Frau Schulz, alle reden plötzlich über Haltung. Hatten Unternehmen früher keine Haltung oder ist sie ihnen in den letzten Jahren abhandengekommen?
CHRISTIANE SCHULZ: Weder noch. Ich glaube, dass sich das gar nicht so stark geändert hat. Haltung hat man oder hat man nicht. Verändert hat sich jedoch, dass vor allem durch soziale Medien die Fehltritte von Unternehmen viel schneller ans Licht kommen und die öffentliche Forderung nach Haltung deshalb deutlich zugenommen hat.
Ihre drei Profi-Tipps: Was müssen Unternehmen tun, wenn sie plötzlich Haltung zeigen wollen?
Erstens: Auf keinen Fall versuchen, plötzlich Haltung zu zeigen. Das sollte das Ergebnis eines strategischen Prozesses sein. Zweitens: Sich auf Themen beziehen, die zum eigenen Unternehmenszweck passen. Drittens: Eine Haltung entwickeln, die von innen nach außen nachvollziehbar ist.
Und was sollten Unternehmen auf keinen Fall tun?
Sich auf Biegen und Brechen eine Haltung verordnen. Stattdessen: Sich bei gesellschaftlich relevanten Themen einbringen und vor allem die Anliegen der eigenen Mitarbeiter im Fokus haben. Aus dem Edelman Trust Barometer wissen wir: 85 Prozent aller Mitarbeiter in deutschen Unternehmen wollen, dass ihr CEO Stellung bezieht. Und zwar erstens zur künftigen Sicherstellung ihrer Jobs. Zweitens zu den Auswirkungen unternehmerischer Entscheidungen auf ihre Jobs und drittens zur Herstellung von Einkommensgleichheit.
Nicht gerade sehr uneigennützige Wünsche.
Erst an vierter und fünfter Stelle kommen die Themen Klimaschutz und Einsatz von Technologien im ethischen Kontext.
In Sachen Ethik stellen Sie Unternehmen aktuell ziemlich schlechte Noten aus. Sie sprechen sogar vom „unethischen Bereich“.
Das Trust Barometer untersucht und bewertet Kriterien auf einer Skala von −35 bis +35 Punkten. Beim Thema Ethik kommen Unternehmen in Deutschland derzeit nur auf −14 Punkte. Das würde ich tatsächlich mangelhaft nennen.
Was denken Sie: Woran liegt das?
Sicher haben einige der jüngsten Skandale dem Ansehen von Teilen der Wirtschaft sehr geschadet. Zudem müssen Unternehmen dringend transparenter, lauter und kontinuierlicher ihre Werte kommunizieren.
Als PR-Expertin müssen Sie das ja sagen.
Ich bin überzeugt, dass viele Unternehmen gerade bei ethischer Kommunikation viel zu bescheiden sind. Nach dem Motto: Dass wir ethisch handeln, ist doch normal. Das müssen wir nicht an die große Glocke hängen.
Und wie steht es um Ihre Zunft: PR-Agenturen haben ein echtes Nachwuchsproblem. Ist PR für junge Leute nicht mehr sexy?
Das Problem ist ein anderes. Unsere Branche wächst seit Jahren, muss sich aber – wie die meisten Branchen – mit dem massiven soziodemografischen Wandel auseinandersetzen. Hinzu kommt, dass PR-Agenturen als Arbeitgeber in den Medien tatsächlich nur sehr wenig vorkommen. Zum Teil vermutlich auch aus einer historischen „Feindschaft“ zu Journalisten heraus. Zum Teil aber auch, weil es für uns schlicht keine Rubriken in den Medien gibt.
PR-Business ist People Business. Mirko Kaminski etwa, Chef von Achtung!, sendet gefühlt 24/7 auf allen digitalen Kanälen. Sie hingegen sind deutlich zurückhaltender. Warum eigentlich?
Jeder Mensch ist anders. Meine Mission ist nicht Personal Branding. Das halte ich nicht für wichtig, um erfolgreich zu sein. Außerdem gibt es von mir seit Sommer 2019 monatlich etwas auf die Ohren – mit dem Podcast „Kommunikationscafé“ der GPRA.
Und sonst so?
Es nervt mich, dass … es auf Twitter häufig so respektlos zugeht.
Ich freue mich auf das … was kommt.
Die nächste Sau im Dorf heißt vermutlich … Purpose.
Nicht mehr hören kann ich … seitdem ich mit Schnupfen geflogen bin