Ein Kommentar
Es klingt alles wie ein schlechter Scherz: Die IAAF wusste vom Doping an Spitzensportlern, dazu kommen Korruptionen rund um die Vergabe der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2019 in Doha/Katar. Im Fall der Fifa-WM 2010 in Südafrika wurde ein ganzes Land umgestaltet und ausgeschlachtet, für das große Geschäft der Fifa. Wir kennen die Umstände im Vorfeld der WM in Südafrika: von den Umsiedlungen, einer Räumungs- und „Sauberhaltungs“politik, von strengeren Justizverfahren gegen Straftäter, die nach der WM wieder abgeschafft wurden, von vielen Jobs im Bausegment, Hotelbusiness oder Einzelhandel (bis zu 40.000 temporäre Jobs) – alles für die Weltmeisterschaft. Übrig geblieben ist davon wenig. Der Skandal wird sogar vom FBI untersucht. Adidas zieht sich bei der IAAF zurück, bleibt aber seit nun mehr 45 Jahren an der Seite der Fifa. Wie kann das sein?
Die Freundschaft zwischen Fifa und Adidas
Zu Beginn des Fifa-Skandals versuchten Sponsoren, sich von Blatter und dem Verband zu distanzieren. Die Burgerkette McDonald`s entzog Blatter das Vertrauen. Coca-Cola forderte die Fifa auf, eine unabhängige Kommission zu beauftragen, um das verlorene Vertrauen der Fußballfans zurückzugewinnen. Adidas sprang auf diesen Zug auf. „Die Adidas Group verfolgt höchste Standards, was ethisches Verhalten und Compliance angeht. Wir erwarten dieses Verhalten auch von unseren Partnern“, hieß es. „Wie in der Vergangenheit mehrfach betont, müssen bei der Fifa im Sinne des Fußballs grundlegende Veränderungen durchgeführt werden. Daher muss der eingeleitete Reformprozess transparent und zügig fortgesetzt werden“, so Adidas-Sprecher Oliver Bürgen. Den Worten folgten aber keine Taten, die Sponsoren blieben dem Fußballverband treu.
Bei der IAAF passierte genau das Gegenteil: Sobald bekannt wurde, dass der frühere Iaaf-Präsident Lamine Diack russische Dopingfälle vertuschen wollte, entschied sich Adidas zum Ausstieg. Eine Kooperation mit einer Verband, der bewusst Doping förderte, kommt für den größten Sportartikelhersteller nicht infrage. Zum Vergleich: Auch als Toursieger Jan Ullrich und dessen Team Telekom 2006 als Doper aufflogen, trennte sich Adidas von ihnen und ging auf Distanz zum Profi-Radsport.
Im Zuge der Fifa-Korruptionsskandale, die schon seit 1999 immer wieder aufpoppen, hält sich Adidas aus einem Grund zurück: Es hängt am Fifa-Arrangement. So ist nach den Sponsorstatuten der Fifa nur ein Unternehmen je Wirtschaftskategorie zulässig: Adidas oder eben Konkurrent Nike. Adidas hat bei der Fifa bereits seit 45 Jahren als Sportausrüster das Sagen – das gibt man nicht so einfach auf. Bis heute hat Adidas eine Kündigung der Zusammenarbeit nie in Erwägung gezogen.
Strategie besiegt Moral
Moralische Fragen müssen immer gegen finanzielle abgewogen werden. Daher fiel Adidas der Ausstieg bei der IAAF so leicht, bei der Fifa aber bisher nicht. Wenn Marken wie Adidas im Fall der IAAF versuchen, einen moralischen Standpunkt zu vertreten, um ihre Marke zu schützen, ist das durchaus verständlich. Was allerdings nicht richtig erscheint, ist die Tatsache, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Adidas investiert nicht weiter in die IAAF, weil Leichtathletik lange nicht so wichtig ist wie Fußball. Der Merchandise-Markt, die TV-Rechte, Trikots, Bälle, TV-Spots – das ganze Vertriebsprogramm von Adidas baut auf Fußball auf – und das nicht nur zu WM-Zeiten. Der große Unterschied liegt darin, dass in Sachen IAAF moralisch, in Sachen Fifa aber strategisch entschieden wird.
Nike versus Adidas
Es gab Jahrzehnte, da waren Adidas und Sepp Blatter verheiratet. Er trug Adidas, besuchte sogar die Konzernzentrale in Herzogenaurach. Und auch Herbert Hainer, noch Vorstandsvorsitzender der Adidas AG äußerte sich zuletzt zur Zusammenarbeit mit dem DFB, der auch in die Korruptionen mit der Fifa verwickelt ist, so: „Ich kann mir nicht vorstellen, warum wir nicht mit dem DFB weitermachen sollten”. Für den 61-Jährigen brechen die letzten Monate als Adidas-Chef an. Der Neue an der Spitze, Kasper Rorsted, könnte sich diese Haltung gegenüber der Fifa und des DFB ja noch einmal durch den Kopf gehen lassen.
Am Ende ist eines ganz klar: Große Unternehmen sehen in einer Fußball-WM eine Gewinnchance und pfeifen auf die Moral und verzichten auf unternehmerische Grundeinstellungen. Auf die Präsenz bei der IAAF kann aber getrost gepfiffen werden.