Ein Kommentar
Volkswagen steht nun seit einer Woche unter Dauerbeschuss und ein Ende ist nicht in Sicht. Das eigentlich Erstaunliche dabei: Die Bevölkerung und Autofahrer wissen schon seit langem, dass die Werte nur unter idealisierten Testbedingungen aufgehübscht wurden, was wir ebenso schulterzuckend zur Kenntnis nehmen. Der Betrug ist also schon längst bekannt. Die Empörung ist in Teilen daher scheinheilig.
Doch gedeckt durch die US-Umweltbehörde macht sich jetzt eine Empörungswelle breit, die geradezu genüßlich das Vorzeigeunterhemen VW an den Pranger stellt. Unbenommen bleibt: Volkswagen hat geschönte Abgaswerte angegeben. An dieser Stelle sei daher nochmal gesagt: Das Verhalten ist nicht zu tolerieren und muss zu Konsequenzen führen! Es ist richtig, dass VW-Chef Martin Winterkorn seinen Posten räumen musste. Und es ist noch viel wichtiger, dass sich der Autokonzern nun von Grund auf reformiert. Doch am Ende reden wir über geschönte Abgaswerte und nicht etwa über Airbags die nicht funktionieren wie 2012 und 2014 bei General Motors. Wir reden nicht mehr über versagte Bremssysteme oder defekte Zündschlösser, die zu zahlreichen Todesfällen geführt haben. Wir erinnern uns:
General Motors und die Pannenserie
Die Opel-Mutter General Motors gab bekannt, den nächsten Rückruf wegen fehlerhafter Airbags vorzubereiten. Es bestehe die Gefahr, dass der Fahrer-Airbag bei einem Unfall nicht ausgelöst werde. Das war 2014. Auch 2012 musste der Konzern Autos wegen Airbag-Problemen zurückgerufen. Doch im Mittelpunkt der Pannenserie stand ein Zündschloss-Defekt. Dieser war seit Jahren im Unternehmen bekannt. Das Endresultat: General Motors räumte im Juli 2015 ein, dass mindestens 124 Menschen wegen defekter Zündschlösser in den Fahrzeugen des Konzerns gestorben sind. Und natürlich muss auch General Motors für diesen schweren Fehler geradestehen. Schon bis Ende März hatte der Autobauer 200 Millionen Euro in den Fonds eingezahlt. Der Autokonzern rechnet aber damit insgesamt bis zu 600 Millionen Euro Schadensersatz zu zahlen. Erstaunlich war herbei, dass die Diskussion zumindest hier in Deutschland relativ unaufgeregt geführt wurde, obwohl Menschenleben zu beklagen waren.
Wem also bringt der Schaden an VW etwas?
Warum ist also die Aufregung nun so groß? Für die deutsche Wirtschaft und die deutsche Automobil-Industrie ist VW wichtig. Ein deutsches Unternehmen mit einem guten Ruf im Ausland. „Made in Germany“ gilt noch etwas. Wir Deutschen sind die Zuverlässigen, insofern sind wir selber ein wenig betroffen, über das Ausmaß des Vertrauensmißbrauchs. Aber tun wir gut daran, uns und VW derart zu zerfleischen? Und haben die USA vielleicht ein Interesse daran, diesen Fall hochzukochen? In einem Kommentar von Caspar Busse in der SZ, hält der fest, dass sich Amerika wie die Weltpolizei platziert: „Trotzdem besteht immer auch der Verdacht, dass die USA das harte Vorgehen auch zum Schutz der eigenen Wirtschaft einsetzen könnten, als eine moderne Form des Protektionismus also. Werden US-Konzerne mit der selben Strenge behandelt und geprüft wie deren ausländische Konkurrenten? Bleiben die oft intimen Kenntnisse der US-Ermittler, die diese beim Durchforsten der Unternehmen gewinnen, wirklich geheim oder kann die US-Wirtschaft profitieren? Landen vertrauliche VW-Daten bei der US-Konkurrenz?“
Ein spannende Sichtweise. Wie gesagt: Betrügereien sollten geahndet werden. Aber wir sollten auf keinen Fall dafür sorgen, dass ein Konzern kaputt geht, der 600.000 Mitarbeiter beschäftigt. Im ersten Quartal 2015 übernahm VW in seinen deutschen Werken alle Leiharbeiter in eine Festanstellung. Nun ist die VW Aktie um 40% gesunken. Versuchen wir doch lieber ab jetzt umzuschalten und das Ansehen der deutschen Automobilindustrie zu retten. Oder um es mit Dirk Müllers Worten im Gastbeitrag bei n-tv zu sagen: „Helfen wir den Mitbewerbern jenseits des Atlantiks nicht noch, unsere eigene Wirtschaft in den Boden zu stampfen.“