Doch was bedeutet Trading? Mediaagenturen kaufen Inventar von Medien auf eigene Rechnung ein, das sie dann mit einem Aufschlag an Werbungtreibende verkaufen. Das Modell kommt einem bekannt vor. Nämlich aus sämtlichen anderen Wirtschaftszweigen. Im Zusammenhang mit Mediaeinkäufen soll es aber schädlich sein. Was sind die klassischen Argumente?
- Mediapläne könnten schief werden, wenn nur Inventar verkauft wird, das die Mediaagenturen vorrätig haben (Abverkauf von eigener Lagerware),
- Das Verfahren ist intransparent, da die Rabatte, die dem Kunden zustehen sollen, nicht klar zugeschlüsselt werden können, und weil die Werbungtreibenden im Zweifel nicht erkennen, was sie an Werbeplätzen einkaufen,
- Mediaagenturen, die das Tradingmodell betreiben, üben Druck auf die Vermarkter aus, wenn nicht auch die gewünschten Tradingvolumina zur Verfügung gestellt werden.
Schiefe Mediapläne
Arbeiten wir die Argumente einmal ab. Natürlich ist es nicht effizient, wenn Geld in die falschen Medien fließt. Gerade die großen Konsumgüterhersteller müssen sehr genau allokieren und sparen Millionen Euro bei richtiger Auswahl und Aussteuerung der Medien. Genaue Pläne sind hier Pflicht. Bei mittelständischen Unternehmen stellt sich die Sache häufig allerdings anders da. So spielen für Betriebe im B-to-B-Sektor, die rund 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland ausmachen, andere Kriterien eine Rolle. Eine Abdeckung aller für sie relevanten Medien ist illusorisch. Vielmehr ist es für sie wichtig, in bestimmten Branchenmedien präsent zu sein, und zwar unter anderem auch aus Imagegründen. Die Mediapläne sind hier schon von Natur aus nicht ganz „grade“, denn wie gesagt, der Mix ist nicht ausgewogen und die Auswahl ist teils auch politisch motiviert. Auf der anderen Seite kommen Mittelständler beim Trading vielleicht sogar in den Genuss von Konditionen, die sonst nur die großen Werbungtreibenden hätten. Müssen also tatsächlich die Mittelständler geschützt werden vor diesem Geschäftsmodell?
Und gibt es, wenn es schiefe Mediapläne gibt, absolut korrekte Mediapläne, die völlig objektiv sind? Eines lässt sich ganz gewiss sagen: Nicht einmal im Journalismus gibt es Objektivität. Insofern jagt man möglicherweise bei den sogenannten „schiefen“ Mediaplänen einem Gespenst hinterher.
Aber eines ist auch klar: Wenn eine Agentur Unternehmen berät, welche die beste Mediastrategie ist, dann kann sie schlechterdings Inventar verkaufen. Das müsste aber, wenn man denn die strenge Lehre anwenden möchte, für jegliche Verkäufe gelten. Ein Finanzberater darf eigentlich auch keine Versicherungs- und Finanzprodukte verkaufen. Und wenn er es tut, dann kann man getrost davon ausgehen, dass er (leider) bestimmte Deals mit einzelnen Versicherungen hat. Zusammenfassend lässt sich daher sagen: Geschäftsmodelle, bei denen Geld aus zwei Richtungen kommt, sind immer von Übel.
Intransparenz
Insofern schließt es sich aus, dass ein Unternehmen, das über Produkte objektiv beraten soll auch mit diesen Gütern Handel treibt. Hier herrscht insbesondere im Mediageschäft (übrigens nicht weniger im Finanzgeschäft) Sorgfaltspflicht gegenüber dem Klienten. Daher heißt das Credo die Entkoppelung des Geschäfts von Beratung und Handel. Das heißt aber auch, dass Werbungtreibende selbst entscheiden können, für welches Modell sie sich entscheiden. Wenn wie geschehen, bedauert wird, dass für Unternehmen Trading reizvoll sein könnte, dann ist das die falsche Lesart. Es gibt im Einkauf von Media eben mehrere Möglichkeiten. Wenn Mediaagenturen in Vorleistung gehen und Inventar kaufen, dann verbietet sich die Transparenzdiskussion, da die Agentur ins Risiko geht. Kein Autokunde käme auf die Idee, den Händler zu fragen, wie viele Autos schon von einem bestimmten Modell gekauft wurden, um dann jeweils die Herausgabe der vom Hersteller eingeräumten Rabatte zu verlangen, da es ja der Käufer ist, der letztlich den Einkaufsvorteil ermöglicht hat. Wenn eine Agentur berät, dann sucht sie nach bestem Wissen und Gewissen nach der günstigsten Kombination von Medien. Wenn eine beratende Agentur allerdings dann auch den Einkauf regelt, müssen in diesem Falle auch die Rabatte an den Kunden gehen. Bezahlt werden muss hier – und zwar angemessen – die Beratungsleistung. Hier sticht das Argument transparenter Abrechnung.
