Warum Unternehmen zu wenig in ʺgroßeʺ Innovationen investieren

Unternehmen investieren zu viel in schrittweise Innovationen und zu wenig in Neuheiten, die der Kunde einfach haben muss – große Innovationen, die neue Unterkategorien definieren und mit wenigen Ausnahmen als Einzige echtes Wachstum generieren. Woran liegt das?

1. Unternehmen sind schlicht risikoscheu.

 

Wie Tversky und Kahneman 1979 in einem wegweisenden Artikel über ihre (mit dem Nobelpreis ausgezeichnete) Prospect Theory darlegten, entscheiden Menschen sich nicht rational für die Option mit dem höchsten zu erwartenden Gewinn – weil sie risikoscheu sind und Verluste stärker gewichten als Gewinne. Stehen sie vor der Wahl zwischen einem sicheren Gewinn von 1.000 Dollar und einer 50%igen Gewinnchance auf 2.500 Dollar, entscheiden sich die meisten für die sicheren 1.000 Dollar, obwohl der zu erwartende Gewinn der unsicheren Option (im Durchschnitt bei mehreren Versuchen) 1.250 Dollar beträgt. Unternehmen entscheiden tendenziell genauso.

Statt es mit großen Innovationen zu versuchen, beschränken die meisten sich auf geringe Neuerungen bei ihren bestehenden Angeboten in etablierten Kategorien. Unternehmen und ihre Entscheidungsträger scheuen Verluste und neigen zu einer Unterbewertung der Gewinnchancen. Enttäuscht eine Innovation in der Entwicklung oder – noch schlimmer – im Markt, kann dies einen Karriererückschritt bedeuten.

2. Über Unbekanntes lassen sich schwer Annahmen treffen.

 

Schätzungen bezüglich der Chancen großer Innovationen werden immer ungewiss bleiben und auf Erkenntnissen statt Daten beruhen. Visionäre von Henry Ford („Sie hätten sich schnellere Pferde gewünscht“) bis zu Steve Jobs („Wir betreiben keine Marktforschung“) haben darauf hingewiesen, dass Konsumenten keine Hilfe sind, wenn sie den Zusammenhang nicht kennen. Zudem hängt der Erfolg oft von technischen und anderen Fortschritten ab, die nicht immer eindeutig absehbar sind.

Diese Ungewissheiten – verbunden mit der Tatsache, dass große Innovationen das Ergebnis eines langwierigen Prozesses sind – bewirken, dass Unternehmen deren Potenzial und Erfolgswahrscheinlichkeit unterschätzen.

3. Für neue Ideen wird kaum ein Budget genehmigt.

 

Die großen, etablierten Geschäftsbereiche in Unternehmen bestimmen in der Regel über die Budgets und Strategien. Sie haben zumeist bereits eine Liste anstehender schrittweiser Innovationen und sind kaum geneigt, große Innovationen anzustoßen. Bei Microsoft beispielsweise stemmten sich der Office- und der Windows-Bereich in den letzten Jahrzehnten weitgehend gegen Innovationen.

4. Innovationen sind leicht zu stoppen.

 

Die Unzulänglichkeiten der anfänglichen Innovationsanstrengungen, verbunden mit Skepsis über das Markvolumen und die technischen Fortschritte, bieten gute Gründe, kein grünes Licht für Innovationen zu geben. So entschied sich GM 1998 kurz vor dem Durchbruch in der Batterietechnologie gegen das Elektroauto EV1 – der schwerste strategische Fehler des Unternehmens, wie CEO Rick Wagner 2005 bekannte. Schätzungen zum Marktvolumen auf der Basis mängelbehafteter Produkte können nach unten hin verzerrt sein. Vielleicht ist die richtige Anwendung oder der richtige Markt ja noch gar nicht gefunden!

Jedes Unternehmen benötigt ein ausgewogenes Portfolio. Man kann nicht nur auf Nummer sicher gehen. Neuerungen, die das Potenzial haben, den Markt umzukrempeln, sind unverzichtbar. Bekämpfen Sie deshalb die Vorbehalte gegen große Innovationen!

Über den Autor: David Aaker gilt als der Guru der Markenstrategie – Er hat das Markenwertmodell „Aaker Model“ erfunden und über 100 Artikel und 15 Bücher veröffentlicht. Als Vice Chairman berät David Aaker zudem exklusiv die Kunden von Prophet. Als Ehrenprofessor an der Haas School of Business, University of California, Berkeley, bekam er vier Karriere-Auszeichnungen, einschließlich des Paul D. Converse-Preises im Jahre 1996 für seine herausragende Arbeit zur Weiterentwicklung des Marketing.