Länder wie Spanien und Australien regulieren den Feierabend. Damit, so kann man zunächst festhalten, haben die Länder erkannt, dass das Wohlbefinden von Arbeitnehmenden ein wichtiges Thema ist. Für die Gesundheit der Bevölkerung. Aber auch für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen.
Australien machte in diesem Jahr Schlagzeilen mit seinem neu eingeführten „Recht auf Feierabend”. Arbeitnehmende können sich grundsätzlich weigern, auf Kontaktversuche ihrer Arbeitgeber außerhalb ihrer Arbeitszeit zu reagieren. Unternehmen mit weniger als 15 Mitarbeitenden sind zunächst ausgenommen, in einem Jahr müssen sie aber auch nachziehen.
Der australische Premier Anthony Albanese sagte im Zuge der Einführung, dass das Gesetz sicherstelle, dass Arbeitnehmende, „die nicht 24 Stunden am Tag bezahlt werden, auch nicht 24 Stunden am Tag arbeiten müssen”. Nicht nur, dass diese Aussage eine hanebüchene Übertreibung der Lage ist. Vor allem löst das Gesetz viele Probleme nicht. Im Gegenteil.
Dennoch: Die Gewerkschaften jubeln, die Welle der Berichterstattung rollt und in den sozialen Netzwerken wird die progressive australische Regierung abgefeiert. Wenn der Premier der gleichen Regierung wenig später mit fragwürdigen Immobiliengeschäften auffällt, ist davon hingegen wenig zu hören.
Gesetz übersieht viele Menschen
Dabei hält das Recht in Australien etwas fest, das hierzulande zumindest juristisch schon längst eine Selbstverständlichkeit ist: Nach Feierabend müssen Arbeitnehmende dort künftig nicht mehr erreichbar sein. Es gibt in Deutschland keine Pflicht, nach der Arbeitszeit erreichbar zu sein (Notfallbereitschaften und kurze Informationen einmal ausgenommen). Arbeitgeber, die ihre Mitarbeitenden ohne deren Einwilligung kontaktieren und Arbeit abverlangen, dürfen das schon heute nicht. Arbeitgeber, die dennoch gegen den Willen ihrer Angestellten anrufen, werden damit immer größere Probleme bekommen. In einem Arbeitsmarkt, in dem der Fachkräftemangel zunimmt, umso mehr. Denn selbst wenn sich viele Angestellte wohl nicht juristisch zur Wehr setzen: Beliebter macht solches Handeln einen Arbeitgeber nicht.
Gleichzeitig übersieht die Gesetzgebung eine große Gruppe von Mitarbeitenden: Die nämlich, die mehr Flexibilität brauchen. Gerade bei Eltern ist es allzu oft so, dass sie bis zum frühen Nachmittag arbeiten und sich dann erstmal um die Kinderbetreuung kümmern. Nur, um dann am späteren Abend nochmal den Laptop aufzuklappen. Ähnlich ist es bei Menschen, die einen Angehörigen pflegen.
Work-Life-Balance bedeutet für viele gerade nicht, dass Arbeit von 9 bis 17 Uhr zu erledigen ist. Sondern angepasst an das eigene Lebensmodell. Das weiß auch der Autor dieser Kolumne, der am Sonntagabend die letzten Zeilen schreibt. Gut, dass sich die Gewerkschaften für Freiberufler eher am Rande interessieren.
Lieber sofort reagieren
Was das Gesetz außerdem ausblendet: Es gibt durchaus Menschen, die im Notfall lieber sofort Bescheid wissen wollen, um sofort reagieren zu können. Anstatt im schlechtesten Fall am nächsten Morgen in Stress zu geraten. Ein starres Kontaktverbot ist da nicht hilfreich. Im Gegenteil. Die Souveränität, die Push-Benachrichtigungen auszustellen oder mal nicht zu antworten, muss man Menschen schon geben.
Wirklich hilfreich ist die Erlaubnis für Mitarbeitende, nicht reagieren zu müssen, wenn sie es nicht wollen. Diese Erlaubnis gibt es hierzulande aber eben schon lange. Der Volksmund weiß schon seit Ewigkeiten: Dienst ist Dienst. Und Schnaps ist Schnaps.
Zweifelsohne haben Arbeitgeber eine Verantwortung für das Wohlbefinden ihrer Arbeitnehmenden. Auch in ihrem eigenen Interesse, setzen sie der Belastung der Mitarbeitenden Grenzen. Wo sie das nicht tun, sollten zunächst die Arbeitnehmenden aktiv werden. Und wenn es nicht mehr anders geht, sollte der Gesetzgeber aktiv werden. Mit Regelungen, die Menschen nicht in ihrer Flexibilität beschneiden. Mehr Bürokratie mit wenig Nutzen kann hingegen keiner gebrauchen. Schrieb er und schenkte sich den Schnaps ein.
Auf eine ausgeglichene Woche!