Warum heißt die Marke so, Bernd Samland? 

2016 hat der Gründungsgeschäftsführer von Endmark die erste Folge seiner Kolumne “Warum heißt die Marke so?” veröffentlicht. Inzwischen hat er 100 Geschichten – von 4711 bis Zippo – recherchiert und aufgeschrieben. Das Interview zum Buch.
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Dr. Bernd M. Samland ist Gründungsgeschäftsführer von Endmark und verantwortet seit 30 Jahren die Entwicklung von mehr als 2000 Markennamen. (© privat)

Herr Samland, für das Buch zu Ihrer gleichnamigen Kolumne „Warum heißt die Marke so?“ haben Sie 100 Geschichten von 4711 bis Zippo aufgeschrieben. Wer hat es am besten gemacht? 

Das Buch soll ein Kompendium sein, in dem die Leserinnen und Leser nachschlagen können – und was man gegebenenfalls erweitern kann. Ich habe mich bemüht, nicht nur Fakten zusammen zu tragen, sondern tiefer einzutauchen. Und dafür auch mal mit ehemaligen Mitarbeitern gesprochen.

Eine meiner Lieblingsmarken ist Mustang (*1951/*1964). Mustang war als Markenname stilgebend. Nach dem Automodell von Ford wurde eine ganze Kategorie benannt, die sogenannten Pony Cars. Das ist schon klasse, verglichen mit anderen Autonamen, die einfach mit numerischen Bezeichnungen arbeiten.

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„Das erste Mustang-Auto war ein Ford – könnte man denken – ist aber falsch!“ (© ccm)

Als Entwickler von mehreren tausend Markennamen finden sich auch einige Beispiele von Ihrer Firma Endmark in der Liste wieder, darunter Vox oder auch Toggo. Welche eigene Wortschöpfung empfinden Sie rückblickend als besonders gelungen und warum? 

Mehr als 90 Prozent der Menschen wissen nicht, was Vox heißt. Das müssen sie auch nicht. Das Wort “vox” kommt aus dem Lateinischen und bedeutet die Stimme, der Ton, der Akzent. Es ist ein guter Markenname, weil man ihn sich merken kann. Und er hat Akzente gesetzt, denn davor gab es nur Abkürzungen: ARD, ZDF, RTL, N-TV, WDR oder MTV. Vox (*1992) war also der erste Name für einen größeren Sender in Deutschland. Das Prinzip hat dann Schule gemacht und wurde kopiert: Viva, Phoenix, Arte. Man ist schon ein bisschen stolz, wenn man einen solchen Trend setzen kann. 

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Bei der Benennung des Fernsehsenders Vox hatte Bernd Samland selbst die Finger im Spiel. (© ccm)

Aber auch, wenn man einen Namen gegen Widerstände durchsetzen kann, ist das etwas Besonderes. So war es beim Opel-Modell Mokka (*2012). Da kamen Fragen auf wie: Muss der Wagen dann immer auch braun sein? Was ist, wenn jemand nur Tee trinkt? In den 1970ern, als Opel Marktführer war, hatten alle Modelle lexikalische Namen wie Kadett oder Admiral. Später hatten sie Kunstnamen wie Agila, den selbst ein Fachpublikum nur zu drei Prozent der Marke Opel zuordnen konnte. Wir mussten also etwas finden, das begrifflich bekannt, aber nicht markenrechtlich geschützt war. So kamen wir auf Mokka, weil es in allen westlichen Sprachen etwas Ähnliches heißt. Die Übersetzung der Story war: kompakt-stark-anregend. Und das hat gut funktioniert. Denn ein Name, der polarisiert, den merke ich mir eher. So konnten ein Jahr nach dem Launch über 60 Prozent den Namen Mokka der Marke Opel zuordnen. 

Welche Naming-Geschichte hat Sie bei Ihrer Recherche am meisten berührt? 

Witzig fand ich die Geschichte über Pritt von Henkel (*1969). Das Kind eines Ingenieurs hat den Prototyp zu Hause getestet und gefragt, wie das Produkt heißt. Aber es hatte noch keinen Namen. Das Kind meinte dann, es müsste etwas in der Art wie Prickel Pit sein, sein Lieblingsbonbon. Daraus wurde dann Pritt. Die Story kann ich natürlich nicht beweisen, aber ein heute im Ruhestand befindlicher ehemaliger Henkel-Mitarbeiter hat das glaubhaft so berichtet. Dazu kommt, dass es in eine Linie passt bei Henkel: Pril, Pritt, Pattex. 

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„Dass Henkel überhaupt Klebstoffe herstellt, hat das Unternehmen einer Notsituation zu verdanken.“ (© ccm)

Umso älter Marken sind, desto interessantere Storys sind damit verbunden, zum Beispiel bei Selters (*1536/*1887). Schon die Römer haben in der gleichen Gegend Mineralwasser gewonnen. Ähnlich wie 4711 (*1799) ist Selters älter als der Vorgänger des deutschen Markenrechts, das Warenzeichengesetz, das es erst seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gibt. 

Welche drei Fun Facts sollte man sich für den nächsten Small Talk merken? 

Zum Beispiel, dass ein weltbekannter Schokoriegel nach einem Reitpferd benannt wurde. Oder dass der erste Mustang kein Sportwagen aus den USA, sondern ein Lkw aus Deutschland war. Und dann vielleicht noch, dass Autos von Ford bis 1967 Taunus (*1939) hießen und statt der Ford-Pflaume das Kölner Stadtwappen zu sehen war. Das sind so Geschichten, bei denen man mit Besserwissen-Wissen glänzen kann, wenn man das möchte. 

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„Das Besondere an der Marke Taunus war, dass sie in Deutschland von 1950 bis 1967 die Marke Ford ersetzte“ (© ccm)

Gibt es noch eine Produktkategorie, für die Sie gerne noch einen Namen entwickeln würden? 

In der Modebranche geht alles. Dort eine langfristige Marke so etablieren, fände ich spannend. 

Noch sind nicht alle 100 Folgen auf absatzwirtschaft.de erschienen, wir stehen aktuell bei 78. Kolumnen. Wird die Reihe nach der magischen Grenze von 100 fortgesetzt? 

Ich mache auf jeden Fall weiter. Es gibt 50 Millionen Marken weltweit, da ist noch jede Menge Potenzial. 


Dr. Bernd M. Samland ist Gründungsgeschäftsführer von Endmark und verantwortet seit 30 Jahren die Entwicklung von mehr als 2000 Markennamen. Er ist Fachbuchautor sowie Lehrbeauftragter und Gastdozent an mehreren deutschen und österreichischen Hochschulen. Sein Buch zur Kolumne titelt „Warum heißt die Marke so“ und ist mit einhundert der besten Storys zu bekannten Markennamen bei Heel / dfv erschienen. 

(ccm, Jahrgang 1984) ist seit Oktober 2021 Chefredakteurin der absatzwirtschaft. Neben der Weiterentwicklung der journalistischen Marke verantwortet sie die crossmediale Themenplanung sowie die Konzeption und Pilotierung neuer Formate mit Schwerpunkt Digital Storytelling. Aufgewachsen zwischen Südamerika und Deutschland lebt sie aktuell mit Freund und Kater in Köln.