„Wir können alles. Außer Hochdeutsch“, „Jeder will dahin“, „Wachsen mit Weitsicht“: Mit knackigen Slogans garnieren Deutschlands Bundesländer ihre Imagekampagnen, mit denen sie sich bundesweit und auch international als attraktiver Ort zum Reisen und Leben bewerben. Wer in Bayern nach einem derartigen Claim sucht, findet auf Anhieb erst mal: nichts.
Hat der Freistaat Bayern als einziges Bundesland keine Imagekampagne? Spricht das Bundesland als Heimat der international bekannten Gepflogenheiten und Bräuche einfach für sich? Oder meint es, eine solche Strategie als flächenmäßig größtes und zugleich tourismusstärkstes Bundesland nicht nötig zu haben?
Kontinuierliches Storytelling statt klassischer Werbung
Ganz so ist es sicherlich nicht – nur funktioniert eine Imagekampagne in Bayern tatsächlich ein bisschen anders. „Unter dem Claim ‚Traditionell anders‘ richten wir unsere Marketingstrategie bereits seit 2016 konsequent auf Storytelling und Content Marketing aus. Denn wir wissen, dass sich ein einzigartiges Image wie das des Urlaubslands Bayern durch Storytelling viel einprägsamer und erfolgreicher vermitteln lässt als durch klassische Werbung“, sagt Sylvia Freund, Bereichsleiterin für Unternehmenskommunikation bei der Bayern Tourismus Marketing GmbH, deren Kernaufgabe es ist, das Image Bayerns als Reiseland im In- und Ausland zu prägen.
Eine eigene Redaktion wurde hierfür eingerichtet, die Geschichten produziert, in denen Einheimische zu Wort kommen und so Einblicke in „ein authentisches Bayern“ ermöglichen. Diese Geschichten funktionieren Freund zufolge auf einer anderen Ebene als Werbung, „weil sie weit über die informelle Ebene hinausgehen und weil sie das wahre bayerische Lebensgefühl vermitteln“. Angereichert werde dieses Narrativ saisonal und anlassbezogen um zusätzliche Aktionen.
Dass einem in Verbindung mit Bayern nicht sofort ein einprägsamer Slogan in den Sinn kommt, sieht Freund gelassen. „Unsere Marketingstrategie fußt darauf, unsere Zielgruppen kontinuierlich mit authentischen Geschichten rund um unser einzigartiges bayerisches Lebensgefühl zu inspirieren, ohne konkreten Start- und Endpunkt. Wir zeigen zu jeder Zeit, was potenzielle Gäste selbst bei uns erleben können, wie sie in unsere Kultur und Traditionen eintauchen können, und wecken damit die Lust, das Gesehene und Gelesene selbst auszuprobieren.“
Wiesn-Bonus: Kein Bundesland ist beliebter bei Tourist*innen
Nun hat Bayern bei seiner Marketingstrategie eine vergleichsweise bequeme Ausgangslage. Kein anderes Bundesland verzeichnet mehr Tourist*innen als der Freistaat, sowohl aus dem In- als auch dem Ausland – nicht zuletzt wegen des Besuchermagneten Oktoberfest, das Statista zufolge vor der Coronapandemie jährlich zwischen fünf und sieben Millionen Menschen nach München lockte.
Bis 2019 ist die Zahl der Tourist*innen in Bayern stetig angestiegen. Die Pandemie verpasste diesem Trend einen heftigen Dämpfer, doch weiterhin führt das Bundesland die Statistik mit komfortablem Abstand an. 2,65 Millionen Menschen aus dem Ausland und 16,9 Millionen aus Deutschland checkten 2021 – als das Oktoberfest indes coronabedingt nicht stattfinden konnte – in den Beherbergungsbetrieben ein. Zum Vergleich: Das zweitplatzierte Baden-Württemberg brachte es im diesem Jahr auf 1,91 beziehungsweise 10,08 Millionen. Freund sieht dies als Beleg „für eine erfolgreiche Marketingstrategie und ein äußerst positives Image des Reiselandes“.
Eine neue Kampagne steht in den Startlöchern
Im Herbst geht Bayern mit einer neuen Kampagne an den Start, die sich laut Freund stark von der bisherigen Marketingarbeit unterscheidet. „Wir adressieren mit der Kampagne nicht potenzielle Gäste, sondern die bayerische Bevölkerung und fokussieren uns auf die Branche an sich, um die Wahrnehmung für den Wirtschaftszweig Tourismus zu stärken.“
Einheimische sollen dafür sensibilisiert werden, wie sich die positiven Einflüsse des Tourismus auf die eigene Lebensqualität auswirken kann. Zudem soll die Reisebranche als attraktiver Arbeitgeber beworben werden – ein Sektor, der während der Coronapandemie ordentlich Federn gelassen hat.
Eine Kampagne also, die vor allem die eigene Bevölkerung anspricht und so trotzdem Gäste ins Bundesland locken soll. In Bayern funktioniert Imagemarketing eben ein bisschen anders.