Die Kommission kritisiert, dass Deutschland und weitere Staaten ein Sanktionssystem nicht umgesetzt haben. Die Bundesrepublik habe entgegen nationalem Recht die Automobilhersteller nicht mit Strafen belegt, hieß es in einem Statement der Brüsseler Behörde. Wie sieht so eine Klage also aus? Florian Steiner, Rechtsanwalt bei Dr. Schotthöfer & Steiner, einer Rechts- und Fachanwaltskanzlei und Lehrbeauftragter der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW), weiß wie so etwas vorbereitet werden muss: „Bevor es überhaupt zu einer Klage vor dem EuGH kommen kann, muss dem Staat (hier unter anderem Deutschland) Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Erfolgt in der gesetzten Frist keine oder aus sich der Kommission nicht ausreichende Begründung des vorgeworfenen Verhaltens dann kann die Kommission den EuGH anrufen.“ Die Klage gegen Deutschland kann also nicht auf das Ergreifen einer bestimmten Maßnahme (Leistung) oder Aufhebung einer Maßnahme gerichtet sein, sondern nur auf Feststellung eines Vertragsverstoßes lauten.
Die Folgen
„Im Fall einer Verurteilung wäre Deutschland verpflichtet, den Vertragsverstoß zu beenden und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Deutschland müsste danach Strafen, die nach nationalem Recht vorgesehen sind, gegen den VW-Konzern verhängen“. Doch wenn nach Ansicht der Kommission den Verpflichtungen aus dem Urteil nicht nachgekommen wird, kann sie ein neues Verfahren einleiten. Dem Mitgliedsstaat wird dann erneut die Gelegenheit gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Sollte das Gericht der Ansicht sein, dass diese nicht ausreichend sind, kann das Gericht den Mitgliedsstaat zur Zahlung eines Zwangsgelds verurteilen.
Niedersachsen als Miteigentümer
Für manche Bürger nicht nachvollziehbar: Warum wird nicht nur das Land Niedersachsen wegen seiner Eigentümerstellung verklagt? „Die förderale Struktur der BRD ist auf EU-Ebene nicht entscheidend. Vertragspartner auf EU-Ebene ist nur Deutschland und daher auch zu verklagen und nicht das einzelne Land“, sagt Steiner. Natürlich kann der Bund dann das jeweilige Land auffordern, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Deshalb ist auch die Eigentumsstellung des Landes Niedersachsen hierfür nicht von Bedeutung.
Für Deutschland geht es um den Ruf, also rechtsstaatlich korrekt zu agieren, aber letztlich dürfte es um den Erhalt und Schutz von Arbeitsplätzen gehen. „Da steht Deutschland nicht alleine, wenn man sich das Verhalten von Italien ansieht. Der Fiat Chrysler hat offenbar auch gegen die Abgasnormen verstoßen, aber auch hier kooperiert der Mitgliedsstaat Italien nicht.“
Wie reagiert Deutschland nun?
Der Rechtsanwalt weiß: „Es ist zu erwarten, wie im Fall der gegen das ‚VW-Gesetz‘ (hier ging es um eine Sperrminorität für das Land Niedersachsen) , dass Deutschland erst nach einer Verurteilung durch den EuGH eine Strafe gegen den VW-Konzern nach nationalen Vorschriften verhängt“. Jedoch sicherlich nicht in dem von der Kommission vorgeschlagenem Umfang, so Steiner weiter.
Am Ende muss Deutschland agieren, um die EU-Kommission nicht zu verärgern. Doch in welchem Maße, das lässt sich jetzt noch schwer abschätzen.