Frau Grossmann, ein Leitspruch von Patagonia lautet: „Wir sind im Geschäft, um unseren Heimatplaneten zu retten.“ Wie setzen Sie das in die Praxis um?
BIRGIT GROSSMANN: Wir wollen die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen nutzen, um etwas gegen die Klimakrise zu tun. Wir haben nur noch wenige Jahre, um das Ruder rumzureißen. Deshalb haben wir uns zum Beispiel mit „One Percent for the Planet“ selbst eine Umweltsteuer auferlegt und besteuern unsere Umsätze seit über dreißig Jahren mit einem Prozent. Diese Steuer kommt dem Erhalt der Umwelt sowie dem Klima zugute, indem sie an NGOs gespendet wird.
Welche weiteren Maßnahmen gibt es?
Außerdem werden unsere Produkte aus umweltfreundlichen Materialien hergestellt. Seit 1995 nutzen wir ausschließlich Bio-Baumwolle. Darüber hinaus arbeiten wir kontinuierlich daran, weitere umweltfreundliche Materialien zu entwickeln und in unsere Kollektionen zu integrieren. Erst kürzlich haben wir die „NetPlus Kollektion“ gelauncht, die aus recycelten Fischernetzen besteht. Auch abseits unseres Kerngeschäfts treiben wir unsere Mission voran. So haben wir zum Beispiel im Jahr 2017 die Trump-Regierung verklagt – als Reaktion auf die geplanten Einschränkungen der beiden Naturschutzgebiete Bears Ears und Grand Staircase in Utah. Mit unserer Plattform „Patagonia Action Works“ unterstützen wir außerdem Non-Profit-Organisationen, indem wir sie mit Freiwilligen zusammenbringen, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen.
Beth Thoren, Environmental Actions & Initiatives Director, EMEA, sagte kürzlich: „Bei Patagonia verwenden wir das Wort ‘nachhaltig‘ nicht.“ Warum stellt das Wort für Patagonia ein Problem dar?
Wir sind der Meinung, dass wir Teil des Problems sind. Unternehmen werden niemals vollkommen nachhaltig sein. Ein Beispiel: Wir haben uns kürzlich verpflichtet, unsere Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren. Dieses Ziel ist ambitioniert, berücksichtigt aber alle Emissionen unserer Lieferkette. Doch ganz gleich wie hart wir daran arbeiten, umweltbewusst und ressourcenschonend zu agieren und die nötigen Änderungen vorzunehmen: Wir haben noch immer einen CO2-Fußabdruck aus der Vergangenheit, der sich nicht einfach auslöschen lässt. Wir selbst bezeichnen uns daher lieber als veantwortungsbewusstes Unternehmen.
Während sich Patagonia schon seit der Gründung vor knapp 50 Jahren mit Umweltschutz auseinandersetzt, stehen andere Unternehmen damit gerade noch ganz am Anfang und sehen sich teilweise mit Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert. Wie lässt sich echte Glaubwürdigkeit erreichen?
Indem man den Umwelt- und Klimaschutz nicht als Mittel zum Zweck sieht, sondern als klares Ziel des Unternehmens implementiert. Wir brauchen bewussten Konsum. Mit unseren Kampagnen zu diesem Thema wollen wir unsere Kundschaft dazu animieren, sich immer wieder zu fragen: „Brauche ich das wirklich?“ Wir können das Ruder nur rumreißen, wenn wir uns um einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch bemühen – und das in allen Bereichen.
Und wie lässt sich das eigene Engagement glaubwürdig nach außen kommunizieren?
Für uns ist der wichtigste Aspekt tatsächlich zu handeln. Indem wir für die Botschaften, die wir unterstützen, einstehen und uns engagieren. Wir glauben daran, dass wir aktiv eine Lösung für die Klimakatastrophe finden müssen. Unternehmen, die sich diesem Ziel ebenfalls verschrieben haben, sollten also nicht nur darauf achten, richtig zu kommunizieren, sondern vielmehr Taten folgen lassen. Die Welt lässt sich leider nicht von heute auf morgen ändern. Darum rate ich Unternehmen, die sich diesem Thema annehmen, es nicht nur als kurzen Sprint anzusehen, sondern als Marathon. Hier ist Durchhaltevermögen gefragt.
Was sind wirksame Maßnahmen beim Klima- und Umweltschutz?
Es ist von entscheidender Bedeutung, die globalen Emissionen bis 2030 mehr als zu halbieren. Wir müssen dafür sorgen, dass die Zahl der Unternehmen, die sich Netto-Null-Ziele gesetzt haben von Hunderten auf Tausende ansteigt – und zwar schnell.
… Und weniger wirksame?
95 Prozent unserer Emissionen stammen aus unserer Lieferkette. Die meisten davon aus der Materialherstellung. Das Problem ist: Wir wissen, wie wir Emissionen reduzieren, doch wir können sie nicht vollständig eliminieren. Und wir sind der Meinung, dass der Kauf von Kompensationen, um neutral zu werden, den von uns verursachten Fußabdruck nicht einfach auslöscht. Kompensationen können zwar hilfreich sein, werden uns aber auf lange Sicht nicht retten.
Welche Nachhaltigkeitsziele hat sich Patagonia für die kommenden Jahre gesetzt?
Zum einen wollen wir bis 2025 in unseren Kleidungsstücken keine neu produzierten Erdöl-Fasern mehr verwenden und bei der Produktion ausschließlich auf von uns bevorzugte Materialien, wie Hanf, recyceltes Polyester oder Nylon setzen. Aktuell bestehen 87 Prozent unserer Produkte aus diesen bevorzugten Materialien. Ziel sind 100 Prozent. Darüber hinaus wollen wir auch für unsere Partner Anreize schaffen, ihren Energiebezug zu überdenken. So finanzieren wir Energie- und Kohlenstoff-Audits für Partner, die sich mit der Verbesserung der Energieeffizienz auseinandersetzen. Darüber hinaus wollen wir unsere Arbeit mit lokalen Communities intensivieren, um von fossiler auf erneuerbare Energie umzusteigen. Unternehmensweit haben wir außerdem das Ziel, unsere gesamten Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren.