Employer Branding-Kampagnen schießen seit Wochen wie Spargel aus dem Boden – und das hat nichts mit der Jahreszeit zu tun. Doch so unterschiedlich die Auftritte auch sein mögen, eins haben viele gemeinsam: Es ist noch Luft nach oben.
Vielleicht liegt das auch daran, dass Employer Branding-Kampagnen im Grunde ein kaum lösbares Dilemma verfolgen. Wie soll man sich um Bewerbende bewerben und dabei sympathisch, auf Augenhöhe, verlässlich, taktgebend und authentisch zugleich bleiben? Wie sollen sich Suchende finden lassen und dabei interessiert und desinteressiert zugleich sein? Ein bisschen ist es mittlerweile so, als wolle man auf einer Glatze eine Locke drehen – weil die Rollen im Laufe eines Recruitingprozesses ständig hin und her wabern. Vor dem Fachkräfte- und Nachwuchsmangel war ziemlich klar, wer wen wie zu überzeugen hat. Heute ist es ein permanentes Wechselspiel.
Aldi Süd und GWA werben um Nachwuchs
Vor gut zwei Wochen hat Aldi Süd eine neue, groß angelegte Employer Branding-Kampagne gestartet. Für „größtmögliche Aufmerksamkeit“ sollen laut begleitender Pressemitteilung verschiedene Online-Video-Formate sorgen, unter anderem auf Youtube und Instagram. Flankiert wird die Kampagne mit Bewegtbild und Plakaten am Point of Sale sowie Anzeigen im digitalen Handzettel und Beiträgen auf dem Karriere-Instagram-Kanal.
Im Fokus der Kampagne steht die #AldiCrew; aus dem Off lernen die Umworbenen unter anderem: „Alle Menschen haben das Recht auf ein gutes Leben. Wir halten allen Teams den Rücken frei. Wir flitzen durchs Lager, stapeln was das Zeug hält, und haben immer das große Ganze im Blick. Wir achten aufeinander und klopfen uns gegenseitig auf die Schulter.“
Einen ganz anderen Weg geht der GWA, was er als Verband natürlich schon naturgemäß tun muss. In der Youtube-Serie „Why Agencies“ werden in Interviewform verschiedenste Jobprofile vorgestellt, die es in Kommunikationsagenturen so gibt – vom Motion Designer über die Art Directorin bis zur Account Managerin. Pro Folge sprechen dafür GWA Vorstandsmitglied (und Butter CMO) Phillip Böndel sowie wechselnde Mitglieder des GWA Young Board mit jungen Menschen, die diese Jobs tatsächlich ausüben. Gedreht wurde unter anderem bei Butter, DDB, Crossmedia, Thjnk und Scholz & Friends. Jeden Monat wird eine neue Staffel mit rund sieben Jobs gepostet, heute, also am 5. Juni, startet Staffel Nummer zwei.
Bislang (Stichtag 1. Juni) hat die Serie auf Youtube rund 450 Aufrufe erzielt. Auf Nachfrage sagt Phillip Böndel: „Wir wünschen uns selbstverständlich eine noch größere Verbreitung und Nachfrage dieser Informationen.“ Es sei allerdings auch nicht das Ziel gewesen, mit den Inhalten direkt auf potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zuzugehen, sondern die Informationen „abrufbereit“ zu haben, wenn jemand aktiv auf der Suche nach den entsprechenden Berufsbildern ist. „Stichwort: ,Long Tail Content‘“, so Böndel.
Tickt die Gen Z doch ganz anders?
Mitten hinein in das allgemeine Ringen um die richtige Employer Branding-Strategie platzt nun eine kleine, aber interessante Gen Z-Befragung, die Yougov im Auftrag von LinkedIn durchgeführt hat. Die Ergebnisse fasst die Süddeutsche Zeitung so zusammen: „Die junge Generation denkt offenbar doch recht traditionell“. Im Detail fand Yougov unter anderem heraus, dass 60 Prozent der 16- bis 28-Jährigen schnell Karriere machen möchten, 52 Prozent für den Job auch Opfer in Kauf nehmen würden und 81 Prozent bereit seien, viel zu leisten, wenn sie einen Sinn in ihrer Arbeit sehen. Aber: Nur 16 Prozent der Befragten glauben, auf dem Arbeitsmarkt vom Fachkräftemangel zu profitieren, und 58 Prozent finden, dass Arbeitgeber in Stellenanzeigen unrealistische Anforderungen formulieren.
Back to Office? Nicht wegen coolem Pizzawagen
Derweil plagt viele Unternehmen bekanntlich seit Ende der Pandemie noch eine ganz andere Frage: Wie bekomme ich meine Mitarbeitenden wieder zurück ins Office? Ariane Reinhart, Personalvorständin bei Continental, hat dazu eine dezidierte Meinung. Im Interview mit der Wirtschaftswoche hat sie Ende Mai klargestellt: „Das ist am Ende eine Führungsaufgabe.“ Zwar räumt sie ein, dass sich einige Führungskräfte schwer damit täten und die Personalabteilung um klare Vorgaben und Anwesenheitsquoten gebeten hätten. Aber Reinhart findet: „Ich nehme den Führungskräften doch nicht ihre Arbeit ab. Diese Diskussion müssen sie schon selbst führen.“
Immerhin geht Ihre Ansage auch an die Mitarbeitenden: „Ich erwarte, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Continental ein Interesse an der Firma haben, am Miteinander mit den Kolleginnen und Kollegen. Der Austausch in der Kaffeeküche, ein kurzer Plausch beim Mittagessen, gemeinsames Brainstorming, Diskussionen im Büro: Das macht uns aus.“ Diesen Zusammenhalt mit einem coolen Pizzawagen oder Eislieferungen ins Büro schaffen zu wollen, gehe hingegen am Ziel vorbei.
Nur 26 Prozent wollen Gehaltsdiskretion
Mit Geld statt Eiswagen, so steht zu vermuten, ließen sich sicher einige Arbeitnehmende wieder hinter dem heimischen Ofen vorlocken. Aber das ist natürlich – nicht nur betriebswirtschaftlicher – Unsinn. Und es ist eine gute Überleitung zur vorletzten News des Tages: Über Geld spricht man nicht. Oder doch? Nur 26 Prozent wünschen sich beim Thema Gehalt Diskretion. Hingegen haben 42 Prozent der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kein Problem damit, offen über ihr Gehaltspaket zu sprechen. 32 Prozent haben dazu (noch) keine Meinung. Diese Ergebnisse einer Studie von SDWorx sind deshalb so spannend, weil die Europäische Union bekanntlich Ende April die EU-Entgelttransparenzrichtlinie beschlossen hat, um für mehr Gehaltstransparenz und mehr Gehaltsgerechtigkeit zu sorgen. Und keine Richtlinie der Welt kann für eine positive Veränderung sorgen, wenn die Menschen sie gar nicht als solche wollen.
Weniger Überstunden
Und zum Schluss auch heute wieder eine (halbwegs) gute Nachricht: Die Zahl der geleisteten Überstunden in Deutschland ist gesunken. Von rund zwei Milliarden im Jahr 2011 auf rund 1,3 Milliarden im Jahr 2022. Allerdings ist der sinkende Trend das einzig Gute daran. Denn auch 1,3 Milliarden Überstunden sind noch immer viel zu viel. Erstens, weil sie rund 809.000 Vollzeitstellen entsprechen. Zweitens, weil davon rund 702 Millionen unbezahlte Überstunden waren.
In diesem Sinne: Eine möglichst überstundenfreie Woche und bleiben Sie gut drauf!