Was kann KI im Influencer Marketing? 

Künstliche Intelligenz erobert das Influencer Marketing. Drei Agenturen und ein Softwareanbieter berichten, wo KI bei der Zusammenarbeit mit Influencer*innen schon heute unterstützen kann und wo (noch) nicht.
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Steht eine Kampagnenidee, können KI-Tools behilflich sein, die passenden Influencer*innen zu finden. (© Getty Images)

ChatGPT, Midjourney, Google Bard und Co.: Immer mehr KI-Tools halten Einzug in unsere Arbeitswelt. Denn KI verspricht, Automatisierungen zu beschleunigen und effizienter zu gestalten sowie Content mühelos zu kreieren. Gerade im Influencer Marketing ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz interessant. Auf der einen Seite ist die Arbeit mit Influencer*innen ein „People’s Business“. Auf der anderen Seite steht der Versuch, die Planung, Steuerung und Kontrolle von Kampagnen möglichst zu automatisieren. Wo also wird KI bisher erfolgreich eingesetzt und wo stößt sie (noch) an ihre Grenzen? 

„Generative KI wie ChatGPT kann schon bei der Ideenfindung für Kampagnen unterstützen, indem sie kundenspezifische Aspekte berücksichtigt und entsprechende Inhalte erstellt“, so Moritz Wasserek, Co-Founder und CEO bei Iroin, einem Erfurter Softwareanbieter von Lösungen im Bereich Influencer Marketing. Und Verena Letzner, Geschäftsführerin der Münchner Social-Media-Agentur Plan.Net Neo, sagt, dass KI vor allem in der Recherche- und Konzeptionsphase dabei helfe, effizienter zu arbeiten: „Wir sehen die KI als Enabler für unsere analytische, strategische und kreative Arbeit.“  

KI unterstützt bei Fraud und Social Listening 

Die Agentur Territory aus Hamburg setze im Daily Business bislang primär analytische KI ein, berichten Ramona Meier, bei Territory im Influencer Marketing verantwortlich für den operativen Bereich, und Karsten Hoffmann, verantwortlich für den KI- und Produktbereich. „Wir verwenden analytische KI beispielsweise für Social Listening. So können wir Trends, Inhalte und Stimmungslagen evaluieren und diese Erkenntnisse anschließend für die Konzept- und Strategieentwicklung nutzen.“ 

Steht die Kampagnenidee, gilt es, die passenden Influencer*innen auszuwählen. Auch dabei können KI-Tools behilflich sein. Sie sichten, analysieren und strukturieren große Datenmengen aus Social Media und anderen Online-Quellen und geben anschließend Empfehlungen ab. Die Analyse berücksichtigt unter anderem die Art des Contents, demografische Informationen, Follower-Zahlen und Engagement-Raten.  

„Außerdem können wir mithilfe von KI die Echtheit der Follower*innen überwachen und so die Qualität des Engagements bewerten“, sagt Wasserek. Deaktivierte oder inaktive Konten, Bots und gekaufte Follower*innen fallen dann aus der Bewertung heraus. Einen weiteren Aspekt nennt Maximilian Anzile, Geschäftsführer der Agentur Social Media Pirates aus München: „KI verhilft kleineren Influencer*innen, die bei der händischen Auswahl vielleicht nicht in Betracht gekommen wären, zu mehr Sichtbarkeit.“ 

Sind die passenden Influencer*innen gefunden, geht es ans Briefing – inklusive Moodboards. Diese helfen dabei, die Ästhetik einer Marke zu vermitteln und wofür sie steht. „Wir sehen große Fortschritte im Bereich der Bild-KI, etwa für das Erstellen von Moodboards, die die Influencer*innen inspirieren. Es sind seit kurzem auch Lösungen am Markt, die sich rechtssicher einsetzen lassen“, so Meier.  

