Mit einer überraschenden Botschaft startet der Telefonanbieter Ay Yildiz am Dienstag eine neue Imagekampagne. Die Marke, die über die deutsche E-Plus-Gruppe zur spanischen Telefónica gehört, lässt unter dem Motto „Haymat“ (Heimat) junge Deutschtürken zu Wort kommen. Sie schildern in ihren eigenen Worten, was der Begriff für sie bedeutet und wie sie Heimat im Alltag erleben. Angelegt ist die Kampagne als Dokumentation mit ausgesucht schöner Bildsprache. Als Agentur zeichnet Ogilvy Düsseldorf verantwortlich.
„Das Thema ist für uns Deutschtürken sehr präsent“, sagt Gülten Yildirim, die bei Ay Yildiz fürs Marketing zuständig ist. „Immer wieder werden wir gefragt: Wo ist deine Heimat?“ Dabei sei Heimat gerade für Menschen, die mit zwei Kulturen aufgewachsen seien, nicht nur ein Ort. Yildirim: „Es sind die verschiedensten positiven Dinge, die jeder Mensch für sich selbst und ganz individuell als Heimat definiert.“
Ethno-Marketing war vor Jahren geradezu ein Hype
Diese Botschaft vermitteln die persönlichen Statements der Kampagne: Für eine junge Frau liegt Heimat in der Freundschaft, ein Rechtsanwalt findet sie in innerem Frieden beim Yoga, ein Gastronomen entdeckt sie im Aroma der Speisen, die er seinen Gästen serviert. Mal sprechen die Protagonisten deutsch, dann wieder türkisch, mit Untertiteln in jeweils der anderen Sprache.
Ethno-Marketing, noch vor einigen Jahren geradezu ein Hype, ist in der deutschen Werbewirtschaft nicht mehr sonderlich verbreitet. Konzerne wie Volkswagen und Deutsche Bank haben große Kampagnen wieder eingestellt, die sich speziell an türkischstämmige Kunden richteten. Man wolle jetzt „grundsätzlich alle Kunden gleichermaßen“ ansprechen, heißt es etwa bei VW.
Doch während in den USA Konsumenten mit Migrationshintergrund ganz selbstverständlich in die Kommunikation integriert sind, tut sich Deutschland damit noch schwer, wie jüngst das Beispiel Deutsche Bahn zeigte. Sie warb unter dem Motto „Diese Zeit gehört Dir“ unter anderem mit dem schwarzen Starkoch Nelson Müller und der türkischstämmigen Moderatorin Nazan Eckes. Ausgerechnet Tübingens grüner Bürgermeister Boris Palmer sah Deutsche ohne Migrationshintergrund in der Kampagne nicht hinreichend repräsentiert und löste damit eine heftige Kontroverse aus.
„Wir spielen mit echten, kulturellen Insights“
Für Ay Yildiz ist es selbstverständlich, sich an die Zielgruppe der Deutschtürken zu wenden, die das Gros der Kundschaft ausmacht. In Bild und Wort spiegele die Kommunikation mit viel Liebe zum Detail die Welt der Zielgruppe, sagt Carsten Kinast, Chief Client Officer von Ogilvy Deutschland: „Wir spielen mit echten, kulturellen Insights und nicht mit Insights aus Fokusgruppen oder welchen, die wir uns als Deutsche ausgedacht haben.“ Das gelingt wohl nur deshalb, weil bei Ogilvy ein deutschtürkisches Team die Kampagne betreut. Die Agentur hatte den Etat von Ay Yildiz Ende 2016 von Grey übernommen.
Bei der Videodokumentation verzichteten die Marketer auf ein Storyboard; die Kamera begleitete die Protagonisten jeweils über einen Tag hinweg. Das Material wurde zu einem acht Minuten langen Beitrag verdichtet, der auf Youtube zu sehen ist. Kurzversionen laufen im türkischen Fernsehen und auf Social Media. Weitere Kanäle sind Plakate, Taxibeklebungen und eine Microsite mit einem Postergenerator, mit dem die Nutzer eigene Plakate entwickeln und sich an einem Gewinnspiel beteiligen können.
Zielgruppe sind 18- bis 45-Jährige Deutschtürken sowie Deutsche mit einer Affinität zum Thema. Die Kampagne läuft zunächst sechs bis sieben Wochen. Yildirim hofft auf rege Resonanz: „Wir wollen zur Diskussion anregen.“ Oder, wie es ein junger Mann im Kampagnenvideo ausdrückt: „Heimat kann jede Brücke bauen, die man zulässt.“