Seine Sprache. Die am 1. September veröffentlichte ganzseitige Textanzeige liefert dafür einen neuen schönen Beleg. Darin erklärt er seinen „verehrten Kundinnen und Kunden“, dass es bei Aldi zu Preiserhöhungen kommen wird. Er spricht von den „Preisen, die auf den Beschaffungsmärkten für Lebensmittel und Energie stark gestiegen“ seien. Um die Belastungen für die verehrte Kundschaft möglichst niedrig zu halten, werde er alle Möglichkeiten prüfen; ja sogar einen Teil der Mehrkosten selbst übernehmen und durch eigene Sparsamkeit einen Beitrag leisten.
Der Stil ist außerordentlich seriös; die Wortwahl nicht im Ansatz emotional; parteiische Argumentation vom Feinsten. So hat er es schon in den achtziger Jahren gehalten. Er klärt auf: „Wer ist am ehesten in der Lage, über die Qualität eines Artikels zuverlässig Auskunft zu geben? Natürlich der Artikel selbst. Warum also auf andere hören? Warum Werbeversprechungen blind vertrauen, der bekannten Marke allein ungeprüft beste Qualität zuerkennen?“ Wie Immanuel Kant es gefordert hat, führt Aldi die Menschheit aus ihrer „Unmündigkeit“ heraus.
Beim späten Eintritt in den Molkereiprodukte-Markt hat Aldi seine Wettbewerber mit einer einzigen halbseitigen Zeitungsanzeige überholt. Er verkündete darin am Beispiel eines Joghurts eine neue Frische-Regel: „Für alle unsere frischen Sachen aus dem Kühlregal gilt das gleiche strenge Gesetz: Eine Woche vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums ist letzter Verkaufstag. Danach nehmen wir sie aus dem Regal.“ Der Schachzug hat ihm Umschlagsgeschwindigkeiten beschert, die sogar seine Kunden als Kaufargument benutzen.
Warum so viele Worte über ein paar Worte? Weil ausgerechnet ein Billighändler uns vorführt, auf welchem Niveau man sich heute mit seinen Kunden verständigen und ihr Vertrauen gewinnen kann. Vorausgesetzt, man lässt elitäre und intellektuelle Vorstellungen von einem dumpfen Massen-Gehirn hinter sich, das angeblich nur noch auf Bilder reagiert.
Über den Autor: Prof. Dr. Klaus Brandmeyer ist Inhaber der Brandmeyer Markenberatung Hamburg