob sich die selbstbestimmte Werbung im großen Stil etablieren wird. Entpuppt es sich gar als Königsweg? Was meinen Sie: Diskutieren Sie mit uns auf LinkedIn oder schreiben Sie uns gern eine E-Mail. Ihre Kommentare an redaktion-absatzwirtschaft@handelsblattgroup.com.
Schon gehört?
Eine Beta-Version der Privacy Sandbox für Android ist für erste Smartphone-Nutzer*innen mit Android 13 verfügbar. Sie wird schrittweise ausgerollt und soll später erweitert werden. Die Privacy Sandbox Beta bietet neue Programmierschnittstellen (APIs), die unter Datenschutzgesichtspunkten entwickelt wurden und die keine Identifier verwenden. Unternehmen, die an der Beta-Phase teilnehmen, können diese APIs nutzen, um Werbung auszuspielen und die Wirkung zu messen.
Auch beim kontextuellen Targeting wird auf Drittanbieter-Cookies komplett verzichtet. Das auf kontextuelle Werbung spezialisierte Adtech-Unternehmen Seedtag hat jetzt sogenannte Contextual Profiles vorgestellt. Anhand verschiedener Daten wird dabei in Echtzeit bewertet, wie wahrscheinlich es ist, dass Nutzer*innen eine bestimmte Handlung vornehmen, zum Beispiel eine Website aufrufen oder ein Produkt kaufen. Dazu werden sowohl Web- als auch situative Kontextsignale herangezogen.
Übrigens: Falls Ihnen neben der leidigen Cookie-Problematik auch das Thema Künstliche Intelligenz unter den Nägeln brennt, sollten Sie mal auf martech.org vorbeischauen. Dort hat die Redaktion Marketing-Tech-KI-Experten aufgelistet, denen man den in sozialen Medien folgen sollte, um bei der rasanten Entwicklung auf dem Laufenden zu bleiben.
In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!