Von Michael Hack
Kfz-Hersteller gehören zu den innovativsten und effektivsten Unternehmen. Sie gehören auch zu den stärksten Werbern: 2013 gab die Autobranche in Deutschland rund 2,2 Milliarden Euro aus. In die „Attention“ für die großen Automarken werden jährlich dreistellige Millionenbeträge gesteckt. Die Autobauer müssen auch verstärkt auf ihre Produkte aufmerksam machen:
- Weil der Konkurrenzkampf immer härter wird und sich Innovationszyklen verkürzen.
- Weil die junge Zielgruppe wegzubrechen droht: Nach einer Studie der Auto-Bild haben viele unter 30 Jährigen heute ein eher nüchternes Verhältnis zum Auto, und setzen – zumindest in urbanen Räumen – vermehrt auf Carsharing-Angebote oder verzichten gänzlich auf das Auto.
- Weil die Markenpräferenz bei potenziellen Autokäufern schwindet: 71 Prozent der Autokaufinteressenten in Deutschland haben keine klare Vorstellung davon, welche Automarke oder welches Modell sie kaufen wollen. Im Schnitt ziehen sie 3,7 Marken in Erwägung. Acht Prozent gehen sogar völlig offen in den Rechercheprozess. Von denen, die bei der Suche eine bestimmte Marken präferieren, entscheiden sich zum Schluss 29 Prozent für eine andere Marke (Google Global Auto Study – es wurden 700 deutsche Autokäufer im Juni 2014 befragt).
Weniger Markenpräferenz, mehr digitale Touchpoints
Über den Wirkungsgrad von Werbung wird viel geforscht und gestritten; was jedoch verwundert, ist, dass die Kfz-Hersteller nicht mit aller Macht auf die sich wandelnde Customer Journey reagieren und die Interessenten vor allem da individuell abholen, wo sie sich informieren: im Web!
Autokäufer nutzen im Schnitt 24 Touchpoints bei ihrer Informationsrecherche: Die meisten davon sind digital – vor allem Suchmaschinen und die Hersteller-Website sind wichtig. Zudem ist der Entscheidungsprozess laut Global Auto Study kürzer geworden: Während sich Neuwagenkäufer 2012 noch vier Monate Zeit für die Informationssammlung gelassen haben, fällen sie ihre Kaufentscheidung mittlerweile in zwei Monaten. In diesem kurzen Zeitfenster muss die Marke den Kunden überzeugen.
Statische Website, statt personalisierter Experience
Traurige Realität ist, dass sich die meisten Unternehmen-Websites immer noch in alter Manier präsentieren: mit fester Navigation und gleichen Inhalten für alle. Warum holen sie die Interessenten nicht bei ihren Google-Suchanfragen und mit Online-Kampagnen ab und leiten sie dann in einen persönlichen Funnel, der den Interessen entspricht?
Wer bei Google nach einem SUV sucht, dann über eine AdWord-Anzeige beispielsweise auf den „Lexus SUV“ klickt, sagt doch „ich interessiere mich für einen SUV“. Das sollte die Website jetzt wissen. Klickt der Interessent dann auf der Lexus-Website weiter auf Gebrauchtwagen, sollten dort doch möglichst alle gebrauchten SUV´s erscheinen und nicht alle Gebrauchten, richtig? Das passiert auf statischen Seiten aber nicht. Dabei sind Personalisierung und damit für jeden individuell relevante Inhalte technisch heute mit einer guten Customer Experience Management Plattform (CXMP) kein Problem mehr.
Selbst Nutzer, die das erste Mal die Homepage direkt besuchen, sollten individuell zugeschnittene Informationen erhalten statt dem „schaut mal, was unser Konzern so alles zu bieten hat“. Durch Auslesen der GeoIP stellt die Experience Plattform fest, wo der Nutzer herkommt: Aus welchem Land? Aus welcher Stadt oder Region? Ist die IP bekannt (Kunde, Geschäftspartner, Newsletter-Empfänger, …)? Mit welchem Device surft der Nutzer? Das ist schon viel Wissen, mit dem die automatisierte Auslieferung von relevantem Content starten kann:
- Der Nutzer wird automatisch auf die richtige Länder-Homepage mit passendem Content (Sprache, Bilder, Angebote) geleitet.
- Es werden die für die Stadt oder Region des Nutzers passenden Kontaktinfos (Händler in Ihrer Nähe), regionale News, Events etc. angezeigt.
