Das Gespräch führten Georg Altrogge und Johannes Ceh
Ist spürbar, dass eine Veranstaltung wie Online Marketing Rockstars dem ADC etwas wegnimmt?
Stephan Vogel: OMR ist eine tolle Veranstaltung. Von der Speaker-Qualität sind beide hoch, etwa vergleichbar. Beim ADC muss man allerdings sehen: Wir sind ein eingetragener Verein und kein Business-Modell. Wir zahlen zum Beispiel für keinen Speaker. OMR scheint sehr schnell zu wachsen, aber auch das ADC-Festival ist gewachsen. Der Kongress läuft gut, wir haben ihn auf zwei Tage ausgedehnt.
Sind die Online Marketing Rockstars in manchen Aspekten für den ADC ein Vorbild?
Vogel: Man kann, gerade was den Business-Aspekt, die Vermarktung und die Professionalität angeht, mit Sicherheit von OMR lernen.
Arno Lindemann: Ich finde, was Philipp Westermeyer (OMR-Gründer, die Red.) gemacht hat, ist eine überragende Leistung. Weil er in eine Landschaft, in der es wirklich keine neuen Kongresse gebraucht hat, einen extrem erfolgreichen aufgebaut hat, nach der Devise: „Ich mache das. Und ich glaube daran, dass es funktioniert.“ Philipp zieht genau das durch, was sich andere Marketer wünschen. Und ist damit erfolgreich.
Auch Unternehmen wollen mit Werbung erfolgreich sein. Gibt es große Unterschiede, nach welchen Kriterien Agenturen ausgewählt werden?
Larissa Pohl: Ja, natürlich. Nach Referenzen, nach Empfehlungen, nach gelungenen Projekten in der Vergangenheit und auch nach persönlichem Eindruck. Der Effie kommt aus der Effektivität der Kommunikation und bewertet, wie sie funktioniert hat. Man merkt bei manchen Einreichungen, dass Kunden und Agentur zwar subjektiv begeistert sind, aber objektiv keine Zahlen bieten. Entweder weil sie sich schwer darin tun, den Erfolg selber messbar machen zu können, oder auch, für längst abgeschlossene Aktionen Zahlen zu veröffentlichen. Der Effie-
Wettbewerb versucht, eine Art von Messbarkeit oder Referenz zu schaffen und Kunden das Gefühl zu geben: Wenn du dich für eine Agentur entscheidest, bist du auf dem richtigen Weg.
Wenn ein Kunde „Sicherheit“ über Awards bekommen kann, wie erhält er diese dann im Tagesgeschäft mit regulären Arbeiten?
Pohl: Man merkt bei Kunden mehr und mehr den Wunsch nach Kollaboration. Kunden wollen keine Blackbox mehr, sondern wollen aktiv teilhaben in dem Prozess und wollen Teil des Prozesses werden. Teilweise gelingt das gut, und teilweise gelingt das eben nicht. Es ist immer die Frage, in welchen Teil des Prozesses sie sich einklinken wollen.
Lindemann: Es muss vom Kunden der Wille da sein: „Wir machen das gemeinsam.“ Nur dann geht das.
Norman Störl: Am besten gelingt es gleich am Anfang. Wenn du es schaffst, die aus dem Pitch rauszunehmen und zu sagen: „Mach mit uns einen Workshop, lass uns gemeinsam die Marke und Wege erkunden.“ Ich habe immer das Gefühl, dass die Ergebnisse besser und relevanter werden, wenn du es gemeinsam machst.
Gleichzeitig gibt es Agenturen, die klagen: „Wir pitchen uns zu Tode. Am Ende bleibt relativ wenig übrig.“
Lindemann: Wir müssen dahin kommen, dass Ideen wirklich etwas wert sind. Denn auch große Brands kokettieren damit: „Es gibt genau jetzt die Chance, bei einem WM-Spot dabei zu sein. Wir wollen 20 Vorschläge von euch. Zahlen nichts. Dafür seid ihr gegebenenfalls dabei.“ Da müssen wir sagen: Da mache ich nicht mit. Auch wenn es die Chance einer WM-Musik ist! Denn meine Chance ist 1:18, und wir müssen hart für diese arbeiten. Wir verschenken keine Arbeit.
Störl: Grundregel muss sein: Es wird nicht mehr umsonst gepitcht. Alles hat einen Wert. Es kann nicht sein, dass ein Kunde sechs bis acht Agenturen anschreibt, und dann zahlen sie nichts dafür. Kleinere Agenturen tun sich da schwerer, aber eigentlich müssen wir alle zusammenhalten und sagen: „Das kann es nicht sein.“
Pohl: Wir prüfen Anfragen klar danach, ob sich der Aufwand lohnt. Das Geld, das wir in einen Pitch stecken, das müssen wir ja irgendwo wieder rauskriegen. Und wenn wir keine verlässliche Größe bekommen, wie viel Etat ausgeschrieben ist und wie die Chancen zu gewinnen stehen, dann treten wir nicht an. Oder wir steigen auch im Prozess aus. Wir sind eine inhabergeführte Agentur, wir können nicht in irgendeine Vorleistung gehen und das über die nächsten Jahre abarbeiten, wir müssen unsere Mitarbeiter bezahlen.
