„Ohne eine konsequente Vorreiterrolle des Top-Managements geht eine nachhaltige Unternehmenskultur in deutschen Unternehmen selten über eine Absichtserklärung und Zieldefinition hinaus. Immer noch bleibt Nachhaltigkeit zu oft ein Thema auf Vorstandsebene, ohne das Gesamtunternehmen in seiner Breite zu durchdringen.“
So lautet eine der Kernthesen der aktuellen Sustainability- und Leadership-Studie von Odgers Berndtson. Hierzu hat die Unternehmensberatung die nach ihren Angaben „90 führenden Unternehmen in Deutschland“ hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsbestrebungen untersucht. Darunter die 30 Dax- und 30 M-Dax-Unternehmen sowie die 30 größten, nicht börsennotierten Unternehmen. Ergänzend dazu haben die Partner mit rund 60 Top-Führungskräften aus der Industrie, dem Handel und der Konsumgüterbranche exklusive Interviews zu ihrer Meinung über ESG-Kriterien und konkreten Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit in ihren Unternehmen geführt.
Nachhaltigkeitskriterien und Purpose
Die gute Nachricht: Nachhaltig zu wirtschaften ist in den größten Wirtschaftsunternehmen Deutschlands kein bloßes Lippenbekenntnis. Drei Viertel der befragten Vorstände und Geschäftsführer haben Nachhaltigkeitskriterien im Purpose ihres Unternehmens verankert. „Klare ESG- und Nachhaltigkeitsthemen zu etablieren, wird als Chefsache gesehen“, urteilt Odgers Berndtson.
Die schlechte Nachricht: Der von der Führungsspitze entgegengebrachte Elan ebbt bereits in den darunterliegenden Managementebenen stark ab. Nur zwei von fünf Managern auf den Führungsebenen unter dem Vorstand messen Nachhaltigkeit eine hohe Bedeutung für den Unternehmenserfolg bei.
Kultureller Kontext wird bedeutsamer
„Die Nachhaltigkeitsdebatte in Deutschlands Top-Unternehmen hat ein neues Verständnis von langfristigem, wirtschaftlichem Erfolg und sinnhaftem unternehmerischem Agieren in den Führungsetagen angestoßen. Heute zählt immer mehr auch der kulturelle und soziale Kontext“, sagt Gabriele Stahl, Autorin der Studie und langjährige Partnerin bei Odgers Berndtson.
Die Herausforderung der Führungsspitze liege darin, „die Notwendigkeit eines nachhaltigen Handelns in die Organisation stärker einzubringen, intensiv zu kommunizieren und vor allem Vorbildfunktion einzunehmen“, meint die Personalberaterin.
Kunden als Treiber für nachhaltige Investitionen
Die Treiber der nachhaltigen Investitionen sind vor allem die Kunden und weniger die Investoren. Mehr als 75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten von der Erwartungshaltung und den Präferenzen von Kunden und Konsumenten abhängig machen. Während in der produzierenden Industrie zunehmende Regulierungen sowie der Druck einer nachhaltigen Lieferkette die Investitionen zu mehr Nachhaltigkeit anregen, ist es im Konsumgütersektor der Verbraucherwunsch nach nachhaltig produzierten Waren. Mehr bezahlen für diese will der Verbraucher jedoch noch nicht.
Die Forderung von Investoren zur Einhaltung von ESG-Kriterien ist dagegen nur für knapp 30 Prozent relevant, auch wenn sie sich positiv auf die Entwicklung der Anlagerendite auswirkt.
Nachhaltigkeit muss messbar werden
Der Aussage, dass Nachhaltigkeit im Unternehmen messbar gemacht werden muss, stimmen derweil 72 Prozent der Befragten Top-Manager zu. Vor allem die jüngeren Generationen, wie die Gen Z und die Millennials, fordern erkennbare und messbare Maßnahmen von Unternehmen.
„In künftige Entwicklungs- und Rekrutierungsprozesse muss deshalb die Frage nach dem nachhaltigen Mindset berücksichtigt werden. Nachhaltiges Handeln im Management sollte zukünftig als stärkeres Kriterium für die variable Vergütung von Bedeutung sein“, sagt Gabriele Stahl.
Hohe Erwartungen an Chief Susatinable Officer
In ihrer Sustainability- und Leadership-Studie hat Odgers Berndtson auch die Rolle des Chief Sustainable Officers (CSO) analysiert. Eine der Erkenntnisse: „Die Erwartungen an das CSO-Profil sind enorm.“ Denn: CSOs müssen vielfältige Rollen einnehmen – Diplomat, Netzwerker, Change Manager und Visionär. Zugglüch müssten sie „über mehrjährige Berufserfahrung und eine hohe Reputation im Unternehmen verfügen“.
Aufgrund der Komplexität der Aufgabe und die geforderten Kenntnisse der Geschäftsstrukturen wird die CSO-Position laut Studie in den meisten Unternehmen intern besetzt. In Dax-Konzernen sogar zu 92 Prozent. Zu jeweils einem Fünftel werden sie in den M-Dax und den nicht börsennotierten Unternehmen von externen Managern besetzt.