Vielerorts, gerade in lebensmittelfremden Branchen und in Kleinunternehmen hat man von dem Konzept zwar schon gehört, verbindet aber noch wenig Konkretes mit ihm. Ein – mit einem Augenzwinkern versehenes – Beispiel liefert die Illustrierte „Brigitte“ (12/2002): „Amerikaner sind Weltmeister im Verkaufen. Also schreiben Sie Stellen als Shampoo Einsortierer im Dro-Markt aus, als ob es sich um den Vorstand einer international operierenden Kette handeln würde. Category Manager heißt das dann – und soll ordentlich motivieren.“
Was verbirgt sich aber wirklich hinter dem Category Management? Worin liegt sein Nutzen? Der folgende Überblick möchte hierzu kurze Antworten liefern.
Das Wesen des Category Managements
Der Ursprung des Category Managements liegt in den USA bzw. in dem dort geprägten Ansatz der Efficient Consumer Response (ECR). Dieser hat sich eine engere Zusammenarbeit von Industrie und Handel zum Wohle des Verbrauchers auf seine Fahnen geschrieben. Durch die nachfrageorientierte, integrierte Optimierung der Prozessketten von Händlern und Lieferanten sollen Kosten gesenkt sowie Umsätze und Erträge gesteigert werden. Es verwundert nicht, dass ECR in der unter scharfen Verteilungskämpfen leidenden deutschen Lebensmittelbranche auf besondere Aufmerksamkeit stieß.
Das ECR-Konzept basiert auf zwei Säulen: Mit Supply Chain Management (SCM) wird das logistikorientierte Anwendungsfeld umschrieben, dass sich – vereinfacht ausgedrückt – darauf konzentriert, durch Harmonisierung und Integration von Waren- und Informationsströmen Kosten aus der Lieferkette herauszupressen. In der ECR-Terminologie wird SCM in der Regel mit der so genannten ECR-Basisstrategie „Efficient Replenishment“ gleichgesetzt, die in jüngster Zeit zur Unterstützung der gemeinsamen Absatzplanung von Händler und Lieferant im Rahmen des CPFR-Modells (Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment) fortentwickelt wurde.
Die zweite ECR-Säule bildet das Category Management – der marketingorientierte Ansatz zur Planung und Steuerung von strategischen Sortimentseinheiten im Handel. Er umfasst die Basisstrategien „Efficient Store Assortment“, „Efficient Promotion“ und „Efficient Product Introduction“. Hersteller und Handel versuchen in einem gemeinsamen Prozess, das Absatzpotential im Wettbewerb um den Kunden besser auszuschöpfen. Durch die enge Orientierung am Verhalten der Kunden in den Einkaufsstätten wird eine „Win-Win-Win-Situation“ für Industrie, Handel und Verbraucher angestrebt.
Das „Herz“ des Category Management-Gedankens bildet die konsequente Endverbraucherorientierung der Sortimentsgliederung und -steuerung. Im Unterschied zu den tradierten Strukturierungsansätzen der Hersteller- oder Markenorientierung werden die Warengruppen verstärkt nach verbraucherrelevanten Kriterien definiert. Auf Ebene dieser so genannten Categories kann ein ausgesuchter Lieferant (oder in Ausnahmefällen auch mehrere Industriepartner) als Berater des Handels fungieren.
Diese auch als Category Captain oder Category Consultant bezeichnete Rolle wird in der Regel von marktstarken Markenartikelherstellern ausgefüllt. Handelsunternehmen können Category Management auch ohne Lieferantenunterstützung durchführen – so wie in Herstellerunternehmen die effizienzorientierte Category Management-Philosophie auch abseits konkreter Handels-Kooperationsprojekte nicht zuletzt durch die stärkere Integration von Marketing und Vertrieb positive Effekte zeigt. Doch erst der intensive Austausch von kategoriebezogenen Informationen – insbesondere über Käuferverhalten, Marktdaten etc. – zwischen dem Warengruppenverantwortlichen des Handels und seinem Partner auf der Herstellerseite nutzt das volle Potenzial des Konzeptes.
