Von Roland Karle
LAE, AWA, Radio-MA, Print-MA liegen vor, KidsVA und LA Med sind im Anmarsch, die ACTA befindet sich im Feld. Was sich anhört wie eine Einführung in die Tiefen der deutschen Abkürzungsverzeichnisse, dahinter verbergen sich – kundige Medienleute wissen das – aufwändig erhobene Markt-Media-Studien. Datenflutartig wurden in den vergangenen vier Wochen die Zahlen und Tabellen der Leseranalyse Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung (LAE), der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) und der Mediaanalyse (MA) angespült. Nicht zu vergessen: Die IVW, die mit vollem Namen Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern heißt, hat im Juli ebenfalls ihre Auflagenstatistik fürs zweite Quartal 2013 geliefert.
Unterm Strich steht die erwartete Erkenntnis: Bei Print nichts Neues. Kumuliert sinken Auflage und Reichweite. So lesen laut aktueller MA 2013 immer noch fast zwei Drittel aller Deutschen ab 14 Jahre (64,7 Prozent) und somit 45,5 Millionen Menschen täglich Zeitung, doch im Vergleich zum Vorjahr sind es 1,9 Prozentpunkte weniger. Die Auflagenkontrolleure der IVW bescheinigen den deutschen Tageszeitungen im zweiten Quartal 2013 einen Verkauf von 20,64 Millionen Exemplaren je Erscheinungstag, was einem Minus gegenüber dem Vorjahresvierteljahr von 4 Prozent entspricht.
Beim Stöbern in der Statistik finden sich aber auch gute Nachrichten: Gegenüber dem Vorquartal I/2013 wurden sogar 0,7 Prozent mehr Tageszeitungen abgesetzt und die Zahl der verkauften E-Paper-Ausgaben hat sich binnen eines Jahres von 200 000 auf 380 000 nahezu verdoppelt. Was für die Verlage erfreulich ist, aber keinen ekstatischen Jubel auslöst. Schließlich darf man den Anteil der elektronisch vertriebenen Zeitungen an der Gesamtauflage mit 1,8 Prozent noch immer als marginal betrachten.
Die MA 2013 Pressemedien II attestiert den Publikumszeitschriften eine Leserschaft von gut 64 Millionen und somit eine Nutzerquote, gemessen an der Gesamtbevölkerung (ab 14 Jahre), von 91,4 Prozent. Anders gesagt: Nur jeder Elfte liest keine Zeitschrift. Im Vergleich zur Vorgängerstudie MA 2013 Printmedien I ist die Reichweite um 0,8 Prozentpunkte gesunken. Aus der aktuellen Erhebung geht hervor, dass jeder Befragte pro Erscheinungsintervall statistisch gemittelt 3,3 verschiedene Magazine nutzt. Bezogen auf den Weitesten Leserkreis (WLK) – er umfasst die letzten zwölf Erscheinungsintervalle, also bei wöchentlichen Titeln einen Zeitraum von zwölf Wochen – werden durchschnittlich 8,6 unterschiedliche Zeitschriften genutzt.
Was sich sowohl bei den Zeitungen als auch bei den Zeitschriften zeigt: Print punktet vor allem in Zielgruppen mit überdurchschnittlichem Einkommen und Bildungsstand. So erreichen die Zeitungen 66,7 Prozent bei Gutverdienern (mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 2500 Euro und mehr) und 70 Prozent der Gutausgebildeten, die Fach-/Hochschulreife mit Studium vorweisen. Was Anzeigenkunden begeistern müsste, die ein gehobenes Klientel ansprechen. „Zeitungen erreichen Leser mit einem hohen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Status, die für Werbungtreibende besonders wertvoll sind“, sagt Alexander Potgeter, Mitglied der Geschäftsleitung der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG).
Der Trend geht weiter nach unten
Bei den Magazinen wächst mit steigendem Einkommen kontinuierlich die Nutzerquote. Laut aktueller MA werden Zeitschriften von 87,6 Prozent der geringsten Einkommensstufe (1000 bis 1250 Euro monatlich) gelesen, jedoch von 94,3 Prozent jener Gruppe, die monatlich mehr als 3000 Euro verdient.
Dennoch: Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass sich am Trend sinkender Printauflagen auch in den kommenden Jahren wenig ändern wird. Allein schon deshalb, weil sich die digitale Nutzung von Medien noch verstärken wird und sich neben Papier eben auch die Monitore von Smartphones, Tablets, Notebooks und PCs als formidable Empfangsgeräte für Medieninhalte erweisen – und deren Verbreitung wird in Summe weiter steigen.
Grund genug, um an dieser Stelle vor dem leichtfertigen Umgang mit Reichweiten- und Auflagenstatistiken zu warnen. Je stärker die Anzahl der Medienkanäle, die Hybridisierung von Medienmarken und die Mannigfaltigkeit der Mediennutzung zunehmen, desto weniger aussagekräftig sind aggregierte Reichweiten und solitär betrachtete Verkaufszahlen. Gerade weil der Wunsch nach Einfachheit und das Verlangen, Komplexes verständlich zu machen, berechtigt sind, folgt daraus: Um den Leistungsbeitrag von Medien (unter anderem als Werbeträger, Umsatzbringer, Markenartikel) zu beurteilen, muss man sich künftig beim Studium der Zahlen etwas mehr Arbeit machen, sprich: genauer hinschauen, richtig einordnen und fachkundig interpretieren.
Das gilt umso mehr, wenn ab diesem Herbst die IVW zusätzlich die digitalen Verkäufe von Apps und Onlineangeboten ausweist und wenn im kommenden Jahr erstmals die MA Intermedia herauskommt. Sie soll die Stärke von Medienmarken abbilden, indem sie ihre crossmediale Reichweite erfasst. Denn „wenn Leser die Plattform wechseln, bleiben sie dem Medium dennoch treu“, argumentiert Gerhard Müller, Vorstand Tageszeitungen der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse, die aus seiner Sicht notwendige Veränderung der Reichweitendokumentation. Bislang war es nicht möglich, die Reichweiten der gedruckten Ausgaben und der Websites der Tageszeitungen und Zeitschriften überschneidungsfrei darzustellen.
Könnte sein, dass die klassischen Printmedien dank Crossmediaerfasung ab kommendem Jahr in den Reichweitenstudien endlich mal wieder im Plus liegen. Dann werden das leidige Runterzählen und die Abwertung der Gattung endlich mal unterbrochen. Schön für die Printleute. Für die Markt- und Media-Analysten heißt das aber, erst recht einen differenzierten Blick auf die Zahlen zu werfen.