Wenn Marken zu Medien werden

Verschiedene Marken veröffentlichen eigene journalistische Inhalte. Die Publikationen der Electronic Beats von der Deutschen Telekom und She’s Mercedes zeigen, wie das seit Jahrzehnten funktioniert.
Marken Medien : Gwyneth Paltrow x She's Mercedes
Der Autobauer lässt für sein Format “She’s Mercedes” seit 2015 Frauen wie die US-Schauspielerin Gwyneth Paltrow von Journalistinnen interviewen und porträtieren. (© Mercedes-Benz)

Storytelling ist eines der Buzzwords, die im Marketing nicht mehr wegzudenken sind. Doch viele Marken haben längst erkannt, dass eine rein werbliche Ego-Show nicht zwingend gut bei der Kundschaft ankommt – also erzählen sie lieber die Geschichten von anderen. Wie das funktioniert? Mit journalistischen Inhalten auf eigens dafür kreierten Plattformen.  

Die Deutsche Telekom hat bereits vor 20 Jahren einen Best Case dafür geschaffen, mit dem markeneigenen Musikmagazin “Electronic Beats”. Ralf Lülsdorf ist Head of International Music Marketing bei der Telekom und außerdem Gründer des Musik- und Culture Programms Electronic Beats (EB, gegründet im Jahr 2000), zu dem das ab 2005 quartalsweise erscheinende Print-Magazin gehörte.  

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Die Telekom ist 2005 mit dem Musikmagazin “Electronic Beats” gestartet. 

Lülsdorf erklärt, wie es dazu kam: “Die Idee entstand aus dem deutschen Markt heraus, als wir den Auftrag bekommen haben, eine Jugendmarketing-Strategie aufzubauen. Damals waren die Wettbewerber deutlich jünger unterwegs und das hat uns unter Druck gesetzt.” Der Konzern wollte zeigen, dass er die junge Zielgruppe respektiert und verstehen will, wie sie tickt.  

Die inhaltliche Verbindung zur Musik war naheliegend, weil die Telekom über ihre Technologien und Services den Menschen ermöglicht, ihre Musik untereinander zu teilen. Das Magazin, das 2017 komplett digitalisiert wurde, war von Anfang an als Verlängerung der EB-eigenen Festivals, Konzerte und Events angelegt. Darin finden Interviews, Konzertbesprechungen und eben alles, was mit dem Musik-Kosmos zu tun hat, statt. 

Mercedes zeigt starke Frauen in der Tradition von Bertha Benz 

Ein erfolgreiches Marketing-Pendant dazu stellt der “She’s Mercedes”-Newsletter dar, der 2015 im Rahmen der gleichnamigen Initiative des Autobauers entstand. Darin werden seit mittlerweile zehn Jahren monatlich Frauen von Journalistinnen porträtiert und Themen besprochen, die zum gesellschaftlichen Zeitgeist passen. “Die Marke Mercedes-Benz wurde von Beginn an von einer starken Frau geprägt: Bertha Benz, die Frau von Carl Benz. Sie ist die erste Person, die eine Langstreckenfahrt mit einem Fahrzeug unternahm und damit das Konzept des Automobils validierte, womit sie den Grundstein zu einer vollkommen neuen Industrie gelegt hat”, sagt Pressesprecher Dietmar Göllner Venturi.  

Mit Angeboten wie Events oder eben dem Newsletter will die Marke in einen Dialog mit einer bestehenden oder potenziellen Zielgruppe eintreten. Eine Marketingstrategie, die funktioniert. Alle Interviews werden von Journalistinnen geführt, wie Göllner Venturi erklärt: “Ein journalistischer Hintergrund bringt ein hohes Maß an Professionalität und ethischen Standards mit sich, was für die Qualität und Glaubwürdigkeit der Inhalte entscheidend ist.” 

Electronic Beats will authentischen Content bieten 

Auf die Frage, wie stark die Inhalte bei Electronic Beats von oben vorgegeben werden, antwortet Ralf Lülsdorf: “Wir stimmen die Themen grob ab, aber die Redaktion hat sehr viel freie Entscheidung, was die journalistische Umsetzung und alles Weitere angeht. Es ist überhaupt nicht so, dass wir jeden Tag massiv Einfluss nehmen und sagen, was sie zu tun haben.” Er vergleicht es mit einer Autobahn, die das Magazin darstellt und die Richtung vorgibt. Was aber im Bereich digitaler Content oder Social Media genau passiert, da seien die Mitarbeitenden relativ offen. “Das führt dazu, dass am Ende hochkredibler Content mit einem hohen User-Engagement dabei rauskommt”, ergänzt er.  

Diese Offenheit zeigt sich nicht nur inhaltlich, sondern auch in den Plattformen und Formaten. Das Magazin gibt es zwar nicht mehr in gedruckter Form, aber bald komme etwas Neues, kündigt Lülsdorf an: “Wir werden den ganzen Content aus dem Printmagazin in Kürze auf der Website wieder verfügbar machen. Aber nicht im Sinne eines Archivs, sondern eher im Dialog mit einer Künstlichen Intelligenz.” 

In der Vergangenheit veröffentlichte die Telekom Musikinhalte in einer TV-Sendung bei Viva Zwei und in einem DVD-Magazin. Beides wurde wieder eingestellt. Auf einem YouTube-Kanal namens EB.TV gehen immer noch regelmäßig unterschiedliche Formate wie Interviews, Tech Talks und Blind Tests online. Außerdem gibt es seit 2018 einen Podcast, der mehr als 150 Folgen zählt, und der Newsletter hat erst kürzlich einen Relaunch erlebt. Eine ganze Menge Content und Kanäle also. 

Experimentieren beim Storytelling

Dieses Experimentieren mit Kanälen scheint eine der Stärken im Storytelling zu sein. Das sieht auch Lülsdorf so, der erklärt, wie wichtig Wandlungsfähigkeit ist: Hätte man alles auf ein Medium gesetzt und niemals etwas Neues probiert, hätte Electronic Beats wahrscheinlich nicht so lange überlebt. 

Ralf Lülsdorf_c_Deutsche Telekom
Ralf Lülsdorf hat “Electronic Beats” vor 25 Jahren gegründet und das Programm und seine Formate seitdem einen stetigen Wandel unterzogen. 

Doch nicht nur die Kanäle, sondern vor allem der Inhalt ist entscheidend für das Storytelling einer Marke. Bei She’s Mercedes ist das wichtigste Credo, Inhalte zu liefern, die Mehrwert bieten. Konkret sieht er so aus, dass inspirierende Frauen und ihre Geschichten vorgestellt und ausführlich besprochen werden. Der Newsletter geht in die Tiefe und sorgt umgekehrt dafür, dass die Marke regelmäßig wertvolles Feedback erhält, um sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.  

Bei beiden Absendern stehen zwar die Inhalte und die Zielgruppe im Mittelpunkt. Dennoch ist es wichtig, sich als Marke nicht zu verstecken. Die Telekom platziert genauso wie Mercedes-Benz gut sichtbar das eigene Logo – schließlich soll es nicht wie Schleichwerbung wirken. Dass Marketing genau so funktioniert, zeigt die 25- beziehungsweise 10-jährige Geschichte der beiden Medien. Schließlich geht es beim Storytelling immer auch um diejenigen, die erzählen.

(eb, Jahrgang 1993) ist freie Journalistin und kam vom Modejournalismus über Umwege zum Wirtschaftsjournalismus. Sie kann sich schnell für neue Themen begeistern, führt am liebsten Interviews und hasst Stillstand – was das Pendeln zwischen Bayern und Berlin umso leichter macht.