Anreize und Beiträge
Im Marketinginstrumentarium vieler nicht-discountierender Händler dominiert nach wie vor die Preispolitik. Die Positionierung vieler Einkaufsstätten ist für den Verbraucher unscharf. Der Handel leidet unter sinkenden Flächenproduktivitäten und Umsatzrenditen. Auf der anderen Seite stehen die Key Account Manager vor der Aufgabe, eine ständig wachsende Flut neuer Artikel – oft keine echten Innovationen, sondern wettbewerbsverschärfende Me-too-Produkte – in die Handelsregale zu pressen. In dieser Situation bietet kooperatives Category Management den traditionellen Wertschöpfungsrivalen Handel und Industrie die Chance, Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Der Anreiz besteht darin, über das Vehikel der Verbraucherorientierung die jeweiligen Ziele möglichst komplementär zu verfolgen. Das warengruppenspezifische Know-how der Top-Lieferanten wird vom Handel genutzt, um seine Sortimente zu optimieren und hierdurch die Einkaufsstätten im Wettbewerb zu profilieren. Category Captains wiederum engagieren sich, um ihre gesamte Category zu fördern. Dies schließt die gleichzeitige Steigerung von Marken- und Einkaufsstättentreue ein.
Insbesondere werden folgende kategoriebezogene und übergeordnete Unternehmensziele verfolgt, wobei sich die ökonomischen Zielgrößen nahezu durchgehend auf den Faktor Kundenorientierung zurückführen lassen:
- Erhöhung der Treue, der Reichweite und der Kaufintensität in den Zielgruppen
- Profilierung der Vertriebslinie und der einzelnen Einkaufsstätten
- Umsatzwachstum, Kostensenkung und Ertragssteigerung.
Das folgende Ergebnis einer ECR-Studie des Lehrstuhls für Marketing & Handel (Universität Essen) zeigt, dass sich die vorökonomischen und ökonomischen Ziele von Händlern und Herstellern in Category Management-Partnerschaften stark ähneln:
Quelle: Schröder/Feller/Großweischede, Zum Status quo von Category Management und Supply Chain Management, Arbeitspapier Nr. 6 des Lehrstuhls Marketing & Handel, Universität Essen, 2000
Eine Vielzahl von Fallbeispielen belegen, wie Category Management den Partnern über eine höhere Kundenorientierung in der Sortimentsstruktur und –steuerung zu profitableren Categories sowie zufriedeneren und treueren Käufern und letztlich zu nachhaltigen Umsatz- und Ertragssteigerungen verhalf.
Mitunter übersehen wird, dass – neben dem ressourcenintensiven Aufbau der notwendigen personellen, informationsbezogenen und sachlichen Kapazitäten – vor allem Hersteller mit weniger verbraucherrelevanten Marken unter Umständen auch Beiträge zu Lasten des eigenen Produktportfolios leisten müssen. So kann die Optimierung einer Category im Extremfall zur Auslistung eigener Marken führen.
In der Category vertretene Wettbewerber profitieren eventuell überproportional von der eigenen Beratungsleistung. Schließlich müssen potenzielle Category Captains akzeptieren, dass auch ein Wettbewerber die Steuerung der eigenen Marken in den Einkaufsstätten beeinflussen kann. Falls zudem einer der Partner die Kooperations-Regeln verletzt und sich opportunistisch verhält, sind – wie bei jeder Partnerschaft – weitere Beiträge denkbar. So könnten beispielsweise entscheidungsrelevante Daten und Informationen zurückgehalten oder an Wettbewerber weitergegeben werden.
Die Wahrscheinlichkeit derartiger Regel-Verletzungen, von bisherigen Nicht-Anwendern des Category Management gelegentlich befürchtet, wird jedoch von Experten als „eher gering“ eingeordnet, da dem nicht nur das Risiko des Vertrauensverlusts, sondern bereits die Datenorientierung des Prozesses und vor allem die für alle Beteiligten transparente Warengruppensituation entgegenwirken.
Stabile und effiziente Kooperationen zwischen Industrie und Handel, die die Interessenkonflikte rund um das Spannungsfeld „Marke vs. Einkaufsstätte“ überwinden, entstehen stets dann, wenn die Anreize einer Partnerschaft die geleisteten Beiträge übersteigen. Category Management bietet hierzu einen geeigneten Ansatz.
Umsetzung im Geschäftsprozess
Um Category Management im Rahmen einer Handels-Hersteller-Kooperation weitgehend standardisiert und transparent umzusetzen, wurde ein achtstufiger Geschäftsprozess entwickelt.
Quelle: ECR Europe, Category Management Best Practices Report, 1997
Phasenmodelle haben die Eigenschaft, dass sie eine manchmal trügerische Stringenz vermitteln können. Für den erstmaligen Betrachter sei daher darauf hingewiesen, dass die Optimierung einer Category möglichst im Kontext der Einkaufssituation erfolgt, das heißt in Beziehung zu den anderen Categories zu setzen ist. Gerade zu Beginn einer Category Management-Kooperation und in den Prozess-Schritten (1) Category-Definition und (2) Category-Rolle ist es wichtig, diese kategorieübergreifende Perspektive einzunehmen. Denn auch der Kunde nimmt die Einkaufsstätte als Gesamterlebnis und nicht als Aneinanderreihung isolierter Warengruppen wahr.
