Was Frauen bei Fahrzeugen wünschen

Ein Drittel aller Fahrzeughalter sind Frauen. Während sie sich mit dem technischen Modellangebot grundsätzlich zufrieden zeigen, zielen Verbesserungsvorschläge auf höhere Praktikabilität. Auch hinsichtlich der kommunikativen, sozialen Ansprache in Werbung, Verkauf und Werkstatt bleiben Wünsche offen. Prof. Dr. Doris Kortus-Schultes untersucht die Erwartungen der wachstumsstarken Zielgruppe.

Seit Herbst 2003 beschäftigen sich die Mitglieder im Kompetenzzentrum Frau und Auto an der Hochschule Niederrhein intensiv mit der Entwicklung von Marketingstrategien zur Erschließung wachstumsstarker Zielgruppen im Automobilsektor. Die Identifikation von Wertangeboten (Value Propositions) für Zielpersonen im Segment ‚Autofahrerinnen’ bildet einen der Untersuchungsschwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit.

Während zu Beginn der 80er Jahre nur 17 Prozent aller im Bestand geführten PKWs auf Frauen zugelassen waren, liegt der Anteil heute bei einem knappen Drittel aller PKW. Die steigende finanzielle Beweglichkeit vor allem der berufstätigen Frauen und ein immer höherer Anteil von Single-Haushalten führen nach Angaben des VDIK-Präsidenten Volker Lange (VDIK: Verband der Importeure von Kraftfahrzeugen) zu einem weiterhin steigenden Mobilitätsbedürfnis von Frauen.

Nach Daten des Kraftfahr-Bundesamtes belief sich Ende 2004 der Anteil der weiblichen Halter am Fahrzeugbestand auf insgesamt 30 Prozent. Somit gehört heute schon etwa jedes dritte Auto einer Frau, aber viel mehr Autos werden von Frauen gefahren. Auch bei den nicht-berufstätigen Frauen aller Altersklassen findet sich heute ein hohes Mobilitätsbewusstsein, das über die wachsende Zahl der Zweit- und Drittwagen bereits in der Vergangenheit zu einem stetig steigenden Anteil von Auto-Fahrerinnen auf den deutschen Straßen beigetragen hat.

Selbst in Fällen, in denen die Frauen nicht direkt als Käuferinnen des Fahrzeugs auftreten, haben sie großen Einfluss auf den Kaufentscheidungsprozess. Dieser Einfluss beschränkt sich keineswegs nur auf die Wahl der Chassi-Farbe oder die Textur der Sitzpolsterbezüge in der Familienkutsche. Frauen fahren beispielsweise sehr gern Cabrio oder aber auch Geländewagen, an denen sie u.a. die gute Übersichtlichkeit schätzen. Damit fördern auch sie das starke Wachstum sog. Nischenmodelle, das in der jüngeren Vergangenheit beobachtet werden konnte.

Abbildung 1: FAHRZEUGBESTAND. VERTEILUNG NACH ALTERSGRUPPEN WEIBLICHER AUTOHALTERINNEN

Die Altersverteilung der Fahrzeughalterinnen offenbart, dass Frauen aus der Generation der ‚Baby Boomer’ sowie die Frauen aus der ‚Generation Golf’ die höchsten Quoten im eigenen Fahrzeugbesitz aufweisen. Die ‚Best Agers’, das heisst die Generation der ‚Wirtschaftswunderkinder’ beziehungsweise der Frauen mit Geburtsjahrgängen im und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg nennen gleichermaßen wie die jungen Frauen unter 30 Jahren weniger häufig ein Auto ihr eigen. Auch eine steigende Quote im Führerscheinbesitz der Frauen belegt den Trend, dass der Kauf von Autos absehbar zu bundesdeutschen Selbstverständlichkeiten gehören wird.

Abbildung 2: ANTEIL FÜHRERSCHEINBESITZ IN MÄNNLICHEN UND WEIBLICHEN ALTERSGRUPPEN

Konsequenzen aus dem ‚Frauenindex’: Die Kundin wird Königin
Die nachfolgend vorgestellten Trends sind Ergebnisse einer Befragung von 1 223 Autofahrerinnen, die das Kompetenzzentrum Frau und Auto im Sommer vergangenen Jahres durchgeführte, um im Sinne eines Zufriedenheitsindexes einen sogenannten ‚Frauenindex’ abzuleiten. Die Untersuchung galt der Frage: Was sind die Werttreiber beim Autokauf von Autofahrerinnen (Werttreiber in den Attributen am und im Auto sowie in den Kommunikations- und Interaktionssituationen vor, während und nach Autokauf)?

