Von Nils Jacobsen
Es hatte sich über Monate angekündigt: Apple steckt tief in der Krise, das musste nun auch CEO Tim Cook in einem für den erfolgsverwöhnten Techpionier aus Cupertino höchst ungewöhnlichen Schritt eingestehen.
Nach Börsenschluss des ersten Handelstages 2019 wandte sich Cook mit Apples erster Umsatzwarnung seit 2002 an seine Aktionäre. Anfang November hatte der Apple-CEO noch für das vierte Kalenderquartal, das Apples erstem Fiskalquartal entspricht, noch Erlöse zwischen 89 und 93 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt, was seinerzeit bereits von der Wall Street als Enttäuschung aufgenommen wurde.
Nun jedoch folgte die komplette Ernüchterung: Nur noch 84 Milliarden Dollar dürfte der einst wertvollste Konzern der Welt im vierten Kalenderquartal erlöst haben, musste Tim Cook in seinem Brief an die Aktionäre eingestehen. Apple verzeichnet damit gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Erlösrückgang von rund 4 Milliarden Dollar. Auch die Gewinnmarge fällt mit 38 Prozent wohl leicht schwächer aus erwartet. (Die Quartalsbilanz folgt am 29. Januar.)
Dramatischer Einbruch der iPhone-Verkäufe in China
Als Grund für die bemerkenswerte Bilanzverfehlung nannte Tim Cook in erster Linie die Verwerfungen in den Schwellenländern – vor allem in China, Apples zweitwichtigstem Absatzmarkt. Die Umsatzverfehlung von mehr als 5 Milliarden Dollar sei zu “mehr als 100 Prozent” auf das Reich der Mitte zurückzuführen, erklärte Cook im anschließenden Interview mit dem Finanzsender CNBC.
Cook sprach von Chinas schwächstem Wirtschaftswachstum seit 25 Jahren und nannte gleichzeitig als weiteren Faktor für den Absatzkollaps den schwelenden Handelsstreit zwischen den USA und China.
Sogar das Batterieaustauschprogramm soll schuld an Absatzschwäche der neuen iPhones sein
Zudem hätten die Dollarstärke und der Launch-Zeitpunkt der neuen Flaggschiff-Modelle iPhone XS und XS Max im September eine Rolle für die schwächere Absatzentwicklung gespielt (alle Absätze des im November 2017 gelaunchten iPhone X entfielen auf das Vorjahresquartal) – was allerdings nach einer Ausrede klingt, zumal die Umsatzverschiebung in Apples eigener Prognose im November hätte mitberücksichtigt sein müssen.
Über 400 Milliarden Dollar Börsenwert vernichtet
Anleger und Analysten reagierten schockiert auf Apples überraschende Umsatzwarnung. “Das ist ein schwarzer Tag für Apple”, kommentierte Analyst Dan Ives von Wedbush Securities gegenüber CNBC die historische Bilanzverfehlung des iKonzerns.
Die Folge an der Wall Street: Ein dramatischer Kurssturz von knapp 8 Prozent nach Handelsschluss, mit dem Apple nahtlos an die desaströse Entwicklung der vergangenen Monate anknüpfte und auf einen Schlag weitere 57 Milliarden Dollar an Börsenwert ausradierte.
Bei nachbörslich nur noch 146 Dollar notiert Apple nunmehr auf einem 1,5-Jahrestief. Seit den erst vor drei Monaten aufgestellten Allzeithochs bei 233 Dollar hat der 43 Jahre alte Techpionier damit bereits mehr als 400 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet.
Apple nur noch viertwertvollster Konzern der Welt
Die Konsequenz des Absturzes aus dem Börsenhimmel: Der über sieben Jahre wertvollste Konzern der Welt wird an der Wall Street immer weiter nach unten durchgereicht. Nicht nur den Erzrivalen Microsoft, sondern nun auch Amazon und sogar Alphabet hat Apple beim freien Fall aus dem Börsenhimmel inzwischen passieren lassen müssen.
Mit einer Marktkapitalisierung von nun nicht mal mehr 700 Milliarden Dollar ist Apple damit nur noch die Nummer vier der Börsenwelt. Die drei Monate zwischen Anfang August und November, als Apple zum ersten privat geführten Billionen-Dollar-Unternehmen avancierte, erscheinen inzwischen wie aus einer anderen Ära.