- Ist der Nutzer bekannt (entweder durch vorherigen Besuch und Klickverhalten oder durch ein angelegtes Profil), werden automatisch die gespeicherten Informationen verwendet.
- Kommt er per Link von der Fanpage oder dem Newsletter, kann auch darauf automatisch mit weiterführenden, passenden Inhalten reagiert werden.
Schon beim Erstkontakt sticht eine personalisierte Website positiv hervor. Die Experience stimmt. Der Nutzer erhält maximal relevante Informationen.
Jeden Klick verstehen und automatisiert darauf reagieren
Die Personalisierung sollte dann bis zum Kauf und darüber hinaus fortgeführt werden. Ein mögliches Szenario könnte so aussehen:
Nutzer XY interessiert sich für einen SUV und besucht die Website eines Kfz-Herstellers. Er klickt nicht auf den im Homepage-Banner beworbenen, sparsamen Hybrid-Wagen, sondern auf den SUV. Mit diesem Klick hat er ein wichtiges Interesse preisgegeben. Seiner IP wird im CXM per Cookie automatisch das Merkmal „SUV“ zugeordnet. Auf der folgenden SUV-Seite gibt es nun verschiedene Angebote. Er klickt auf die Werbebox mit Informationen zum Leasing. Das CXM vermerkt „Interesse am Leasing“ und personalisiert automatisch die nächstfolgende Seite. Dem Nutzer wird ein Leasingangebot konkret für SUVs unterbreitet, mit Hinweis auf den Händler in seiner Nähe (zum Beispiel Nürnberg). Er druckt sich die Seite aus, lädt die Produktbroschüre herunter und verlässt die Website.
Einige Zeit später ruft er erneut die Homepage auf. Das CXM weiß, dass es sich um Interessent XY aus Nürnberg mit den Interessen „SUV“ und „Leasing“ handelt. Statt des Hybrid-Autos werden nun die guten Testergebnisse des SUV angepriesen, daneben die Händler-in-Ihrer-Nähe-Kontaktbox mit Angebot einer kostenlosen SUV-Probefahrt in Nürnberg. Er klickt darauf und vereinbart online einen Termin. Die Probefahrt überzeugt, das Leasingangebot auch, Interessent XY wird Kunde „Müller“. Zwei Wochen später erhält er automatisch eine E-Mail. Diese bietet ihm per Link auf die Website kostenlose Service-Angebote. Auf dieser Seite geht die Personalisierung weiter: Es wird zum SUV passendes Zubehör offeriert und ein „Kunden werben Kunden“-Ad angezeigt.
Personalisierung darf nicht einengen
Ähnliche Cases sind in allen Branchen und allen Unternehmensgrößen denkbar. So können Banken und Versicherungen beispielsweise eigene Lifetime-Experiences für Privat- und Geschäftskunden entwickeln. Business-to-Consumer-Marken können spezielle Experiences für Amateure, Fortgeschrittene und Profis kreieren. Im Business-to-Business-Segment können Experiences mit Branchenfokus erstellt werden. Verbände und NGOs können Mitglieder und Spender deutlich gezielter und immer wieder mit neuen, passenden Angeboten aktivieren.
Mit der beschriebenen impliziten Personalisierung lässt sich die Conversion / Online-Abschlüsse und auch das Geschäft der Händler dramatisch steigern. Die Personalisierung darf jedoch nicht den Blick auf den Gesamt-Content verbauen. Der Käufer des SUV muss auch die Möglichkeit haben, sich über den Hybrid-Wagen für seinen Sohn oder seine Frau zu informieren. Ansonsten besteht die Gefahr einer sich immer weiter verengenden Relevanzspirale. Mit einem im CXM integrierten, lernenden Punktesystem kann man dem entgegenwirken: Klickt der SUV-Interessent häufiger auf Informationen zum Hybrid-Wagen, passt sich auch das Interessengebiet im CXM an.
Basics: Mobile First
Kommen wir zurück in die heutige Realität der Kfz-Websites. Denn bevor man sich mit innovativen Marketing-Themen wie Personalisierung beschäftigt, sollte man dafür sorgen, dass die Grundanforderungen an eine Website eingehalten sind. Wir haben dazu ein „Digital Maturity Stufenmodell“ für unsere Kunden entwickelt, an dem grob zu sehen ist, wie der Weg hin zu 100% Experience Management ablaufen sollte.
