Zusammen mit der Unternehmensberatung McKinsey ermittelte absatzwirtschaft in der soeben vorgelegten Studie „State of Marketing 2024“, was die Marketingbranche aktuell bewegt. Dabei entstand das Bild einer Branche in Bewegung mit vielen bemerkenswerten Highlights. Aber auch mit einer Enttäuschung.
Alljährlich dürfen Branchenexperten kurz vor dem Jahreswechsel den neugierigen Fachmedien erzählen, welche Trends auf Marketing und Werbung zukommen. Und jedes Jahr erweisen sich solche Prognosen als nichtssagend, weil die meisten Protagonisten Themen in den Vordergrund stellen, die sie selbst geschäftlich bespielen. Anders ist das bei dieser Studie, für die 40 Nachwuchstalente und knapp 100 erfahrene Marketingverantwortliche befragt wurden.
Das Ergebnis ist eine Sensation. Die AutorInnen schreiben: „Nicht Nachhaltigkeit oder Social Media belegen die ersten Plätze im Ranking, sondern klassische Marketingkompetenzen wie Kreativität und Markenbildung, die wiederentdeckt und neu bespielt werden.“ Die Branche besinnt sich offenbar auf ihre alten Kerntugenden. Doch hinter der Studien-Fassade steckt noch weitaus mehr an Erkenntnissen.
Widerspruch zwischen Branding und Performance
„Kreativer Content“ und „Langfristige Markenbildung“, die mit Abstand auf den ersten beiden Plätzen landen, führen in aller Deutlichkeit vor, welche entscheidenden Themen in den letzten Jahren am stärksten vernachlässigt wurden: Kreation und Branding.
Marketingexperten weltweit schlagen seit Jahren Alarm, dass Markenbildung und Branding zugunsten von Performance Marketing regelrecht geopfert werden. Im gleichen Atemzug flossen Werbegelder aus klassischen, markenbildenden Medien ab und wurden umgeleitet in Performance-Maßnahmen wie Search und Social Media-Plattformen. Das Ausmaß dieses Shifts erweist sich nun als falsch.
Den eigentlichen Widerspruch erkennen wir bei Betrachtung des Kanalmixes, der es als reines Mediathema im Ranking erstaunlicherweise unter die Top 10 schaffte. Hier herrscht große Unzufriedenheit mit dem Status Quo. Man belegt zwar mehr Medien denn je, zeigt sich jedoch unsicher ob des Ergebnisses. Mediaagenturen müssen sich dem Vorwurf stellen, falsche Strategien entwickelt zu haben.
Während der Konsum digitaler Medien seit 2017 um 30 Prozent zunahm, steigerte man im gleichen Zeitraum die Investitionen in digitale Medien um mehr als das Doppelte: um 68 Prozent. Damit verringerte man sowohl Reichweite als auch Sichtbarkeit der Kampagnen und baute bewusst Investitionen in Markenbildung ab. Gleichzeitig wich die zuvor gefühlt höhere Kreativität der minderen Qualität von typischen Online-Werbemitteln. Mit alledem hat sich das Marketing, wie die Studie eindrucksvoll zeigt, einen Bärendienst erwiesen.
KI darf Nachhaltigkeit nicht verdrängen
Ein weiteres Ergebnis der Studie gibt Anlass zur Sorge. Themen wie datengetriebenes Marketing und GenAI liegen in den Top 10. Angesichts des aktuellen Hypes mag sich kein Marketer eine Blöße geben. Doch Nachhaltigkeit wird hierdurch als Thema aus den Top 10 verdrängt.
Das dürfen wir nicht zulassen. KI darf gerne die Nachhaltigkeit befruchten, aber in seiner Wichtigkeit nicht verdrängen. Ohne nachhaltiges Marketing, ohne nachhaltigere Werbung wird es eine Welt, in der unsere Marken gedeihen, in der heutigen Form nicht mehr geben. Das müssen wir an Herz und Hirn der EntscheiderInnen kommunizieren. Prosperierende Marken können nur in einer Welt existieren, in der es für die Menschen zu leben lohnt. Das Thema Nachhaltigkeit gehört deshalb dauerhaft in die Top 10, wenn nicht sogar auf Platz eins.
Dann profitieren Medien wie Audio, DOOH und auch deutsche Online-Publisher, die nicht nur geringere CO2-Emissionen als andere Medien verursachen, sondern sogar Reichweite und Sichtbarkeit unserer Kampagnen zu steigern vermögen. Das wiederrum kommt der Markenbildung zugute. Und so schließt sich der Kreis: So fördert Nachhaltigkeit die langfristige Markenbildung.
Über den Autor: Eine Ikone der Branche. Der Agenturgründer und frühere Starcom-Manager kennt in der Media-Branche alles und jeden. Thomas Koch ist Mr. Media.