Wahlkampf um das neue Nährwert-Logo

In welchem Joghurt sind weniger "Dickmacher"? Welche Tiefkühlpizza hat mehr Fett? Verbraucher sollen das leichter auf der Packung sehen können – doch wie? Ein von vielen favorisiertes Siegel bekommt durch das Ergebnis einer Befragung einen weiteren Schub.
Das Nutri-Score-Modell ist in einigen europäischen Ländern etabliert. (© Imago)

Von Sascha Meyer, dpa

In der Debatte um eine klarere Kennzeichnungen von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln machen Verbraucherschützer und Gesundheitsexperten Druck für das farbliche Logo Nutri-Score. Die Organisation Foodwatch und mehrere Medizinverbände präsentierten am Mittwoch eine Umfrage, die hohe Zustimmungswerte für das System ergab. Ein im Vergleich abgefragtes zweites Logo des bundeseigenen Max-Rubner-Instituts für Ernährungsforschung (MRI) schnitt darin schlechter ab. Die Verbände forderten Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) auf, im Kampf gegen Fehlernährung keine Zeit mehr zu verlieren und Nutri-Score schnellstmöglich einzuführen.

Um das beste Logo, das Supermarktkunden bei Fertigprodukten leichtere Orientierung bieten soll, ist damit eine Art Wahlkampf entbrannt. Denn Klöckner lässt derzeit eine eigene Verbraucherbefragung machen – nicht unter zwei, sondern unter vier Modellen. Die Entscheidung, welches Logo die Bundesregierung zur freiwilligen Nutzung auf Packungen empfiehlt, soll im Herbst fallen. Klöckner hat betont, sie habe „keine Präferenz“. Maßgeblich solle das für Ende September erwartete Ergebnis der Befragung sein, bekräftigte ihr Ressort am Mittwoch.

Mehr als zwei Drittel favorisieren Nutri-Score

Nun preschen die Verbände mit einer eigenen Befragung vor, die weitere Argumente für Nutri-Score liefert. Als „schnell erfassbar“ bewerteten 87 Prozent der Befragten das System. Dass es die Auswahl gesunder Lebensmittel erleichtere, fanden 60 Prozent. Dafür wurden den 1003 Teilnehmern ab 18 Jahren beide Modelle erklärt und online beispielhaft damit gekennzeichnete Produkte gezeigt. Als Gesamt-Einschätzung sagten 69 Prozent, Nutri-Score als Kennzeichen zu bevorzugen, 25 Prozent das Modell des Bundes-Instituts.

Der aus Frankreich stammende Nutri-Score bezieht neben dem Gehalt an Zucker, Fett und Salz empfehlenswerte Bestandteile wie Ballaststoffe in eine Bewertung ein und gibt dann einen einzigen Wert an – in einer Fünf-Stufen-Skala von „A“ auf einem dunkelgrünen Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes „C“ bis zu einem roten „E“ für die ungünstigste. Das zutreffende Feld wird hervorgehoben. Erste Produkte damit sind schon in Supermärkten zu haben, die SPD ist auch dafür.

„Vor der Einführung die Verbraucher zu befragen, wie gut sie verschiedene Modelle der Kennzeichnung verstehen, ist sinnvoll, um die Akzeptanz zu fördern.“
Anne Markwardt, Lebensmittel-Expertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

Eine neue Kennzeichnung müsse gerade für besonders von Fehlernährung betroffene Bevölkerungsgruppen verständlich sein, sagte Berthold Koletzko, der Vorsitzende der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Die Verbände, zu denen etwa auch die Diabetes Gesellschaft gehört, verweisen dazu ebenfalls auf die eigene Umfrage: Befragte mit geringer formaler Bildung und starkem Übergewicht bevorzugten demnach zu drei Vierteln Nutri-Score.

Bisher nur im Computer existiert das zweite nun abgefragte Modell, das das Rubner-Institut auf Bitten des Ministeriums entwickelt hat. Es zeigt Salz, Zucker und Fett pro 100 Gramm in Waben an, die bei niedrigem Gehalt blaugrün gefärbt sind. Daneben zeigt eine große Wabe eine Gesamtbewertung. Je günstiger sie ausfällt, desto mehr von fünf Flächen haben einen schwarzen Stern und sind blaugrün ausgefüllt.

Ministerium lässt noch zwei weitere Modelle testen

In der Befragung des Ministeriums werden daneben noch zwei weitere Modelle getestet: Das „Keyhole“-Logo aus Skandinavien mit einem weißen Schlüsselloch auf grünem Grund, das nur Produkte mit günstiger Nährwertbewertung bekommen können. Und ein Modell mit fünf Kreisen, das der Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft vorgeschlagen hat.

„Lebensmittel lassen sich nicht pauschal in gut und böse einteilen.“
Wirtschaftliche Vereinigung Zucker

Die Verbraucherzentralen mahnen Transparenz bei der Untersuchung des Ministeriums an. „Vor der Einführung die Verbraucher zu befragen, wie gut sie verschiedene Modelle der Kennzeichnung verstehen, ist sinnvoll, um die Akzeptanz zu fördern“, sagte Anne Markwardt, Lebensmittel-Expertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Dafür solle Klöckner aber auch nicht nur die Ergebnisse der Befragung veröffentlichen, sondern die gesamte Studie komplett mit allen Fragen. In der Sache wirbt auch der vzbv für Nutri-Score, der in wissenschaftlichen Untersuchungen in Sachen Verständlichkeit und Wirksamkeit regelmäßig am besten abschneide.

In der Debatte wird der Ton auch schon schärfer. Das Ministerium wehrt sich dagegen, dass das Logo des Bundes-Instituts als „Klöckner-Modell“ betitelt wird – es sei unabhängig von Vorgaben entwickelt worden. Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker schoss scharf gegen Nutri-Score als „Verbraucherfalle“ – eine pauschale Gesamtbewertung eines einzelnen Produkts könne keine Lösung sein: „Lebensmittel lassen sich nicht pauschal in gut und böse einteilen.“