Herr Herrmann, als wir Sie für dieses Interview angefragt haben, waren Sie noch „Privatier“. Seit 1. November sind Sie neuer CEO bei Mövenpick Fine Foods. Gratulation. Wie glücklich macht Sie der Neustart in der Schweiz?
Ich freue mich sehr, wieder für eine tolle Marke aktiv zu sein. Die Spannung wieder zu spüren, wenn man mit und für eine Marke arbeitet. Ich habe das Jahr ohne Markenarbeit sehr genossen. Aber ich habe auch gemerkt, dass ich Lust habe, einfach nochmal für eine starke Marke an den Start zu gehen.
CEO bei Mövenpick Fine Foods ist nochmal ein ganz anderer Schnack als CMO bei Ritter Sport. Was haben Sie sich als erstes im neuen Job vorgenommen?
Zunächst einmal hat mich die Marke gereizt. Mövenpick ist eine Marke, die für viel steht, seit Jahren eine positive Entwicklung hat und viele Möglichkeiten für die Zukunft bietet. Ich glaube, das Wichtigste am Anfang ist immer zuhören, verstehen und nachdenken. Danach Ziele, Ideen und Pläne gemeinsam entwickeln und diskutieren. Und Drittens: Entscheiden und dann einfach machen. Wichtig ist genau diese Reihenfolge, und nicht das Machen vor dem Verstehen.
Der Marketingbranche noch gut im Gedächtnis ist Ihr ziemlich überraschender Abgang Ende 2018 als weltweiter CMO bei Ritter Sport. Offiziell war die Rede von einer „Straffung der Geschäftsführung“. Jetzt können Sie es ja sagen: Was genau war denn da los?
Unter uns: Der Grund war eine „Straffung der Geschäftsführung“. Nicht mehr und nicht weniger. Man wollte die komplette Vermarktung in eine Hand geben, um damit besser die Zukunft gestalten zu können. Ob dieses Modell für Ritter genauso erfolgreich ist wie das vorherige muss einfach die Zukunft zeigen.
Ritter Sport wollte vor allem international stärker wachsen. Warum hätte das denn mit Ihnen nicht geklappt?
Das ist eine gute Frage, die ich natürlich schwer beantworten kann. Man kann nur sagen, dass der internationale Umsatzanteil in der Zeit mit dem vorherigen Geschäftsführungsmodell von 25 Prozent auf nahezu 50 Prozent gewachsen ist.
Sie haben sich mit dem Neustart im Job ziemlich genau ein Jahr Zeit gelassen. Warum so lange?
Zum einen musste ich mich zuerst einmal „entschokoladisieren“. Zum anderen überlegt man genau, was man machen will. Und zum Dritten schaut man, was sich so ergibt. Und ruckzuck ist ein Jahr vorbei.
Es gibt Manager, die in solchen Pausen um die Welt reisen oder sich zum Zeitvertreib einen Porsche 911 kaufen. Was haben Sie denn in der Zwischenzeit so gemacht?
Zuerst etwas ganz anderes: Ich habe mir leider gleich am Anfang den Oberschenkel gebrochen und somit eine längere Reha machen müssen. Dies hat mich sozusagen entschleunigt und vier Monate lang einmal ganz anders beschäftigt. Dann war aber doch noch Zeit für eine spannende und schöne, vierwöchige Südafrikareise – ohne Krücken!
Sie sind jetzt 55 Jahre alt. Abgesehen vom neuen Job – welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Jahre ganz persönlich gesetzt?
Das zu machen, was ich bin, was mich antreibt und wo ich mich wohl fühle. Wichtig ist, sich selber und seinen Werten treu zu bleiben. Neugier, Offenheit, Verlässlichkeit, Menschlichkeit, Toleranz, Fairness und Umgang auf Augenhöhe im Großen wie im Kleinen bedeuten mir viel. Für mich hat sich dieser Kompass im Leben bisher bewährt, und daraus ergaben sich dann die richtigen Ziele – privat wie auch beruflich.
Steckbrief Jürgen Herrmann
Heutiger Job: CEO Mövenpick Fine Foods
Erster Job: LKW-Fahrer von 40 Tonner, um Baustellen mit Zement und Mörtel zu versorgen
Lebensmotto: Geh mit anderen so um, wie Du behandelt werden willst
Beste Entscheidung im Job bislang: Mit Marken eigene Wege zu gehen und Menschen dafür zu begeistern
Größtes Learning: Wenn man nur das macht, was andere machen oder was im Lehrbuch steht, wird man nicht erfolgreich sein