Werte wandeln sich offensichtlich. Die Limbic Map ist jetzt zehn Jahre alt. Gilt sie noch?
Na klar. Und die gilt auch in 20 oder 50 Jahren noch. Die Emotionssysteme im Gehirn verändern sich nicht. Was sich verändern kann sind die kulturellen Bedeutungen der verwendeten Begriffe. Und wenn ein Wertewandel stattfindet, dann bildet er sich ja als Bewegung innerhalb der Limbic Map ab.
Wie soll man solche Bewegungen operationalisieren? Sind Sie ein Freund von Persona-Modellen zur Vereinfachung?
Ja, wenn die Persona-Modelle nach Neuromarketing-Maßstäben gestaltet wurden. Wir nehmen auf Workshops mit Kunden immer unsere Limbic Types und arbeiten die aus zu Personas. Ein solches Konstrukt ist eine gute Handlungsanleitung für die Mitarbeiter.
Aber in der Praxis landen die doch nach zwei, drei Monaten in der Schublade.
Sobald sie funktionieren, landen sie nicht mehr in der Schublade. Viele Unternehmen, die Personas im Selbstversuch konstruieren, erzeugen Widersprüche und das führt dazu, dass die Mitarbeiter den Ansatz nicht verstehen. Wir haben mit einem sehr großen deutschen Buchverlag deren bestehende Personas komplett überarbeitet und konnten dann auch den konkreten Erfolg zeigen. Das versinkt nicht wieder in der Schublade, die Mitarbeiter haben es verstanden.
Und die hängen sich die Personas dann an die Wand?
Genauso ist es. Eine Persona ist zum Beispiel „Jule“ und die Marketer stellen sich bei einer Produktempfehlung schon die Frage: „Ist das ein Buch, das Jule kaufen würde“.
Inzwischen gibt es Software, die das automatisch macht und sich selbst optimiert.
Das ist ein sehr pragmatischer Ansatz. Digitales Marketing kann durch empirische Testmethoden Mechanismen finden, die die wissenschaftliche Theorie gar nicht sauber vorhersagen kann.
Sie predigen das Thema seit zwanzig Jahren, die Limbic Map ist zehn Jahre alt. Ist das Grundwissen über Neuromarketing bei den Marketern angekommen?
Bei den meisten schon, nur im B2B-Bereich sehe ich noch wenig. Im Konsumgüterbereich oder im Handel ist das Thema präsent.
Aktuell ist Dynamic Pricing heftig umstritten. Wie sieht der Neuropsychologe die Methode?
Eher entspannt. Wer Dynamic Pricing macht, bezahlt mit Vertrauen. Die Kunden lernen, dass sich Preisvergleiche lohnen und das gehört zum normalen Marketingspektrum. Der Vertrauensverlust ist also nicht so dramatisch, aber als Marke, die eine gute Beziehung zu ihren Kunden hat, wäre ich vorsichtig.
Das ist der Transparenz, zum Beispiel durch Social Media geschuldet. Aber es gibt schon Missbrauchspotential im Werkzeugkasten der Neuromarketer.
Das ist eine ganz wichtige Frage. Manipulation ist ein Teil unseres Lebens. Jede Frau, die sich schminkt, manipuliert. Jeder Pfarrer, der predigt. Die Diskussion darüber muss auf einer höheren, einer philosophischen Ebene stattfinden. Platon würde sagen, dass Manipulation gerechtfertigt ist, so lange der andere nur Nutzen daraus zieht. Rupert Lay würde sagen, sie darf keinen Schaden erzeugen und Kant und Habermaas würden es rigoros ablehnen, weil der Manipulierte nicht am Diskurs beteiligt war und seinen freien Willen verliert.
Heikel wird es immer dann, wenn Manipulation stattfindet, über die nicht öffentlich diskutiert wird.
Gibt es Situationen, wo Hans-Georg Häusel im Kundengespräch sitzt und sagt, das mache ich nicht mit?
Mir ist es mal in einem Beratungsprojekt passiert. Nicht während der Beratung, sondern hinterher haben die Mitarbeiter einer großen Bank die von uns erarbeiteten Methoden dann dazu genutzt haben, um Menschen unter Druck zu setzen und ihnen Anlagen zu verkaufen. Das steckt nicht in meiner Identität. Neuromarketing ist wie ein Küchenmesser, es kann tolle Gerichte zustande bringen aber auch tief verletzen.
Der Marketer hat eine Verantwortung dafür, dem Kunden dabei zu helfen, besser zu werden und seine Bedürfnisse besser zu befriedigen.
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