Was Camaco und Watson bezahlt haben

Ein mögliches Ende der Beweisaufnahme im Ruzicka-Prozess ist wohl in weite Ferne gerückt. Am Mittwoch ließ Aleksander Ruzicka 16 neue Beweisanträge vorlegen. Ruzicka legt nun auch in der Hauptverhandlung offen, was seine Firmen Camaco und Watson organisiert und bezahlt haben. Dabei mangelt es nicht an pikanten Einblicken in den Umgang mit Werbekunden. Ruzicka will weiter beweisen, dass es für jede einzelne Rechnung von Emerson FF eine Freigabe durch die Kunden gegeben hat. Weiter wurde bekannt, dass Aegis Media in Kenntnis der selbst erhobenen Vorwürfe mit Ruzicka eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen hat, wonach ihm insgesamt 4,1 Millionen Euro gezahlt werden. Beide Parteien hatten sich per 10.Oktober 2006 einvernehmlich voneinander getrennt.

Neben vielen Beweisanträgen aus prozessualen Gründen sticht ein wuchtiger Beweisantrag heraus. Aleksander Ruzicka legt erstmals in der Hauptverhandlung offen, was seine Firmen Camaco und Watson konkret geleistet und bezahlt haben sollen. Allem voran sollen seine Firmen rund 20 Millionen Euro Steuern bezahlt haben. Die diesbezüglichen Abrechnungen wurden im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens beschlagnahmt. Offenbar wurde der Verbleib von 40 Prozent des angeblichen Schadens in Höhe von 51,2 Millionen Euro bis heute nicht von Amts wegen überprüft. In der Anklage ist von einem Geldfluss in die Privatsphäre der Angeklagten die Rede.

Aleksander Ruzicka ließ eine penible Auflistung der angeblichen Aktivitäten seiner Firmen Camaco und Watson vortragen. Diese sollen durch Aufbau und Nutzung eines Beziehungsgeflechtes aktiv zur Neugeschäftsgewinnung und Kundenpflege von Aegis Media beigetragen haben. Ruzicka will beweisen, dass die in den Fällen 39 bis 83 der Anklage geflossenen Gelder ausschließlich im Unternehmensinteresse von Aegis Media eingesetzt wurden. Dazu ließ er Businesspläne der Jahre 2003 bis 2006 vorlegen, aus denen sich die definierten Neugeschäftskunden ergeben sollen. Um diese Kunden zu einer Ausschreibung ihrer Media-Etats zu bewegen, einem Pitch, seien zweckgebundene Maßnahmen eingesetzt worden. Die Kosten dafür sollen von Ruzickas Firmen Camaco und Watson bezahlt worden sein. Angeblich soll sich in den Businessplänen von Aegis Media der Punkt „Costs to FF“ befinden. Die angeblich veruntreuten Gelder sind über Emerson FF zu externen Drittfirmen geflossen.

Insgesamt werden 32 Markenartikelunternehmen genannt. Deren Repräsentanten, Berater, Marketingleiter und Geschäftsführer seien zu verschiedensten Aktivitäten eingeladen worden, um dabei Kontaktpflege zu betreiben und in weiterer Folge „Pitches“ zu provozieren. Dazu gehören Jagden in England, Deutschland, Österreich und Ungarn, Einladungen zu Motorsportveranstaltungen wie Formel 1 und DTM, Sommerfeste, Safaris und Winterfeste in Südafrika, Musikfestivals, Opern, Wiener Opernball, Schiffstörns und Kaminabende. Penibel lässt Ruzicka auflisten, zu welchem Zweck zunächst 22 Personen derart umsorgt wurden.