Kreation bleibt Influencer*innen überlassen 

Entscheidet sich eine Agentur dafür, eine KI (unterstützend) zu nutzen, um Briefings zu erstellen, sei jedoch unbedingt darauf zu achten, dass es sich eben nur um einen groben Rahmen handelt, der vorgegeben wird, so Anzile. „Die kreative Umsetzung muss den Influencer*innen überlassen bleiben.“ Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die persönliche Note verloren geht und der Content von der Zielgruppe als unauthentisch wahrgenommen wird.  

„Influencer Business ist und bleibt ein People’s Business“, ergänzt Letzner. So könne KI zwar konzeptionelle Prozesse beschleunigen helfen, jedoch nicht den Dialog mit den Menschen ersetzen. „Um mit Influencer*innen auf Augenhöhe arbeiten zu können, müssen wir ihnen auch auf Augenhöhe begegnen.“  

Nach der Zusammenarbeit folgt das Reporting. Auch in diesem Bereich wird KI perspektivisch einen wesentlichen Teil der Arbeit übernehmen, da sind sich die drei Agenturvertreter*innen einig: „Operativ werden die Tools immer besser werden und das Reporting enorm erleichtern“, sagt Letzner. „Qualitative und quantitative Auswertungen der 

Ergebnisse von Influencer-Kooperationen können zukünftig durch KI erfolgen“, ist Meier überzeugt. „Allerdings“, so Anzile, „befinden wir uns hier aktuell noch in der Trial-and-Error-Phase.“ 

Es gibt noch viele Fragezeichen 

Generell steht die KI im Influencer Marketing noch am Anfang. Es gibt viel zu lernen – für die Technologien, aber auch für diejenigen, die sie anwenden. So kommt es bei der Arbeit mit KI zu einem wesentlichen Teil darauf an, wie präzise die Prompts, also die Anweisungen an die KI, formuliert sind. „Es ist wichtig, dass jede*r zumindest Basiskenntnisse zur Funktionsweise hat und auf grundlegende Prompting-Strategien zugreifen kann“, sagt Hoffmann. Darum haben sowohl Territory als auch Plan.Net Neo und Social Media Pirates entsprechende Schulungsformate für ihre Mitarbeitenden etabliert.  

Ebenfalls mit vielen Fragezeichen versehen sind die Themen Urheberrecht und Datenschutzbestimmungen. „Die Verarbeitung von Daten durch KI sollte ausschließlich unter Berücksichtigung dieser Bestimmungen erfolgen“, so Iroin-CEO Wasserek. Das Problem: Eine klare gesetzliche Regelung gibt es bislang noch nicht. Ein weiteres Problem stelle die Fehleranfälligkeit von KI dar, sagt er. „Influencer Marketing erfordert menschliche Intuition und Urteilsvermögen. KI kann unterstützen, aber es gibt weiterhin Grenzen in diesem Bereich.“ Es sei essenziell, die von KI erzeugten Ergebnisse zu prüfen und sie den individuellen Anforderungen entsprechend anzupassen, sagt auch Letzner. „Je nachdem, wie lange die Qualitätssicherung dauert, kann die Arbeit mit KI auch mehr Zeitaufwand bedeuten.“  

Finger weg von KI im Influencer Marketing? Nein. Stattdessen rät Hoffmann: „Räume zum Experimentieren schaffen und Orte, an denen Gelerntes dokumentiert und Erfahrungen ausgetauscht werden können.“ Für mehr Austausch plädiert auch Anzile. „Wenn wir diese ‚Du darfst nicht bei mir abschreiben‘-Mentalität beiseitelegen und unser Wissen teilen, haben wir am Ende alle was davon.“  

Jana Samsonova (jas, Jahrgang 1993) ist seit 2019 Autorin der absatzwirtschaft. Studiert hat sie Medienwissenschaften und Literatur, Kultur und Medien in Siegen, volontiert an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten im Museum, im Boxclub oder mit einem Set bunter Kunststoff-Klemmbausteine eines dänischen Spielwarenherstellers.