Die Konzeption des Fragebogens erfolgte auf der Basis Fokusgruppen-Interviews mit Frauen aller Altersklassen, mit Mädchen und jungen Frauen im Alter von 15 bis 17 Jahren (‚interessierter Nachwuchs’), 18 bis 20 Jahren (‚Führerschein-Neulinge’), 24 bis 34 Jahren (‚mittendrin – gefordert durch Ansprüche in Beruf, Partnerschaft und gegebenenfalls Familie’) bis hin zu Frauen über 55 Jahren (‚Best Agers’). Neben Wissensfakten fragten die Moderatoren auch nach Gefühlen, Emotionen und Intuitionen. Sie provozierten kritische Stellungnahmen („Was klappt alles nicht am und im Auto?“) genauso wie positive Aspekte („Was sind die besonderen Nutzenaspekte und der Wert der angebotenen Produkte und Serviceleistungen?“). Schlussfolgerungen der Teilnehmerinnen rundeten Interviews ab. Anschließend befragten die Mitarbeiter des Kompetenzzentrums insgesamt 1 223 Autofahrerinnen aller Alters- und Berufsgruppen persönlich und schriftlich. In der Quotierung der zu Befragenden bezogen sie angestellte berufstätige Frauen (848 Frauen) und Selbstständige/Unternehmerinnen (160 Frauen) ebenso ein wie Mütter mit kleinen Kindern (Volles Nest I), Mütter mit Kindern ab Schulalter (Volles Nest II) oder sog. Migrantinnen. Als Kontrollgruppe im statistischen Sinne fungieren 44 Mitgliederinnen des Deutschen Damen Automobilclubs (DDAC, www.ddac.de), die in ihrer Freizeit Orientierungsfahrten oder Sicherheitstrainings mit ihren Autos unternehmen.

Unerwarteterweise haben so gut wie alle 1 223 befragten Frauen gern und spontan an der Befragung teilgenommen. Angesichts der ansonst anzutreffenden Zurückhaltung, wenn nicht gar Unwilligkeit an Befragungen teilzunehmen, verdient die Reaktion Beachtung. Die Akteure in der automobilen Wertschöpfungskette sollten die Reaktion der befragten Autofahrerinnen nicht übergehen. Belegt sie doch, dass alte Vorurteile nicht zutreffen: Frauen interessieren sich für Autos, und sie sehen Möglichkeiten, das Auto und vor allem den Autoverkauf und den Werkstattservice für sie zu verbessern.

In den statistischen Ergebnissen weniger überraschend ist das Resultat, dass die insgesamt 848 befragten berufstätigen Frauen im Sample ihr Auto besonders häufig benutzen. Dabei ist ihre Freude am Auto und die damit verbundene Mobilität deutlich höher als dies der Fall ist beispielsweise bei Frauen mit kleinen Kindern oder aber auch bei Frauen über 55 Jahre. Während mehr als jede dritte Frau mit Kindern das Auto als ‚Mittel zum Zweck’ ansieht, gibt sogar jede zehnte über 55 Jährige an, dass sie ungern Auto fährt beziehungsweise nur fährt, wenn es nicht anders geht. Die Baby Boomer-Generation von heute, die in wenigen Jahren in die Generation der über 55-Jährigen überwechseln wird, sieht dies schon ganz anders.

Auto-Fans sind in der Gruppe der DDAC-Mitglieder zu finden, das heisst Frauen, die die Beherrschung der automobilen Technik als Hobby betreiben. Diese Frauen kaufen regelmäßig neue Autos, entscheiden überwiegend allein über das gewählte Modell und trauen sich selbst eine deutlich höhere Kompetenz und ein sicheres Urteil zu, wenn man den Stellenwert einzelner Parameter mit denjenigen der übrigen befragten Autofahrerinnen vergleicht.

Selbst wenn die befragten Frauen in der Altersklasse ‚über 55 Jahre’ in der Regel nicht als Auto-Fans beschrieben werden können, zeigen sie doch eine Besonderheit: Ebenso wie die DDAC-Mitglieder treffen die über 55-Jährigen ihre Kaufentscheidung überproportional häufig selbst, das heisst sie wählen ihr Auto selbst aus und geben an, sich in ihrer Kaufentscheidung nicht beeinflussen zu lassen. Dieser Umstand erklärt sich daraus, dass Frauen in der Altersklasse ‚Silver Agers’ häufig in Single-Haushalten leben und Entscheidungen allein treffen (müssen), die sie zuvor mit ihrem Partner gemeinsam trafen. Anders sieht hingegen die Entscheidungssituation bei den 221 befragten Hausfrauen aus. Hier gab nur jede dritte an, dass sie die Kaufentscheidung für den jetzt von ihr gefahrenen Wagen selbst getroffen hat. Dies sollte jedoch keineswegs zum Fehlschluss verleiten, dass bei Paaren im Autohaus der weibliche Part vernachlässigbar sei!