So soll der Marketingleiter eines Automobilherstellers regelmäßig auf einen Polo-Hof eingeladen worden sein, um dort die Betreuung einer weiteren Automobilmarke trotz Ausschlussklausel zu erörtern. Infolge dessen habe man die Gründung einer externen Firma zu diesem Zweck beschlossen. Vertreter eines Produzenten von Milchprodukten sollen zwecks Pitchvorbereitung in Ungarn und Südafrika sowie zur Etatverteidigung in Deutschland auf das Safari-Gelände in Südafrika geladen worden sein. Ein Marketingentscheider derselben Firma sei zudem zum Wiener Opernball, zu Fußballspielen und Konzerten eingeladen worden. Sogenannte Meinungs-Multiplikatoren sollen besonders gepflegt worden sein. Ziel soll es gewesen sein, potentiellen Kunden positive Erfahrungen mit Aegis Media näher zu bringen, wie zum Beispiel mit mehreren Vertretern eines großen Elektronikmarktes. Mit Unterstützung von Medienvertretern sei man dafür nach Kapstadt gereist. Querverbindungen zwischen Personen, die für Konzerne mit mehreren Marken arbeiteten, seien ebenso intensiv genutzt worden. So zum Beispiel bei einer Kaufhauskette und einem Versandhaus. Für Kunden mit besonders attraktiven Etats sollen sogar Klausurtagungen auf dem Gelände in Südafrika abgehalten worden sein. Der Marketingchef eines Unternehmens für Cerealien sei zudem mehrfach nach Kapstadt eingeladen worden. Infolge dessen sei der Mediaetat verteidigt sowie ein Pitch in Südafrika ausgelöst und gewonnen worden. Auch der Marketingleiter einer Fastfood-Kette soll regelmäßig mit Einladungen zu Festen in München, Rottach oder Wiesbaden versorgt worden sein. Die Betreuung einer zweiten Fastfood-Kette mit Konkurrenzausschlussklausel durch Aegis Media soll dabei erörtert worden sein.

Auch der Kontakt zu Wettbewerbern von Aegis Media sei gepflegt worden. So zum Beispiel zu einer anderen Mediaagentur in Düsseldorf. Gegenseitige Einladungen zu Winterfesten in Südafrika, zu Sommerfesten in Wiesbaden, zu Kaminabenden oder Chill-Outs sollen einen angenehmen persönlichen Kontakt ermöglicht haben. Durch den dadurch intensivierten Informationsaustausch sollen Kenntnisse über Abläufe und Konditionen gewonnen worden sein. Nachdem Aegis Media einen Mobilfunkanbieter nicht mehr habe betreuen können, sei dieser zu dieser anderen Mediaagentur gewechselt. Jedoch wurde er im „Pitch“ zu solchen Konditionen getrieben, so dass die andere Mediaagentur ihre eigenen Freispotkontingente fast ausschließlich für diesen Kunden einsetzen musste. Bei weiteren „Pitches“ hätten diese Freispots nicht mehr gegen Aegis Media eingesetzt werden können. Zudem sei der Etat des Mobilfunkbetreibers in Südafrika und Ungarn verteidigt worden, so Ruzicka. Die gewonnenen Informationen über Wettbewerber und Kunde seien Grundlage dafür gewesen.

Die Kosten für diese Aktivitäten sollen Ruzickas Firmen Camaco und Watson gezahlt haben. Zu diesen Kosten sollen auch finanzielle Unterstützungen für Projekte von Angehörigen von Entscheidern gehört haben. Daher halten Prozessbeobachter die Verdachtsmomente von aktiver und passiver Bestechung im geschäftlichen Verkehr oder aber verbotene Geschenkannahme für möglich. Es sei denn, bei Werbekunden sind derartige Zuwendungen ein übliches Maß und daher verhältnismäßig. Ruzicka ließ beantragen, insgesamt 22 namhafte Entscheider der Werbewirtschaft als Zeugen zu laden. Sie mögen die Existenz sowie Sinn und Zweck der erfolgten Umsorgung bestätigen. Aegis Media steht auf dem Standpunkt, dass dies das Privatvergnügen ihres damaligen CEO Aleksander Ruzicka war, das er mit veruntreutem Geld bezahlt hat.

Staatsanwalt Wolf Jördens wollte zunächst keine Erklärung abgeben. Er rügte jedoch, dass ein Beweisantrag über die Verwendung der abgeflossenen Gelder zu den – seiner Meinung nach – Schein- und Tarnfirmen erst jetzt gestellt wird. Aleksander Ruzicka hatte sich bereits bei seiner ersten polizeilichen Einlassung vor zwei Jahren ähnlich detailliert geäußert.

