In Texas wird gerade eine im wahrsten Sinne fantastische Idee umgesetzt: eine Uhr, die 10.000 Jahre lang exakt die richtige Zeit anzeigen soll. Die „Clock of the Long Now“ verändert durch ihre schiere Existenz die Art und Weise, wie wir über unser Tun denken. Wie leben Menschen in 10.000 Jahren? Was denken sie darüber, wer und wie wir heute waren? Was steht wohl über „die Menschen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ in den Geschichtsbüchern dieser fernen Zukunft?
Na gut, Bücher gibt es dann vielleicht nicht mehr, also halten wir es technologieoffener: Informationsquellen. Allein nur darüber nachzudenken, lässt einen heute anders auf das Hier und Jetzt schauen und die Kurzsichtigkeit und Kurzfristigkeit wahrnehmen, mit der wir allerorts agieren.
Kurzfristiges Denken ist langfristig teurer
In einem Panel, auf dem wir vor kurzem einmal wieder mit Wissenschaftler*innen und Politiker*innen saßen, kam dies als ein maßgeblicher Grund für schlechte Nachhaltigkeitspolitik zur Sprache: Es wurde darüber gesprochen, dass für die Gemeinschaftsverpflegung in vielen öffentlichen Einrichtungen oft nicht das nachhaltigste, sondern das günstigste Angebot gewählt wird. Mit Blick auf die öffentlichen Kassen der Gegenwart eine scheinbar verantwortungsvolle Entscheidung. Mit Blick auf die öffentlichen Kassen der Zukunft jedoch offensichtlich halsbrecherisch, denn das heißt: weniger Gemüse, mehr Zucker und mehr Fleisch, noch dazu aus Massentierhaltung.
Wir müssen keine Zukunftsforscher*innen sein, um zu erkennen, dass eine solche Ernährung spätestens in ein paar Jahrzehnten kostentechnisch im Gesundheitssystem aufschlagen wird. Es zeichnet sich schließlich schon lange ab: mehr Diabetes, mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mehr Übergewicht. Von der planetaren Gesundheit haben wir an dieser Stelle noch gar nicht gesprochen.
Zeit als Faktor bei Entscheidungen mitdenken
Kurzfristiges Denken erleben wir nicht allein bei der Ernährung; politische Entscheidungen werden in den wenigsten Fällen getroffen unter der Prämisse ihrer in andere Bereiche (und Zeithorizonte!) ragenden Konsequenzen. Der Fehler liegt oft noch nicht einmal darin, dass wir die Kosten als maßgebliches Kriterium heranziehen, sondern darin, dass wir Zeit komplett außen vorlassen. Dadurch werden Handlungen und Maßnahmen nicht holistisch erfasst, obwohl sie weitreichend wirken. Wir wollen an dieser Stelle nicht die von vielen eingeforderte „Neudefinition des Wohlstands“ heraufbeschwören. Eigentlich wollen wir nur dazu aufrufen, Zeit in bestehende Entscheidungsprozesse einzubeziehen, um dann entsprechend zu handeln, und nicht weiter zuzusehen, wie sich scheinbar verantwortungsvolles Vorgehen auf lange Sicht in Harakiri-Aktionen verwandelt.
Dass das in 10.000 Jahren in den Bü… äh Informationsquellen steht, können wir natürlich nicht versprechen. Aber wenn’s uns Menschen dann noch gibt, ist das ja eigentlich auch egal.