Lindemann: Es gibt Kunden, die reisen durch Deutschland. Besuchen
15 Agenturen und nehmen davon immer noch 6 Agenturen den Pitch. Was für ein Wahnsinnsaufwand.
Störl: Sechs Agenturen ist ein Unding. Ein Pitch-Berater muss eine Vorauswahl treffen. Eine Pitch-Runde darf eigentlich maximal vier Teilnehmer beinhalten, und jeder muss wissen, wer sonst noch drin ist. Und es gibt keine Wildcards. Sonst denkst du, du pitchst gegen die zwei, und dann taucht aus dem Dunkeln irgendwie am letzten Tag noch irgendein anderer mit einer Wildcard auf, wo du dann das Gefühl hast: Okay, der steht dann auch in einer besonderen Beziehung zum Pitch-Berater. Mit mehr Transparenz würden für viele kleinere Agenturen viele Stunden einfach nicht anfallen.
Lindemann: Wir prüfen Teilnahmen nicht nur monetär, sondern auch: Ist das eine spannende Aufgabe? Erweitert das unseren Horizont? Ist das sinnvoll, ein sinnhaftes Produkt? Ist das ein netter Kunde? Bei einem mittelständischen Unternehmen, bei dem wir erkennen: „Da kann ich direkt mit den Entscheidern zusammenarbeiten und muss nicht durch diese Prozesse gehen.“ Das lohnt sich.
Was ist aus Ihrer Sicht der richtige Zeitpunkt für einen Kunden, die Agentur zu wechseln? Nach welchen Kriterien macht es Sinn, eine Aufgabe neu auszuschreiben?
Vogel: Kunden schreiben oft aus, wenn das Geschäft nicht mehr so läuft. Und das ist dann oft Symptom eines tiefer liegenden Markenproblems.
Aber ich stelle fest, dass viele Kunden nicht auf langfristige Agenturbeziehungen aus sind. Es geht eher Richtung Projektgeschäft.
Lindemann: Das Misstrauen ist leider oft größer als das Vertrauen.
Vogel: Deswegen gibt es fast nur noch Projektetats. Und Ausschreibungen mit sechs Agenturen.
Lindemann: Und deswegen hat der Einkauf auch in einigen Unternehmen so viel Macht und gibt dem Marketing vor: „Wir glauben, da können wir noch mal ein bisschen was sparen.“
Vogel: Da steht oft der monetäre Aspekt über dem strategischen und kreativen. Das Marketing sagt: „Wir wollen eigentlich diese Agentur, weil die uns überzeugt, inhaltlich.“ Dann zählt das nachher nichts, weil der Einkauf sagt: „Das ist uns aber egal, diese Agentur macht uns den günstigeren Preis.“
Lindemann: Und das Marketing sagt zum eigentlichen inhaltlichen Gewinner: „Tut uns leid, wir wollten euch haben, aber der Einkauf hat gesagt: Da Ihr nicht günstiger sein könnt, wird es leider nichts.“
Passend dazu: Was ist eigentlich künftig der schlaue und gewinnbringende Weg zum Kunden? Als auch zu den besten Mitarbeitern?
Lindemann: Ich glaube, am Ende ist es Haltung, die gewinnt. Wenn du eine Haltung hast, musst du natürlich einen langen Atem haben und sagen: „Okay, das mache ich, das mache ich nicht.“ Es gibt zum Beispiel auch Kunden, für die wir nicht arbeiten würden. Also allein vom Produkt her. Und wir haben uns auch schon von großen, namenhaften Kunden verabschiedet. Das Problem ist ja, wenn du immer Mainstream gehst und immer weich wirst, dann kriegst du auch nur weiche Kunden.
Störl: Ich glaube, du musst einfach gute Arbeit machen. So simpel das klingt. Bei uns rufen Unternehmen an, weil Sie ein Plakat von Fritz-Kola gesehen haben und sich fragen: „Wer hat das denn gemacht? Den wollen wir mal kennenlernen.“ Auch gute Mitarbeiter kommen wegen guten Arbeiten. Die müssen doch acht Stunden hier verbringen. Das muss denen doch Spaß machen. Simpel.
Pohl: Wir haben in unserer Branche ein Riesen-Asset, das wir gar nicht hoch genug spielen können und gut genug kommunizieren können: die Kreativität und die kreative Kultur. Wir lösen mit unserer Kreativität Probleme, die ein Kunde selbst nicht lösen kann. Diese Kreativkultur ist auch ein Unterschied zu fast allen anderen Arbeitgebern, mit denen wir um Talent konkurrieren. Das Arbeiten ist völlig anders. Viele Kunden beneiden uns um diese Kultur so, wie Konzerne die Start-ups um ihre Innovationskultur beneiden.
Den ersten Teil lesen Sie hier nach.