In einem Interview mit dem Musiker-Magazin Amazona haben Sie 2016 gesagt: „Meine Motivation für Erfolg waren immer Mädels. Ohne Mädels würde ich heute noch auf dem Baum sitzen und Bier trinken.“ Hat sich das inzwischen ein wenig gelegt?
Holger Jung: Im Gegenteil. Ich habe zu Hause vier Mädels: meine Ehefrau, zwei Töchter und ein Hundemädel. Das hält nicht nur mich, sondern auch meinen Sohn im (Gender-)Trab.
Heute investieren Sie in Start-ups wie Staffbook und Foodboom. Warum gerade diese beiden?
Weil ich an die Produktideen und -umsetzungen glaube, an die Gründer und Macher und an das Timing, was den Markt angeht.
In der Agenturszene ist derweil mächtig Bewegung. Berater und Digitale lassen die Muskeln spielen: Accenture kauft Kolle Rebbe, Reply kauft Elbkind. Sehen Sie darin langfristig eine Gefahr für Kreativagenturen?
Der Imagehöhepunkt der Werbeagenturen in den 80ern und Anfang der 90er-Jahre ist längst vorbei. Aber in Bewegung war die Agenturszene immer. Früher wurden Agenturen mit dem Argument verkauft, dass die zwingend notwendige Internationalisierung diesen Schritt einfordere – heute ist es eben die Digitalisierung.
Pushen oder ersticken digitale Möglichkeiten heute die Kreativität?
Sie fordern sie heraus, und sie fordern sie ein. Wir werden doch alle täglich verwöhnter, was unsere Unterhaltungsansprüche angeht. Damit sind klischeehafte Nullachtfünfzehn-Ideen und -Geschichten wirklich nur noch lächerlich und peinlich. Deshalb ist nicht nur die Technologiegläubigkeit derzeit die große Herausforderung für Kreativagenturen, sondern auch die Schrägheit, die Verspieltheit der Kommunikation auf digitalen Kanälen wie Youtube. Da ist neue kreative Konkurrenz entstanden.
Jüngst war zu lesen, dass Sie selbst in den sozialen Medien gar nicht stattfinden. Warum nicht?
Ich genieße mein zurückgezogenes Leben. Mir reicht die Whatsapp-Gruppe meiner Band, die ist lebendig genug.
Steckbrief: Holger Jung
Heutiger Job: Viele schöne Aufgaben
Erster Job: Aushilfsgärtner
Lebensmotto: „Nix aufschieben, immer gleich direkt ran“
Beste Entscheidung im Job bislang: Mit meinem Partner JvM zu gründen und meine Frau Inken zu heiraten.
Größtes Learning: Es ist so verdammt wichtig, durchzuhalten.
Sie wissen aber schon, dass auch Whatsapp zu den sozialen Medien zählt?
Also bitte, Hamburg ist doch nicht der Mond! Ich persönlich habe einfach keine Lust auf Selbstdarstellungsplattformen wie Facebook oder Instagram.
Wie steht es mit Alexa, Google Home und Co. – nutzen Sie digitale Sprachassisten und smarte Lautsprecher?
Noch waren meine Kinder nicht massiv genug, zumal mich ein zu hoher Komplexitätsgrad nervt. Allein schon unser Rasenroboter legt zu Hause oft genug unser Smart-Home-System lahm.
Können Sie in drei Sätzen sagen, was Sie von künstlicher Intelligenz im Marketing halten?
Warum in drei Sätzen? Wir sind ja schon dabei, KI im Marketing nutzbringend einzusetzen. Ob aber das, was wir als schöpferisches Vermögen ansehen, von Algorithmen übernommen werden kann? Wer weiß. Wenn nicht, ist das sicher auch ein Segen, was die Ersetzbarkeit von menschlicher Geisteskraft durch KI angeht.
Glauben Sie, dass KI jemals auch im schöpferischen Sinn kreativ werden kann?
Wenn es so wäre, hätte KI bis dahin die Welt und Gesellschaft insgesamt schon so sehr verändert, dass schöpferische Kreativität im Verständnis von Marketingkommunikation sicher unser geringstes Problem wäre. Aber davon ganz unabhängig: Ich persönlich baue fest darauf, dass ich im Alter genauso mobil sein werde wie jetzt, ohne altersbedingt die Umwelt zu gefährden. Denn ich freue mich auf das autonome Fahren – also KI im Positiven.
Sie sind vor wenigen Wochen 65 geworden. Bei allem Respekt: Wann genau fängt für Sie „im Alter“ an?
Ich habe mal gelesen: 75 ist das neue 65. Aber weil mir die Zahl zu abgegriffen erscheint, habe ich für mich beschlossen: Ich fange mit 78 vorsichtig an, alt zu werden. Aber nur ganz vorsichtig …