Ein weiterer Beweisantrag sorgte ebenfalls für Aufmerksamkeit. Aleksander Ruzicka will beweisen, dass für jede einzelne Rechnung von Emerson FF eine schriftliche Freigabe (Approval) durch den jeweiligen Kunden erfolgt ist. Ohne die Rechnungen von Emerson FF wäre das Geld nie im Monatsvoraus bei den Kunden abgerufen worden, argumentiert Ruzicka. Aegis Media habe damit einen zweckgebundenen Auftrag gehabt, die Rechnungen von Emerson FF zu bezahlen. Ruzickas Anwalt Marcus Traut bezieht sich auf die Aussage von Aegis Media CEO Andreas Bölte. Laut Traut hatte Bölte am 4.August 2008 vor Gericht eingeräumt, dass Aegis Media für jeden Einzelfall der über Emerson FF geflossenen Gelder im Rahmen einer internen Untersuchung eine Freigabe der Kunden in Form eines Mails, eines Faxes oder eines schriftlichen Vermerkes aufgefunden hat.

Das Gericht ist bislang der Meinung, dass die abgeflossenen Gelder ohne die Rechnungen von Emerson FF bei Aegis Media verblieben wären. Ruzickas Verteidiger widersprechen dem: Ohne die Rechnungen von Emerson FF wären die Gelder gar nicht zu Aegis Media gekommen, da die Kunden diese Zahlungen nicht geleistet hätten. Da die Gelder vertragsgemäß und vollständig vom Kunden zu Emerson FF geflossen sein sollen, habe keine Änderung des Vermögens von Aegis Media stattgefunden. Im Regelfall gäbe es nie eine direkte Verhandlung zwischen Werbekunde und Medienanbieter. So auch hier nicht zwischen Kunden und Emerson FF. Eine Beeinträchtigung des Vermögens oder eine Untreue sei demnach gar nicht möglich, argumentiert Traut.

Im Zuge eines weiteren Beweisantrages wurde bekannt, dass sich Aegis Media per 10.Oktober 2006 mittels Aufhebungsvereinbarung einvernehmlich von Aleksander Ruzicka getrennt hat. Trotz Kenntnis der selbst erhobenen Vorwürfe sollte ihm eine Entschädigung von 1,8 Millionen Euro gezahlt werden. Hinzu kam die Möglichkeit der Kapitalisierung von Aktienoptionen im Wert von 2,3 Millionen Euro. Diese Vereinbarung wurde einen Monat nach den Hausdurchsuchungen und zwei Wochen vor Ruzickas Verhaftung unterzeichnet. Zu diesem Zeitpunkt war nicht bekannt, woher die als anonym getarnte Strafanzeige gegen Ruzicka stammt. Inzwischen hatte Ruzicka erklärt, dass er zu den Vorwürfen nicht schweigen wird. Im Januar 2007 soll ein Aegis-Anwalt diese Vereinbarung wegen arglistiger Täuschung angefochten haben. Derselbe Aegis-Anwalt, der rund zwei Jahre zuvor mit Andreas Bölte und Hans-Henning Ihlefeld die Anzeige gegen Ruzicka initiiert hatte. Darin waren die Abläufe der Zahlungsflüsse und Namen von Ruzickas Firmen bereits genannt.

Die 6.Strafkammer unter Vorsitz von Richter Jürgen Bonk verwehrte sich gegen die Kritik von Ruzickas Verteidiger Traut, dass die Kammer nicht ernsthaft an einer Aufklärung der gesamten Vorwürfe interessiert sei. Der Grund der Geldflüsse über Emerson FF sei nach einem Prozessjahr ebenso wenig erörtert worden, wie der Verwendungszweck und der Verbleib der 51,2 Millionen Euro. Umso genauer verfolgen Prozessbeobachter den Umgang mit den Beweisanträgen zu diesen Themen. Das Gericht wird die Hauptverhandlung am 9.März fortsetzen. Die Kammer kann dabei die Beweisaufnahme beenden und alle Beweisanträge abweisen. Da dies Gründe für eine Revision liefern könnte, rechnen Prozessbeobachter mit einer schrittweisen Behandlung der Beweisanträge. Ein Prozessende wäre dann jedoch erst in mehreren Monaten möglich.
mz