Zu der Website-Pflicht gehört beispielsweise eine einheitliche CI (global), vernünftige Analytics, die Auskunft über den Wertbeitrag jedes Nutzers und jedes Kanals liefern (und nicht nur Klicks zählen) und vor allem Adaptive beziehungsweise Responsive Webdesign. Eine „Mobile First“-Strategie sollte bei allen Autoherstellern heute Pflicht sein, denn immer mehr Interessenten in Deutschland (und global) nutzen bei der Online-Recherche ein mobiles Endgerät: Aktuelle nutzen 59 Prozent ihr Smartphone und 44 Prozent ein Tablet (Google Global Auto Study 2014). Sie erwarten auch auf dem kleineren Bildschirm ein relevantes Erlebnis. Die eigentliche Überzeugungsarbeit findet zunehmend auf Tablets und Smartphones statt und nicht mehr so sehr über TV-Spots und auf Plakatwänden.
Basics: Besser auf Anfragen reagieren
Erschreckend sind die Ergebnisse der Google Autokäufer-Studie in Punkto digitaler Kommunikation mit den Herstellern. Ein Großteil der befragten 700 Autokäufer war mit den Antworten auf digital gestellte Anfragen nicht zufrieden, da sie zu langsam kamen oder zu vage waren. Resultat: Ein Drittel der so vergrämten Autointeressenten hat den Händler gewechselt und 60 Prozent davon haben sich sogar für eine andere Marke entschieden. Und der Trend zu Online-Anfragen steigt: Hatte 2013 noch jeder zweite Autokäufer über den Onlinekanal Kontakt mit dem Unternehmen aufgenommen, waren es dieses Jahr schon 57 Prozent.
Mut zum digitalen Umparken im Kopf
Es gibt viele gute digitale Hebel, die Automotive-Marketers bewegen könnten. Am fehlenden Budget scheint es nicht zu liegen, dass dies nicht geschieht. Vielleicht fehlt bei den Agenturen und Auftraggebern einfach der Mut zum digitalen Umparken im Kopf? Die Technik dafür steht bereit.
Mit einer CXM-Plattform schaffen Unternehmen die technische Basis zum Aufbau einer emotionalen Bindung zwischen Anwender und Produkt / Unternehmen / Marke. Damit setzt CXM nicht nur auf direkte Auswirkungen wie etwa Steigerung der Klickraten, Conversion oder Verkäufe, sondern ganz gezielt auch auf indirekte Effekte wie Mundpropaganda und Weiterempfehlungen. Dies soll idealerweise an jedem Touchpoint erreicht werden. CXM lädt die Bindung zwischen Marke und Konsument immer wieder positiv auf und festigt sie langfristig – zum Vorteil von Kunden und Unternehmen, wie das Beispiel des SUV-Käufers gezeigt hat. Zufriedene Kunden kaufen gerne wieder die gleiche Marke, selbst wenn sie andere Optionen mit einbeziehen.
Marketing muss zur Kundenzufriedenheit beitragen
Doch die Planung und Umsetzung von Kundenerfahrungsmanagement ist nicht trivial. Verschiedenste Kanäle müssen integriert und personalisiert bespielt werden. Der Versuch, die vielen Systeme und Tools für Enterprise Content Management, E-Commerce, Customer Relationship Management, Online Marketing, E-Mail-Marketing, Analytics etc. zu integrieren, endet in der Praxis meist in ausufernden Kosten. CXM benötigt eine durchgängige System- und Kommunikationslogik mit einer CXM-Plattform im Zentrum. Solch eine Plattform bietet sämtliche oben genannten Funktionen für digitale Interaktionen beziehungsweise wirkt integrierend.
Eine CXM-Plattform ist Voraussetzung, um mit Kunden aufeinander aufbauende Dialoge über E-Mail, Web, Mobile und Social Media führen zu können. Und genau das ist heute im Automarketing gefordert, wie Branchenexperten wie BMW-Markenchef Steven Althaus bestätigen: „Es kann nicht sein, dass wir Insellösungen produzieren, die nur den Prinzipien des Marketings entsprechen, sondern unsere Lösungen müssen zur Kundenzufriedenheit beitragen.“ (absatzwirtschaft-Interview Ausgabe 10-2014)
Über den Autor:
Der ehemalige Microsoft-Manager Michael Hack ist seit 2013 Geschäftsführer von Sitecore in der DACH-Region. Sitecore ist der globale Marktführer für Content- und Customer Experience Management Software.