Ein schönes Beispiel liefert ein Rundbrief an die „lieben“ Mitarbeiter eines großen filialisierten Handelsunternehmens, verfasst oder jedenfalls unterschrieben vom Vorstandsvorsitzenden. Das Schreiben will alle dazu motivieren, die schwierige Lage im laufenden Quartal durch engagiertes Handeln zu bessern und die gesteckten Ziele doch noch zu erreichen. Es geht in der Tat um viel – um eine Marke, die noch vor wenigen Jahren in hohem Ansehen stand und deren Mitarbeiter nun einen tiefen Fall fürchten.
Was ihnen der Vorstand in dieser prekären Situation an strategischem Verhalten abverlangt und seinerseits verspricht, ist an Einfältigkeit nicht mehr zu überbieten und ein frischer Beleg dafür, was passiert, wenn Marketing und Markenführung in der Beletage eines Konzerns noch nicht angekommen oder ihr schon wieder abhanden gekommen sind.
Die positionierende Vorgabe lautet „Wir wollen uns auf das besinnen, was wir sind. Wir sind Händler“. Ach was?! Zum Thema Kundengewinnung folgt der Aufruf „Lassen Sie uns durch Freundlichkeit glänzen!“ Die Erfolgsaussichten dürften ähnlich sein wie die in Karl Valentins himmlischem Programm „Von 11 bis 12 Uhr Frohlocken“. Gänzlich fassungslos liest man schließlich: „Wir bekommen in Kürze ein neues Image. Dieses wird die Frage für uns und unsere Kunden beantworten: Wofür stehen wir? Das Image setzt auf unsere traditionellen Werte.“ So kommandiert ein Leichtmatrose einen Riesentanker in schwerer See. Die arme Besatzung.
Über den Autor: Dr. Klaus Brandmeyer ist Geschäftsführer der Brandmeyer-Markenberatung.