Vor zwei Jahren präsentierte Bahlsen das komplette Redesign der Marke. Dazu erklärte der damalige Unternehmenschef Phil Rumbol: „Wir brechen absichtlich die Regeln des Verpackungsdesigns.“
Nur die Folgen dieses Regelbruchs dürften anders als erwartet ausgefallen sein. Dazu vermeldete aktuell eine deutsche Fachzeitschrift: „Bahlsen bringt ein neues Verpackungsdesign auf den Markt. Seit einem Relaunch 2021 kämpft der Süßwarenhersteller mit Rückgängen. Nun soll die erneute Repositionierung der Marke zum Befreiungsschlag werden.“
Die richtige Basis wählen
Wenn eine Marke einmal vom Kurs abgekommen ist, ist eine Repositionierung oder ein Redesign alles andere als einfach. Bei vielen Marken beginnt dann eine endlose Geschichte an Veränderungen, ohne jemals wieder wirklich eine starke Richtung zu finden. Diese Herausforderung brachte Bahlsen-CEO Alexander Kühnen in einem Interview so auf den Punkt: „Es ist nicht die Lösung, einfach zurück zur alten Verpackung zu gehen. Man kann auch keine Kleinmodifikation am derzeitigen Design vornehmen: einfach drei Nüsse mehr abbilden und das war’s. Das wird nicht funktionieren.“ Erschwerend kommt noch hinzu, dass die aktuelle Optik, wie auch Kühnen klarstellte, zu wenig Genuss-Faktor hat.
Genau hier könnte Bahlsen von Tropicana lernen. Über Jahrzehnte hob sich die Verpackung dieser Orangensaftmarke durch die Orange mit dem Strohhalm perfekt am Point of Sale vom Umfeld ab. Dann entschied sich die Mutter PepsiCo, die Marke moderner zu positionieren. Mit diesem Ansatz wurde auch das Verpackungsdesign radikal verändert, um ganz auf den Strohhalm zu verzichten.
Damit verlor Tropicana nicht nur die visuelle Positionierung und Wiedererkennbarkeit, sondern auch die gelernte verbale Positionierung, dass der Saft nicht aus Konzentrat, sondern aus Direktsaft gemacht wird. Die Folge: In gerade einmal zwei Monaten fiel der Umsatz um 20 Prozent. Die weitere Folge: Die Markenverantwortliche sahen sich gezwungen, erneut auf ein neues Design zu setzen. Dabei ignorierten sie bewusst das bestehende Design, um das neue Design aus dem Urdesign abzuleiten. So wurde die Marke nicht nur moderner, auch der Strohhalm in der Orange als Key-Visual feierte ein Comeback.
Hier könnte auch Bahlsen überlegen, das erneute Redesign vom früheren Design abzuleiten, um ganz bewusst das Redesign von 2021 auszuklammern. Hier haben starke Marken wie Bahlsen einen enormen Vorteil, weil das Design vor 2021 mit Sicherheit noch im kollektiven Gedächtnis abgespeichert ist.
Die richtige Inszenierung wählen
Die Marketingverantwortlichen bei Bahlsen könnten aber auch einen Schritt weitergehen, um das erneute Redsign gekonnt zu zelebrieren. Ein gutes Vorbild dafür wäre Nivea. Dazu müssen wir uns ins Jahr 2010 zurückbegeben. Damals schrieb die „Financial Times Deutschland“: „Pflege-Fall Nivea: Eigentlich war Beiersdorf immer der Streber der Kosmetikbranche. Doch mit ihrer Flagschiffmarke haben sich die Hamburger gründlich verzettelt. Nun steuern sie gegen – und wollen zurück zu den Wurzeln.“ So musste Nivea erkennen, dass die Marke das Konzept „Schönheitspflege“ nicht mehr trägt.
Also startete das Unternehmen einen Prozess zur Repositionierung der Marke, der auf drei zentralen Säulen basierte:
- Die verbale Repositionierung: Die Verantwortlichen fokussierten sich wieder auf den Kernwert „Pflege“ und ließen die „Schönheitspflege“ sanft einschlafen.
- Die visuelle Repositionierung: Das Verpackungsdesign wurde überarbeitet, um auch am Point of Sale wieder stärker wahrgenommen zu werden. Die berühmte blaue Dose wurde zum Logo und zentralen Verpackungselement.
- Das Timing: Ganz entscheidend dabei war aber, das Ganze perfekt in das damalige 100-Jahre-Markenjubiläum zu integrieren. Damit schuf Beiersdorf die perfekte Inszenierungsbühne für die Repositionierung.
Repositionierung als Prozess sehen
Auch wenn bei Bahlsen aktuell kein Jubiläum ansteht, sollten sich die Marketing-Entscheider*innen eine perfekte Dramaturgie überlegen. Sie könnten das erneute Redesign etwa mit einem Leadprodukt starten und dann schrittweise einführen. Viele Marken zerstören selbst ihr Inszenierungs- und Dramatisierungspotenzial, weil sie alles auf einmal machen wollen.
Fazit: Bahlsen steht vor der großen Herausforderung, die Marke neu verbal und visuell zu positionieren. Dabei sollten die Verantwortlichen unbedingt im kollektiven Gedächtnis der Kundschaft starten. Im Idealfall sehen sie diese Repositionierung nicht als eine Art „mentales Überfallskommando“, sondern als einen Prozess, um die Marke Schritt für Schritt neu zu inszenieren und zu dramatisieren.