Frappierende Fehlreaktionen dieser Art konnten im Rahmen von Mystery Shoppings, die im Dezember vergangenen Jahres durchgeführt wurden, belegt werden. Sie reichten von der Tatsache, dass nur ‚er’ durch den Autoverkäufer eine Visitenkarte erhielt, obwohl der Wagen explizit für ‚sie’ gekauft werden sollte bis hin zu folgendem Faux Pas: In der Testkaufsituation gab ‚er’ an, die Autofarbe schwarz zu bevorzugen, während ‚sie’ sich für silbermetallic aussprach. Das Wagen sollte wohlgemerkt für ‚sie’ gekauft werden. Ist es überraschend, dass der Autoverkäufer in die Computer-gestützte Fahrzeugkonfiguration die Farbe ‚schwarz’ eingab?

‚Soziales’ Informationsverhalten der Autokäuferinnen
Beachtenswert für Anbieter in der automobilen Wertschöpfungskette ist auf jeden Fall das ausgeprägt ‚soziale’ Informationsverhalten der Autokäuferinnen. Drei Viertel aller 1 223 befragten Frauen geben an, dass ihnen vor einem Autokauf Informationen von Familie, Freunden und Bekannten sehr wichtig und wichtig sind. Ausreißer: Nur knapp zwei Drittel der Frauen über 55 Jahre weist ihrem unmittelbaren familiären Umfeld einen vergleichbar hohen Einfluss auf die Kaufentscheidung für ein Auto zu, denn sie leben häufig allein und die Kinder sind weit weg. Der Autohändler kommt erst an zweiter Stelle, wenn die Wichtigkeit von Informationsquellen vor Autokauf statistisch ausgewertet und in eine Rangfolge gebracht wird.

Abbildung 3: KOMPONENTEN DER EINZELZUFRIEDENHEIT

Welche Bedeutung kommt der ermittelten ‚Wichtigkeit von Informationsquellen vor einem Auto-Kauf’ in der praktischen Umsetzung zu? Auf jeden Fall sollte sich Autoverkäufer und Servicemitarbeiter ihren Kundinnen gegenüber um einen respektvollen und vertrauenswürdigen Umgang bemühen. Denn ansonsten werden sie die Kundin nicht mehr wiedersehen. Zusätzlich ist damit zu rechnen, dass sie in ihrem Bekanntenkreis von ihren schlechten Erfahrungen mit dem betreffenden Anbieter berichten. Jeder mit der Materie fremde Leser wird ein entsprechendes Verhalten von Verkäufern und Servicepersonal für selbstverständlich halten. Dem stehen wiederum Ergebnisse aus Testkauf-Serien gegenüber: Die allein auftretende Interessentin wird in mehreren Autohäusern durch die anwesenden Verkäufer weder aktiv begrüßt noch nach ihren Wünschen befragt. Erst nach Initiative der Interessentin geben in mehreren Autohäusern die Verkäufer Informationen zu einem explizit von der Kundin genannten und sogar im Verkaufsraum vorhandenen Wunsch-Auto.

Eine Betrachtung der Attribute am oder im Auto, die Frauen sehr wichtig sind, zeigt ein nach Käuferinnen-Segmenten unterschiedliches Bild. Auch die Wichtigkeit von Garantie, Design und Geräumigkeit belegt, dass es die Standard-Autofahrerin nicht gibt, sondern dass die jeweilige Lebenssituation die Präferenzen prägt.

Abbildung 4: WAS IST DEN FRAUEN AM AUTO WICHTIG?

Die Ansprüche der Frauen an die Kommunikations- und Interaktionskompetenz sind hoch. Das belegt auch eine Fülle US-amerikanischer Untersuchungen, unter anderem zum Autokauf (vgl.: Martha Barletta: Marketing to Women, Dearborn Trade Publishing, Chicago, Ill., 2003; Paco Underhill: Warum kaufen wir? Die Psychologie des Konsums; Econ Verlag Berlin 2000) Auch die Ergebnisse der Untersuchung des Kompetenzzentrums Frau und Auto belegen eindrucksvoll, dass hier Schwerpunkte in der Gewinnung und Bindung weiblicher Kunden zu setzen sind.

Abbildung 5: WICHTIGKEIT VON GARANTIE, DESIGN UND GERÄUMIGKEIT

Eine Bewertung der Einzelzufriedenheiten nach Schulnoten-Schema wie sie mit dem Deutschen Kundenbarometer seit vielen Jahren geläufig ist, zeigt, dass weniger der Sachinhalt der Information Unzufriedenheit erzeugt, sondern ein von den befragten Frauen wahrgenommener Mangel an Respekt, Einfühlungsvermögen und Ehrlichkeit des Verkäufers. Daher ist das Vertrauen, das die Kundin glaubt, dem Verkäufer entgegenbringen zu können, nicht besonders hoch. Auf das Fehlen weiblichen Personals im Autohandel reagieren die befragten Frauen mit Unzufriedenheit.

LITERATUR

eingestellt am 25. Juli 2005