Alle wollen das Kima retten – jetzt auch die deutsche Messewirtschaft. Vom kommenden Jahr an sollen „produkt- und dienstleistungsspezifische Nachhaltigkeitskriterien“ in die Ausschreibungsprozesse einbezogen werden. Ab 2025 wird nur noch Ökostrom eingesetzt. Und für 2040 versprechen die im Dachverband AUMA zusammengeschlossenen 69 Veranstalter Klimaneutralität. „Die deutsche Messewirtschaft unterstützt vollumfänglich die Ziele des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen“, heißt es in dem am 1. August veröffentlichten Positionspapier. Besser spät als nie, möchte man rufen: Das Pariser Abkommen wurde im Dezember 2015 verabschiedet.
Auch andere Branchen haben es nicht gar so eilig: Teile der Finanzwirtschaft beispielsweise tun sich noch immer schwer mit dem Trend zur grünen Geldanlage. Am 2. August sind Regeln der europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFID in Kraft getreten, die Finanzberater*innen verpflichten, Anleger*innen nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. Und, wird dieser lang geplante Schritt begrüßt und als Chance begriffen? Kommt darauf an, wen man fragt. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) gesteht immerhin zu, dass die Abfrage der Präferenzen „weiter dazu beitragen wird, nachhaltige Investitionen zu verbreiten und Kapitalströme in nachhaltige Aktivitäten und Projekte zu lenken“. Der Münchner Rechtsanwalt Christian Waigel hingegen schimpft in seinem Blog für Profis der Finanzbranche, bei der neuen Regelung wackele „der Schwanz mit dem Hund“: „Das Thema Nachhaltigkeit wird politisch getrieben, jeder politische Akteur legt noch eine Anforderung drauf (…) Damit hat die Bürokratie freie Bahn.“
Zwei Drittel der Anleger*innen möchten nachhaltig investieren
Ob das die richtige Einstellung ist, um die Generation „Fridays for Future“ für sich zu gewinnen? Es mag ja richtig sein, dass die Gehversuche der Regulatoren verbesserungswürdig sind. Aber vornehmste Aufgabe von Marketing ist es doch, Kundenbedürfnisse zu erfüllen. Und wie die aussehen, daran besteht in diesem Fall kein Zweifel. Nach einer gerade veröffentlichten repräsentativen Befragung der GfK können sich zwei von drei Privatanleger*innen vorstellen, in nachhaltige Finanzprodukte zu investieren, ein Plus von 20 Prozentpunkten gegenüber der letzten Befragung 2017. Fast 23 Prozent haben dies bereits getan – fünfmal so viele wie vor fünf Jahren.
Clevere Institute haben längst erkannt, was für eine Goldmine da schlummert, und sich entsprechend positioniert. Die HypoVereinsbank etwa hat im vergangenen Jahr damit begonnen, 275 Mitarbeitende an der EBS Universität zu Sustainable Finance Experts ausbilden lassen. Und vermarktet den Know-How-Vorsprung entsprechend.
Genau so wird ein Schuh draus: Um erklären zu können, erst einmal selber verstehen. Praktische Hilfe bieten unabhängige Portale wie Cleanvest, aufgelegt vom Wiener Social Impact Unternehmen ESG Plus. Es bewertet Fonds nach individuell festlegbaren Kriterien wie „Grüne Technologien“ oder „Frei von Kohle“ und ist überdies kostenfrei. Da kann man vor der Beratung reinschauen oder zusammen mit Kund*innen. Schließlich ruft sogar Anwalt Waigel zu Eigeninitiative auf: „Sie müssen die Produkte durchsehen und sich eine eigene Meinung bilden.“ Gute Idee.
Neue Mehrwegpflicht für Take-Away-Food
Vorbereitung hilft: Daran sollten auch Gastronom*innen denken. Von 2023 an gilt eine neue Mehrwegpflicht für alle, die Essen zum Mitnehmen anbieten, ausgenommen Kleinstbetriebe. Der Markt hat reagiert und Lösungen entwickelt, von individuellen Mehrweg-Kollektionen bis zu überregionalen Pfandsystemen. Nach eigenen Angaben deutschlandweit größter Anbieter von Mehrweggeschirr ist Recup mit über 12.100 Ausgabe- und Rücknahmestellen. Weitere Anbieter sind zum Beispiel Vytal oder Relevo. Wer herausfinden will, was zum eigenen Betrieb passt, sollte mit der Recherche nicht zu lange warten.
Denn der frühe Vogel fängt den Wurm, wie die Münchner Agenturgruppe Serviceplan bestätigen wird, die sich, wie auch in der absatzwirtschaft zu lesen war, als erste große deutsche Agentur Ende 2020 klimaneutral stellte. Immer mehr Firmen ziehen nach. Die Berliner Online-Marketing-Agentur Plista etwa verkündete vergangene Woche eine Partnerschaft mit dem Start-up Klima, dessen App dabei hilft, den persönlichen CO2-Fußabdruck auszurechnen und zu reduzieren. Was übrig bleibt, wird per Überweisung an Klimaprojekte kompensiert. Plista legt seinen rund 100 Mitarbeitenden den Download der App ans Herz – und übernimmt die Ausgleichszahlungen. Wie so oft führen viele Wege zum Ziel. Man sollte sie nur nicht zu spät beschreiten.
Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!