Leider unterlaufen sich die Agenturen selber häufig in Preiskämpfen, so dass die Abrechnung der Beratungsleistung untergeht im Gesamtkonzept. Umso wichtiger ist es hier, dass die Werbungtreibenden selber aufrichtig sind und auf die Trennung bestehen, ganz einfach indem sie die Mediaagentur aussuchen, die die Trennung zwischen Beratung und Verkauf ernst nimmt. Das berührt in der Diskussion übrigens einen ganz wichtigen Punkt: Denn es kann keineswegs nur von den Mediaagenturen Ethik und Moral eingefordert werden. Auch die Werbungtreibenden haben ihren Beitrag zu leisten. In der Diskussion um die Nachhaltigkeit begegnet einem auch desöfteren das Phänomen: Endkunden fordern nachhaltige Produkte, gekauft wird aber das Billigste. Kurzum: Beide Marktpartner haben eine Verpflichtung zu Transparenz.
Ein anderes Argument ist, dass der Werbungtreibende beim Trading nicht sieht, was er genau einkauft („Trading-Bulk“). Das ist sicherlich richtig. Aber das ist der Preis, wenn man Dinge zu kleinerem Preis haben möchte. Die Konditionenverbesserung geht also einher mit einer Verschlechterung in der Kontrolle und im Durchgriff auf einzelne Inventare. Aber das muss nicht immer schlecht sein. Denn was will der Werbekunde? Er will Kommunikationsdruck aufbauen. Muss er dazu immer wissen, wie das erreicht wird? Voraussetzung ist natürlich, dass er sich darauf verlassen kann, in moralisch und ethisch sauberen Umfeldern zu erscheinen. Gerade kleinere Kunden haben nicht die Manpower, um jeden Werbeeuro nachzuvollziehen. Für Großkunden und Konzerne ergibt sich sicherlich eine andere Sicht auf die Dinge. Für sie ist Trading aber vielleicht auch nicht das Mittel der Wahl. Oder aber sie möchten eine Mischstrategie fahren. Denn es gibt sogar einige wenige Unternehmen, die können alle Werbeplätze gebrauchen, weil Sie nahezu in jeder Zielgruppe vertreten sind.
Vermarkter unter Druck
Beim dritten Argument geht es letztlich um Macht und Gegenmacht. Es wird befürchtet, dass die Mediaagenturen, die der Mittler zwischen Werbevermarktern und Werbungtreibenden sind, ihre Position ausnutzen, um zusätzlich Tradingvolumen von den Vermarktern loszueisen. Das kann eigentlich nur dann passieren, wenn die Vermarkter überschüssiges Inventar haben, also Restplätze. In diesem Falle können die Vermarkter sogar froh sein, dass es einen Markt dafür gibt. Denn damit ergibt sich eine weitere Vemarktung der Plätze ohne großes Risiko.
Laut Vermarktern gibt es diese Restplätze allerdings nicht. Das heißt, wenn es das Überangebot nicht gibt, können die Vermarkter auch nicht unter Druck geraten, da sie ein kostbares, knappes Gut verwalten. Die Vermarkter haben also alle Trümpfe in der Hand, da sie Herr der Werbezeiten und -plätze sind. Ohne sie kommen die Trader eigentlich nicht zum Zuge. Aber die Angst bleibt, dass Group M, der unangefochtene Marktführer unter den Media-Networks, einen Großeinkauf macht. Das heißt aber auch, dass es entweder doch Restplätze gibt oder eben das Inventar marktüblich bezahlt wird. In beiden Fällen ein Gewinn für die Vermarkter. Nun könnten Vermarkter einwenden, dass sie mit hochwertigen Plätzen im Wettbewerb stehen mit ihren eigenen „Tradingwerbeplätzen“. Das ist richtig. Aber entweder geht es um günstige Restplätze, damit werden sich anspruchsvolle Kunden, die Kampagnen selber steuern möchten und nicht auf Inventar, was gerade günstig eingekauft wurde, abgeben wollen. Oder es geht um hochwertiges Inventar, aber dann ist es sozusagen bei den Vermarktern schon bezahlt und senkt die „Lagerkosten“ und das Risiko, auf der Ware sitzen zu bleiben.
Was bleibt also vom Schreckgespenst des Trading? Die Trennung des Beratungsgeschäfts vom Mediaeinkauf ist notwendig. Werbungtreibende sind aber selber in der Verantwortung, die Agenturen zu prüfen, das bevorzugte Modell zu wählen und unmoralische Anbieter zu sanktionieren, es sei denn, Werbungtreibende selber sehen Vorteile in der Annahme unmoralischer Angebote. Und für die Vermarkter ergeben sich mehr Vor- als Nachteile. Restposten kommen unter den Hammer oder aber der Liquiditätsspielraum steigt, da Inventar im Voraus veräußert werden kann. Ein Risiko bleiben neue Märkte allemal.