Wenn Sie in Somalia zur Welt kommen, schaffen Sie es nicht. Ob Sie in München-Bogenhausen in eine Industriellenfamilie hineingeboren werden oder in einen Slum in Rio de Janeiro, ist vollkommen zufällig. Wir können nicht alle reich und erfolgreich werden. Trotzdem hängen die meisten dieser
Illusion nach.
Erfolglose Menschen schreiben keine Bücher
Wenn Sie durch die Buchhandlung gehen, finden Sie unzählige Buchtitel wie: „Wie werde ich erfolgreich?“ Das Prinzip ist immer das gleiche: Meistens wird ein erfolgreicher Mensch vorgestellt, der bestimmte Eigenschaften hat. Mut, Risikobereitschaft, Fleiß, Optimismus. Daraus wird geschlossen: Wenn auch Sie diese Eigenschaften haben, läuft‘s. Leider steckt darin ein statistischer Denkfehler. Wir wissen nämlich nicht, wie viele Menschen ebenfalls Mut, Risikobereitschaft, Fleiß und Optimismus hatten und gescheitert sind. Und zwar aus einem einfachen Grund: Erfolglose
Menschen schreiben keine Bücher. Ich habe nachgeguckt: Bücher mit Titeln wie: „Warum ich’s nicht geschafft habe“, „Ich bin ein Loser“, „Trotz Einser-Abi in der Gosse“ suchen Sie bei Amazon vergeblich.
Natürlich hängt Erfolg von Fleiß, Mut und Können ab, aber eben auch in hohem Maße vom Zufall. In der Physik hat man das schon vor 100 Jahren
erkannt. In dieser Zeit wurde die Quantenmechanik entwickelt. Zur großen Verblüffung erkannte man, dass viele Mechanismen in der Natur auf Zufall
und Wahrscheinlichkeit basieren. Ein Beispiel: Wenn ich abends nach meiner Show in meinem Hotelzimmer gut gelaunt den Fernseher aus dem
Fenster werfe, dann tue ich das nicht, weil ich mit Drogen vollgepumpt bin, sondern, um die Newton’schen Bewegungsgesetze zu überprüfen. Wenn
ich Abwurfhöhe, Auswurfwinkel und Anfangsgeschwindigkeit kenne, kann ich ganz exakt berechnen, wo das Ding auf dem Parkplatz aufschlägt. Und da zahle ich auch gerne 19 Euro für die Mediennutzung. „Hatten Sie Pay-TV, Herr Ebert?“ „Nur ganz kurz.“
Viele Dinge sind per se nicht berechenbar
In der Welt der Elektronen sieht das vollkommen anders aus. Wenn Sie ein Elektron aus einem Hotelzimmerfenster werfen, ist es unmöglich zu bestimmen, wo genau es auf dem Parkplatz aufschlägt. Der Grund liegt in der Heisenberg’schen Unschärferelation: Wenn ich weiß, wo sich ein Elektron befindet, habe ich keine Chance herauszufinden, was es macht. Und wenn ich weiß, was es macht, habe ich keine Ahnung, wo es ist. Das ist im normalen Leben oft genauso. Angenommen, Sie fahren mit Ihrer Sekretärin zu einer Tagung nach Gütersloh. Dann weiß Ihre Frau zwar genau, wo Sie sind, aber sie hat keine Ahnung, was Sie da machen. Ein paar Wochen später findet sie an Ihrem Hemdkragen Lippenstift. In dem Moment weiß sie genau, was Sie gemacht haben, aber sie hat keinen blassen Schimmer, wo. Das ist Heisenberg’sche Unschärferelation. Der definitive Beweis, dass viele Dinge per se nicht berechenbar sind, weil sie auf Zufall basieren.
Und das gilt übrigens genauso für die seriösen Prognosen von nüchternen Quartalszahlen, auf die viele Manager schwören. Wir alle planen unsere Zukunft, indem wir uns die Vergangenheit ansehen, sie hochrechnen und das hochgerechnete Stück vorne wieder anflanschen. Wir sind Autofahrer, die nachts auf einer geraden Straße ohne Licht fahren. Und wir haben nur solange Glück, wie zufällig keine Kurve kommt.
Über den Autor: Vince Ebert ist Physiker und Kabarettist und mit seinem Bühnenprogramm „Freiheit ist alles“ deutschlandweit auf Tournee. Er ist auch Kolumnist der absatzwirtschaft. Tourdaten unter www.vince-ebert.de.