Anbieter von Refurbished-Artikeln freuen sich derzeit. Denn wegen des aktuelles Materialmangels etwa bei Chips kommt es zu Produktionsschwierigkeiten und Lieferengpässen bei vielen Herstellern von Smartphones, Tablets und Co. „Muss es wirklich immer das neueste Produkt sein? Oder kann es nicht auch ein Produkt sein, das so gut wie neu ist?“, fragt Kilian Kaminski, Mitgründer der Reparatur-Plattform Refurbed.
Aus Sicht des Unternehmers habe sich das Konsumverhalten vieler Kund*innen verändert. „Das Interesse an Refurbished-Produkten ist enorm gestiegen“, sagt Kaminski. Der Chipmangel und die generellen Rohstoffengpässe tragen vermutlich auch dazu bei, dass sich mehr Leute mit dem Konsum von Elektronik auseinandersetzen, meint er.
Refurbished-Anbieter profitieren von Krise
„Weniger Neuware zu kaufen und mehr auf aufgearbeitete Produkte zurückzugreifen, kann dazu beitragen, mit begrenzten Ressourcen besser umzugehen“, meint auch Martin Hügli, Deutschlandchef von Back Market, einer Online-Plattform für den Verkauf von erneuerten elektronischen Geräten. Schließlich tauschen Refurbished-Anbieter oft nur kaputte Teile von genutzten Elektrogeräten aus und bieten diese dann wieder zum Verkauf an. Daher seien die Unternehmen selten auf große Mengen an neuen Materialien oder Chips angewiesen, erläutert der Präsident des Branchenverbands European Refurbishment Association (EUREFAS), Augustin Becquet. Davon profitiere die Branche nun.
Der Verband habe beispielsweise eine große Nachfrage nach generalüberholten, älteren iPhone-Modellen festgestellt, sagt Becquet. Dafür könne etwa die Materialknappheit verantwortlich sein, die zu Produktions- und Lieferschwierigkeiten beim zuletzt erschienenen iPhone 13 führe. Statt das neuste Gerät zu kaufen, müssen Kund*innen so auf ältere, bereits gebrauchte Exemplare ausweichen. Zahlen dazu hat der Verband allerdings nicht.
Engpässe drücken Apple-Umsätze in Milliardenhöhe
„Aktuelle Umsatzprognosen für das neue iPhone gehen davon aus, dass aufgrund des Chipmangels weniger Geräte verkauft werden“, meint auch Hügli. Tatsächlich berichtete Apple-Chef Tim Cook im Oktober, dass Engpässe in der Lieferkette und Corona-Ausfälle in der Produktion den Konzernumsatz um sechs Milliarden Dollar drückten. Die Händler von generalüberholter Ware arbeiten hingegen oft mit älteren Modellen, bei denen genügend Bestandteile verfügbar seien, erklärt der Back-Market-Chef. „Wir haben deswegen auch keine knapperen Bestände.“
Die Engpässe bei Neuware können viele zusätzlich dazu motivieren, bereits gebrauchte Geräte zu kaufen, meint der Geschäftsführer des Handelsverbands Technik, Steffen Kahnt. Der Verband sieht Refurbished jedoch als Nische. Obwohl generalüberholte Geräte für preis- und umweltbewusste Konsument*innen schon länger eine relevante Alternative seien, sei der Markt noch „sehr klein“.
Erhöhte Nachfrage wegen erhöhtem Umweltbewusstsein
Das Geschäftsmodell habe aber neben dem Material-Aspekt noch andere Vorteile, meint Niklas Meyer-Breitkreutz vom Digitalverband Bitkom. „Die Kundinnen und Kunden sparen auch Geld und erhalten auf die Geräte sogar wieder eine Garantie.“ Generell sei daher die Nachfrage nach generalüberholten Elektrogeräten in den vergangenen Jahren wegen des „Umweltbewusstsein der Deutschen“ gestiegen, meint Meyer-Breitkreutz. Er plädiert dafür, Geräte länger zu nutzen und so den CO2-Fußabdruck zu minimieren. Schließlich schlummern in den Schubladen der Bundesbürger rund 206 Millionen Handys und Smartphones, die wieder aufbereitet und weiterbenutzt werden könnten, wie eine Befragung im Auftrag von Bitkom ergab.
Hersteller wie Apple und Samsung bieten bereits beim Kauf neuer Geräte an, das alte in Zahlung zu nehmen. Sie werden aufbereitet oder gehen ins Recycling, um Rohstoffe zurückzugewinnen. Laut Apple konnten im vergangenen Jahr so weltweit 10,4 Millionen Geräte dem Refurbishment und 39.000 Tonnen Elektroschrott dem Recycling zugeführt werden.
he/dpa