Dies gilt ebenso bei der Planung (6) und Umsetzung (7) der eigentlichen Category Management-Aktivitäten. Bei den abgeleiteten Maßnahmen reklamiert die kundenorientierte Sortimentsausrichtung und anschließende Flächenoptimierung die größte Bedeutung für sich. Die inter- und intrakategoriale Abstimmung der Verkaufsförderungsaktivitäten schließt sich an. Eine in der Praxis immer noch eher untergeordnete Rolle spielen die kooperative Produkteinführung und Neuproduktentwicklung.
In der Praxis kommen neben dem „Standard-Prozess“ auch verschiedene unternehmensspezifische Varianten zum Einsatz. Sie streben durch Verdichtung einzelner Phasen oder den Verzicht auf bestimmte, für die jeweilige Problemstellung nicht effiziente Analysemodule („Templates“) einen schnelleren und auch transparenteren Durchlauf des Prozesses an.Nicht die konkrete Form ist aber entscheidend, sondern dass der jeweils eingesetzte Prozess in und zwischen den kooperierenden Händler- und Herstellerunternehmen akzeptiert wird und die situationsspezischen Anforderungen erfüllt – denn „letztlich gibt es für das Category Management nur einen Standard und dies ist der Marketing-Management Prozess“ (Schröder 2003):
- Situationsanalyse
- Entwicklungsprognose
- Zielplanung
- Maßnahmenplanung
- Wirkungsprognose
- Entscheidung
- Durchführung
- Kontrolle
An diesem Grundsatz orientiert sich auch die Weiterentwicklung des Category Management-Ansatzes: Der Entwicklung des E-Commerce trägt der Ansatz des „Category Management für Online-Shops“ Rechnung, der die Möglichkeiten der virtuellen Einkaufsstätte und der Identifikation des Kunden durch einen zielgruppenspezifischen Prozess-Ansatz ausschöpft. In die gleiche Richtung gehen die Überlegungen, kooperative CRM-Initiativen (hier: Consumer Relationship Management) für Category Management-Aktivitäten von Handel und Industrie in den Filialen und für die filialunabhängige Konsumentenansprache zu nutzen. Am Essener Center for Multi-Channel-Management schließlich blickt ein Forschungsprojekt in die Zukunft und beschäftigt sich mit dem Category Management in Mehrkanal-Systemen.
Fazit
Auch wenn es sich beim Category Management um einen neuartigen und anspruchsvollen Ansatz handelt, so beruht er doch auf Methoden und Prinzipien, die jedem Kaufmann, der den Kundennutzen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt, alt bekannt sind. Er bietet Händlern und ihren Lieferanten, nicht nur aus dem Bereich der fast-moving-consumer-goods, über das Vehikel der konsequenten Kundenorientierung bei der Bewirtschaftung von Categories die Chance zum Aufbau und zur Sicherung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen.
Autor: Markus Großweischede ist Geschäftsführer des Center for Multi-Channel-Management (http://www.cmc-essen.de) an der Universität Essen und Doktorand am hiesigen Lehrstuhl für Marketing & Handel von Prof. Dr. Hendrik Schröder. Als Forscher und Berater widmet er sich den Themen Multi-Channel-Retailing, vertikales Marketing und Category Management. Er engagiert sich in den ECR D-A-CH Arbeitsgruppen „Category Management für Online-Shops“ und „Consumer Relationship Management“. Ab März 2003 ist er als Category Manager eines führenden Konsumgüterherstellers tätig.
Weitere Literatur:
Großweischede, M.: Category Management aus Sicht der Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels, in: Ahlert, D.; Borchert, S. (Hrsg.): Kooperation und Vertikalisierung in der Distribution, Stuttgart u.a. 2000, S. 157-190
Schröder, H.: Handelsmarketing – Methoden und Instrumente im Einzelhandel, München 2002
Schröder, H.: Category Management – eine Standortbestimmung, in: Schröder, H. (Hrsg.): Category Management aus der Praxis für die Praxis – Konzepte, Kooperationen, Erfahrungen, Frankfurt a.M. 2003
Seifert, D.: Efficient Consumer Response – ECR-Erfolgsfaktorenstudie Deutschland – Supply Chain Management, Category Management und Collaborative Planning Forecasting and Replenishment als neue Strategieansätze, 2. Auflage, München 2001